Arbeit statt Party sollte das Motto der IAA heißen. 2009 ist kein Jahr, um sich selbstverliebt auf die Schulter zu klopfen. Dabei gibt es auch gute Nachrichten: Individuelle Mobilität ist kein Auslaufmodell, der Automarkt ist kein sterbender Markt. Alle Prognosen sind sich im Kern einig: Nach der Krise wird die Nachfrage nach Automobilen weltweit enorm steigen. Um an diesem Geschäft teilzuhaben, müssen die deutschen Hersteller gut aufgestellt sein. Sang- und klanglos wurde der VW Lupo eingestellt. Beim Thema Hybrid zog man nur äußerst unwillig nach. Es ist richtig, dass Entwicklungen ihre Zeit brauchen. Dass es nach wie vor keinen Hybriden zu einem Massenmodell gibt, ist kein Versäumnis aus diesem Jahre. Da wurde vor vier, fünf Jahren gelästert und gemauert. Zeit zum Schlafen und Aussitzen gibt es jetzt nicht mehr.
Runter mit den Kapazitäten
Weltweit wird der Automarkt ab 2011 wieder anziehen, vermutlich sogar wesentlich stärker, als es vielen Umweltbewegten Recht sein wird. Aber nicht in Westeuropa – hier wird der Markt erst in einigen Jahren wieder das Level vor der Finanzkrise erreichen. Darüber hinaus kann es ein Wachstum nur in homöopathischen Dosen geben, der West-Markt ist gesättigt. Nach wie vor liegen die Überkapazitäten in der Branche bei 20 Prozent. Wenn sie nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und nicht weiter die Mehrproduktion zu enormen Rabatten in den Markt drücken will, müssen die Kapazitäten runter. Exporte werden die Überproduktion kompletter Wagen nicht ausgleichen können. Die Kosten in Europa lassen es nur zu, Luxuswagen in Europa zu fertigen und in Wachstumsmärkte zu exportieren. Kaum vorstellbar, einen Astra hier zu bauen und in China an den Mann bringen zu wollen. Wer sich mit namhaften Stückzahlen in einem Markt wie China etablieren will, kommt um eine Fertigung im Land schon jetzt nicht herum. In Zukunft wird eine reine Endmontage in Indien und China nicht mehr ausreichen, sukzessive werden weitere Fertigungsschritte verlagert werden. Damit werden in Europa Arbeitsplätze in der Entwicklung gesichert, aber nicht in der Produktion.
Umweltverträglichkeit schaffen
Das ist die wichtigste Zukunftsaufgabe im Zusammenhang mit individueller Mobilität. Das Auto als Klimaschädling und Umweltrüpel hat keine Chance. Derzeit gelten Elektrofahrzeuge als "der" Weg in die Zukunft. Die Kette "Stromerzeugung – Stromnetz – Batteriespeicher – Elektromotor" besitzt fraglos Vorzüge. Vor allem weil am Fahrzeug keine Emissionen frei gesetzt werden. Ob sich das Elektromobil durchsetzt, ist vollkommen offen. Die entscheidende Frage bleibt die nach der Batterietechnik. Außerdem hängt die Attraktivität des E-Mobils davon ab, ob sich das Elektrokonzept besser entwickelt als andere Alternativen wie etwa nachwachsende Rohstoffe. Zunächst muss aber die Effizienz der in der Masse eingesetzten Motoren weiter gesteigert werden. Ein Premiumhersteller wie BMW hat längst erkannt, dass die Umweltverträglichkeit der Modelle der Schlüssel für die Zukunft ist. Besonders im Premiumbereich wurde viel erreicht. Hier haben die Hersteller zwei Vorteile: Die Kunden sind bei weitem nicht so preissensibel wie in der Kompaktklasse, wo 100 Euro Mehrpreis bereits als Katastrophe gelten. Außerdem ist mit modernen Motoren folgender Trick möglich: Im Normalbetrieb gebärdet sich der Motor lammfromm mit bescheidenden Trinksitten, bei Bedarf stellt er aber unbändige Kraft zur Verfügung. So paradox es klingt: Je mehr PS ausgewiesen werden, umso leichter fällt das Sparen. Entsprechend wächst der Druck auf die kleineren Wagen, ähnliche Forschritte zu erzielen. Vorne weg sind Marken wie Volkswagen mit dem Polo Bluemotion und Fiat mit den Multiair-Motoren. Beides auch schöne Beispiele, dass technischer Fortschritt keineswegs immer aus der Oberklasse kommen muss. Einzige Crux: Bei normalen Autos ist der Kunde kaum bereit, die Sparleistung besonders zu honorieren. Im Wesentlichen verlangt er, dass ein sparsames Auto auch im Portemonnaie günstiger ist.
Autos müssen noch sicherer werden
Hier verbirgt sich ein Paradox: Mehr Sicherheitstechnik macht ein Autos tatsächlich schwerer und führt zu einem Mehrverbrauch. Billiger wird ein Wagen dadurch nicht. Dennoch gibt es keine Alternative zu mehr Sicherheit. Die Gesellschaft reagiert generell sensibler auf alle Formen von Gewalt. Auch im Straßenverkehr werden etwa Drängler immer weniger akzeptiert. Unverständlich, dass die selbstbewusste Autoindustrie nicht mit Selbstverpflichtungen vorangeht, sondern vom Staat zum verbindlichen Einbau vom Unfallverhinderer ESP gezwungen werden muss. Dass immer noch LKW ohne Rückfahrkamera zugelassen werden, ist ein Skandal. Beim Pkw-Bau müssen die Massenhersteller zusehen, dass sie die neuen Assistenzsysteme der Oberklasse zu erschwinglichen Preisen auch ihren Kunden anbieten.
Das Elektroauto bauen
Wenn das Elektroauto kommt, ist es keineswegs sicher, dass die klassischen Autohersteller das Rennen machen. Viele Bereiche in denen Autobauer ihr Knowhow besitzen, spielen keine Rolle mehr. Auf "richtige" Motoren, Getriebe, Kupplung kann man ganz verzichten. Sollten sich Elektroautos weltweit als Citycars mit begrenzten Fahrleistungen etablieren, werden Faktoren wie Straßenlage, Lenkung und Bremsen an Bedeutung verlieren. Selbst die Motoren, die zum Aufladen der Batterie dienen, werden auf Dauer keine umgerüsteten Pkw-Motoren mehr sein. Um im Bereich von Batterieentwicklung und Fertigung überhaupt eine Rolle zu spielen, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Autohersteller. Zur Erinnerung: Der jetzige Stand von Elektromotoren und Lithium-Ionen-Batterien wurde von anderen Firmen ohne Mercedes, Opel und Co erreicht. Unwahrscheinlich, dass die einfach das Feld räumen wollen.
Billigautos müssen her
Der Dacia macht es vor und der Abwrackirrsinn hat es bewiesen: Die Menschen wollen durchaus neue Autos kaufen, wenn der Preis stimmt. Ab einer bestimmten Preisschwelle wird der Drang zum "größer, schöner, stärker" gebrochen. Das Billigsegment wird weiter wachsen, weil nicht mehr alle im Auto ein statusförderndes Konsumprodukt sehen, sondern viele kalten Herzens rein rational entscheiden. Massenhersteller, die sich für Billigwagen zu fein sind, werden sich warm anziehen müssen. Von unten werden ihnen die Einfachwagen Marktanteile abnehmen. Am anderen Ende des Spektrums werden die Premiumhersteller die Kunde zu den Edelmarken locken.
Premium geht auch klein und günstig
Früher durfte man bei Mercedes anklopfen, wenn man "es" geschafft hatte, vorher konnte man träumen und warten. Diese Zeiten sind vorbei. Trotzdem gibt es für die Edelmarken noch viel Potenzial. Ihnen ist es gelungen, die Begehrlichkeit der Marke zu erhalten oder gar noch zu steigern. Anders als Massenherstellern wie Opel oder Ford. Wichtig ist es, neue Wagen für weitere Zielgruppen anzubieten. Spannend wird es, wenn es den deutschen Edelherstellern gelingt, Know-how und Image in neue kleine Fahrzeugsegmente zu transferieren. Auch der Boom in Asien kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Oberklassenlimousine ihre besten Tage bereits erlebt hat und das SUV-Konzept nicht mehr so attraktiv ist. Mit Macht baut BMW das Feld um Einser und Mini aus, Audi rückt mit dem A1 nach und selbst Mercedes versucht, von dem Irrweg der langweiligen A- und B-Klasse wegzukommen. Hier liegt ein Markt der Zukunft. Kleinere Haushaltsgrößen und der weltweite Trend zu Mega-Citys werden edle, aber kleinere Wagen attraktiv machen. Für die bodenständige Mitte kommt es bitter, kaum sind die Kunden den eigenen Einstiegsmodellen entwachsen, werden sie von den Kleinen der großen Marken geködert und damit von den eigenen Mittelklassemodellen abgezogen.