Fast täglich hagelt es Vorschläge, wie unsere Autos klimafreundlicher werden. Am Wochenende hat EU-Kommissionspräsident Barroso angedroht, von Autokonzernen Strafzahlungen zu verlangen, wenn sie gegen die neuen europäischen Klimaschutz-vorgaben verstoßen. Ende Oktober hatte der SPD-Parteitag die Allzweckwaffe Tempolimit auf deutschen Autobahnen gegen den Klimawandel eingefordert. Zwischen Tempolimit und Strafzahlungen hat der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein die Autobahn-Maut aus der Mottenkiste ausgekramt. Das hilft sicher auch irgendwie dem Klima. Der umtriebige Bundesumweltminister Gabriel kommt gleich mit einem Bündel an Vorschlägen. Je nach Tagesform von Gabriel sollen die Dienstwagen-Fahrer, die angeblich auf Staatskosten Gas geben, stärker besteuert werden. Oder, die heute schon kaum verständliche Kfz-Steuer soll - als CO2-Steuer umgebaut - zur Wunderwaffe werden. Mit der umgestalteten Steuer sollen die Länder ihre Steuereinnahmen erhalten, die Fahrzeuge ohne Partikelfilter aus dem Verkehr verschwinden, und natürlich - das Klimaproblem gelöst werden. Wann und wie das aussehen könnte, ist seit der ersten Ankündigung im Februar dieses Jahres unklar. Klar ist lediglich, dass die Details monatlich nach hinten verschoben werden. Einen zentralen Eckpunkt der Wundersteuer hat das Finanzministerium Anfang November schon mal ausgeplaudert. Danach sollen Pkw unter 100 Gramm CO2 Ausstoß pro Kilometer Steuerfrei sein. Dies entspricht einer Steuerersparnis zwischen 50 Euro und 100 Euro. Kein Mensch glaubt, dass man zum Preis eines Samstagvormittagseinkaufes das Käuferverhalten ändert. Fazit: Es wird keine Ruhe an der Vorschlags-Front eintreten.
Blindflug beim Klima ist unnötig, wenn Emissionshandel genutzt wird
Die hektische Diskussion hilft weder dem Klima noch dem Automarkt, denn die Neuwagenkäufer warten wegen der Verunsicherung erst mal ab und fahren ihre alten Schätzchen weiter. Dabei wäre es vernünftig, nicht eine deutsche CO2-Steuer zu erfinden, sondern europäisch zu agieren. Schließlich haben wir doch ein globales Problem. Die Lösung könnte so einfach sein. Das in anderen Branchen praktizierte System des Emissionshandels muss nur auf die Autoindustrie angewendet werden. Wie kann das aussehen? Vier einfache Regeln reichen aus.
Regel 1: Jeder Autohersteller muss an einer Börse für jeden Neuwagen entsprechend seinem CO2-Ausstoß CO2-Zertifikate kaufen.
Regel 2: Die Börse bietet so viele Zertifikate an, dass pro Neuwagen durchschnittlich 130 g CO2/km bereitgestellt werden.
Regel 3: Für alle Fahrzeugklassen werden technische CO2-Werte (CO2-Standards) festgelegt.
Regel 4: Die Börse verteilt das gesamte Einkommen aus dem Zertifikat-Verkauf auf die Autohersteller. Jeder Hersteller erhält Rückzahlungen gemäß den technischen CO2-Standards seiner Fahrzeuge.
Regel 1 vermeidet ein Monopol von italienischen oder französischen Autobauern beim Handel. Nicht die Autobauer verkaufen CO2-Rechte, sondern die Börse. Regel 2 garantiert die Einhaltung des Klimaziels. Wir brauchen damit kein Klimaziel für Deutschland oder Italien. Wir brauchen auch keine Strafen, falls die Autobauer die Ziele verfehlen. Das erledigt alles einfach und bequem der Markt. Als Nebenprodukt erhalten wir einen Preis für CO2. Regel 3 hilft uns, die, in der Entwicklung befindlichen technischen Standards ökonomisch umzusetzen. Dahinter verbirgt sich die Idee der Bundeskanzlerin Merkel: Der Kleinwagen muss mit weniger CO2 auskommen als das Familienauto. Die Diskussion um diese technischen Standards läuft. Einige schlagen die Fahrzeuggröße als Referenzsystem vor, die deutschen Autobauer propagieren das Fahrzeuggewicht.
Welcher Kompromiss sich auch einstellt, der CO2-Handel passt dazu. Das Salz in der Suppe ist die Regel 4. Mit Regel 4 wird das Geld aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate den Autobauern wieder zurück bezahlt. Freilich mit einer kleinen Modifikation. Jeder erhält eine Zahlung gemäß den technischen CO2-Standards. Verbraucht also der Porsche Cayenne mehr CO2 als der Standard vorgibt, wird Porsche zum "Netto-Zahler". Verbraucht der Porsche Cayenne weniger CO2 als der vorgegebene Standard, wird Porsche "Netto-Empfänger". In diesem Falle erhält Porsche Geld dafür, dass es CO2 spart. Damit hat Porsche einen klaren Anreiz, zusätzliche Spartechnik einzusetzen. Ergebnis: Der Spritfresser wird teurer und das CO2-sparende Fahrzeug preisgünstiger. Die Autokäufer haben jetzt die richtigen Preissignale, Spritspartechnik wird verkauft und die hohen Investitionen der Autobauer in CO2-Spartechnik werden nicht zur Investitionsruine.
Die Realität: Berlin ignoriert Klima und Industrie
Und wie sieht die Realität aus? Deutschland löst das Klimaproblem "deutsch". Die CO2-Steuer kommt und kein Mensch weiß, welches konkrete Ziel sie erreichen soll. Sollen mit der Steuer alle in Deutschland verkauften Neuwagen im Durchschnitt 130 g CO2 verbrauchen oder sollen es mehr sein? Da in Deutschland überwiegend größere Fahrzeuge als in Italien verkauft werden, könnte die Frage von Interesse sein. Was passiert mit dem Autobauer, der trotz deutscher Steuer die 130 g CO2 in 2012 nicht einhält. In Frankreich wird derzeit ein System aus Strafsteuern diskutiert, das alles, was über 150 g CO2 Ausstoß hat, gnadenlos bestraft. Gute Nacht deutsche Autoindustrie. Die deutsche Lösung des Klimaproblems wird zum Problem für die deutsche Autoindustrie. Dabei wäre es so einfach, Klimaschutz und die Interessen von Autokäufern und Industrie unter einen Hut zu bringen. Alles was es bräuchte wäre europäisches Denken.