EU-Verkehrskommissar Siim Kallas will die Autofahrer in Europa verpflichten, ältere Pkw künftig jedes Jahr zum TÜV zu schicken - statt wie bislang auch in Deutschland nur alle zwei Jahre. Ein vertraulicher Entwurf aus seinem Haus für eine neue EU-Verordnung sieht vor, dass für Fahrzeuge ab dem siebten Jahr der Nutzung oder ab einem gewissen Kilometerstand die jährliche Hauptuntersuchung zur Pflicht wird. Der Entwurf liegt der "Financial Times Deutschland" (FTD) vor.
Als Begründung verweist die Brüsseler Kommission darauf, dass Pkw ab einem bestimmten Alter und solche, die intensiv genutzt werden, häufiger "technische Mängel" aufweisen. Es gebe aber eine "klare Korrelation zwischen dem Niveau an Sicherheit im Straßenverkehr und der Zahl der technischen Mängel bei Fahrzeugen". Deshalb sei es angemessen, für die Pkw die Prüffrequenz zu erhöhen. "Wir müssen das Thema ältere Autos unbedingt angehen", hieß es noch deutlicher aus Kommissionskreisen.
Damit steuert Kallas auf einen heftigen Krach vor allem mit der deutschen Autofahrerlobby zu. Allen voran hat der ADAC bislang Widerstand geleistet gegen jeden Versuch, die Frequenz zu erhöhen. Er sieht keinen Gewinn für die Verkehrssicherheit und kritisiert es als Abzocke der Autofahrer. Auch die Bundesregierung sieht den Vorschlag dem Vernehmen nach kritisch.
Mehr als die Hälfte der Autos in Deutschland wäre betroffen
In Deutschland wäre die Mehrzahl der Autobesitzer betroffen. Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt gab es zum 1. Januar 2012 einen Bestand von 42,9 Millionen Pkw. Von denen war laut Statistik mehr als die Hälfte sieben Jahre und älter. In einer früheren Schätzung hat der ADAC kalkuliert, dass bei einer durchschnittlichen Prüfgebühr von 60 Euro rund 1,3 Mrd. Euro an Mehrkosten auf die deutschen Autofahrer zukämen, wenn es eine jährliche Pflicht gäbe.
Studien von Unternehmen wie den TÜV-Gesellschaften oder Dekra kommen zu dem Ergebnis, dass ältere Fahrzeuge nach etwa acht Jahren häufiger schwere Mängel haben. Auf solche Studien stützt sich auch die Kommission, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren. Der ADAC verweist dagegen darauf, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Unfälle auf technische Mängel an Fahrzeugen zurückzuführen sei.
Der Entwurf von Kallas sieht vor, dass bei neuen Pkw spätestens vier Jahre nach der Erstzulassung eine Hauptuntersuchung gemacht werden muss. Danach soll es die nächste Prüfung nach spätestens zwei Jahren geben. Ab dann aber soll sie jährlich Pflicht sein. Für Fahrzeuge, die bei der ersten Prüfung nach vier Jahren 160.000 Kilometer oder mehr auf dem Tacho haben, soll die jährliche Pflicht gleich greifen. Die gleichen Vorgaben sollen für alle Kraftfahrzeuge bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen gelten. Für Oldtimer gibt es weiter Ausnahmen.
EU-Parlament und Staaten müssen entscheiden
Bislang sahen die EU-Vorgaben für Pkw und Kraftfahrzeuge bis 3,5 Tonnen - abgesehen von Taxen und Rettungswagen - vor, dass nach der ersten Prüfung nach vier Jahren nur alle zwei Jahre eine Hauptuntersuchung ansteht. Das sind allerdings Mindeststandards. In einigen Ländern gibt es bereits eine jährliche Pflicht für ältere Pkw. Deutschland hat bisher an den zwei Jahren festgehalten.
Kallas stimmt seinen Entwurf derzeit mit den anderen 26 Kommissaren ab. Bis spätestens Mitte Juli soll es eine gemeinsame Position geben und dann wird der Vorschlag veröffentlicht. Am Ende müssen EU-Parlament und die 27 Mitgliedsstaaten entscheiden.
Kallas' Entwurf sieht auch vor, dass das Gesetz anders als bislang künftig auch für Motorräder und motorisierte Dreiräder gilt. In Deutschland gibt es für sie bereits eine TÜV-Pflicht. Allerdings will Kallas, dass auch ältere Motorräder jährlich überprüft werden. In vielen anderen EU-Ländern gibt es überhaupt keine Pflicht für die Zweiräder.
Insgesamt zielt Kallas darauf ab, die Standards der Hauptuntersuchungen anzugleichen - sowohl, was die Tests selbst, das Testgerät und die Inspektoren betrifft. In vielen Ländern sind die Gegebenheiten noch unterentwickelt, während die deutschen Standards sehr hoch sind. Vorgesehen in Kallas' Entwurf ist auch eine Pflicht für nationale Register mit den Testergebnissen. Das soll auch den Missbrauch mit manipulierten Kilometerständen einschränken.