Indy 500 Catfight in der Boxengasse

Von Helmut Werb
Drei Frauen waren im Startfeld des 500-Meilen-Rennen von Indianapolis vertreten, dem renommiertesten Event im US-Motorsport. Eine davon, Danica Patrick, konnte sich sogar gute Chancen auf einen Sieg ausrechnen. Doch den riesigen Pokal holte der "Iceman" ab.

Die große emanzipatorische Revolution ist ausgeblieben, die letzte wirklich wichtige Bastion US-amerikanischer Virilität bleibt unangetastet. Noch einmal davon gekommen.

Uff! Die Rede ist nicht von Barak oder John gegen Hillary, sondern vom wichtigsten Rennsportereignis im amerikanischen Rennsportkalender – den Indianapolis 500, jenem großen amerikanischen 500 Meilen-Traditionsrennen, dessen 92. Version noch einmal von einem Mann, von Neuseeländer Scott Dixon, gewonnen wurde. Drei Frauen waren im Startfeld der 33 Wagen vertreten (das soll uns Max Mosley in der Formel Eins erst mal nachmachen!), Sarah Fisher, die ihren eigenen Rennstall vertrat, das ehemalige Fotomodell Milka Duno und Danica Patrick, das Postergirl, der Rockstar unter den amerikanischen Rennfahrern, die gute Chancen hatte, eine sensationelle Saison mit einem Sieg in Indy perfekt zu machen. Bis sie, 29 Runden vor Schluss, mit guten Chancen auf dem siebten Platz liegend, von Ryan Briscoe in der Boxengasse gegen die Mauer gedrückt wurde und mit einem waidwunden Fahrzeug aufgeben musste. Dass die nur ein Meter achtundfünfzig kleine Rennfahrerin nach dem Unfall auf dem besten Weg war, sich den deutlich größeren Briscoe vorzuknüpfen, und nur von den Indianapolis-Offiziellen von Handgreiflichkeiten abgehalten werden konnte, davon noch später.

Danica Patrick war nach ihrem längst überfälligen Sieg in Japan als einer der Favoriten ins große Rennen des "Brickyards" gegangen, wie der Ovalkurs von Indianapolis wegen seines ehemaligen Straßenbelages aus Ziegelsteinen genannt wird. Das Oval ist eigentlich ein Viereck, die Strecke in der Zwischenzeit geteert, Rundendurchschnitte von 350km/h keine Ausnahme, und die vier Turns werden von den Besten unter Volllast gefahren, was den Adrenalin-Spiegel auch bei den mit reichlich Onboard-Kameras versorgten Fernsehzuschauern deutlich steigen lässt.

Anders als bei europäischen Rennserien sind die Fahrzeuge beim Rennen jedoch fast identisch, alle 33 Teilnehmer fahren auf einem Dallara-Chassis, alle sind mit Honda-Motoren ausgestattet, nur die Abstimmungen konnten variiert werden, was für spannende Rennverläufe sorgt. Die 26jährige Patrick zählte mit ihrem Startplatz in der zweiten Reihe durchaus zu den Fahrern, denen der Sieg zugetraut werden konnte, wobei böse Zungen bis heute behaupten, die nur 46 Kilo schwere Danica hätte einen nicht unerheblichen Gewichtsvorteil ihren männlichen Konkurrenten gegenüber.

Der große Favorit allerdings war Scott Dixon auf der Pole Position, der in den unzähligen Qualifikationsrunden, die den ganzen Monat Mai über in Indy gefahren werden, beständig die besten Zeiten gefahren war. Doch fünfhundert Meilen Renndistanz (über achthundert Kilometer, auch das soll die Formel Eins mal nachmachen) sind enorm lang und es dauerte grade mal bis zur fünfunddreißigsten der zweihundert Runden, als Graham Rahal die erste von acht Gelbphasen einläutete, als er in die Mauer nach Turn 4 donnerte. Hohe Aussentemperaturen hatten den superschnellen Kurs extrem rutschig und unberechenbar gemacht. Der "Iceman" genannte Neuseeländer Scott Dixon hingegen konnte sich aus den zahlreichen Unfällen raushalten, die unter anderem den Mitfavoriten Tony Kanaan eliminierten, der ausgerechnet vom Team-Kollegen und Enkel von Michael Andretti, Marco Andretti, in die Begrenzungsmauer eben jenes Turns 4 bugsiert wurde, mit dem Wagen von Sarah Fisher kollidierte und die in Tränen aufgelöste Fahrerin danach in die Arme nahm und tröstete. Die dritte Frau, Milka Duno, schaffte es ganz von alleine, sich aus dem Rennen zu verabschieden, als sie im – wer hätte es gedacht? – Turn 4 die Kontrolle über ihren Renner verlor.

Zum Ende wurde das Rennen dann noch spannender. Der über weite Strecken führende Dixon wurde vom Brasilianer Vito Meira angegriffen. Fünf Runden vor Schluss, nach immerhin 785 Rennkilometern, lagen der Erste und der Dritte, Marco Andretti, ganze sieben Zehntelsekunden auseinander, doch Dixon konnte sich durch geschickteres Überholen von überrundeten Fahrzeugen auf der vorletzten Runde noch einen Zwei-Sekunden-Vorsprung vor dem Brasilianer sichern und seinen ersten Indy-Sieg einfahren.

Danica Patrick hingegen war stinksauer. Mit einer überdimensionierten Sonnenbrille auf der Nase schimpfte die kleine Fahrerin wie ein Rohrspatz auf Kollegen Briscoe. "Scott hätte heute keiner den Sieg nehmen können, er war einfach der Schnellste", sagte sie vor der versammelten US-Presse, "aber ich hatte heute gute Chancen auf einen Podiumsplatz." Der Unfall wäre ihrer Meinung nach nicht passiert, wäre Briscoe nicht so "idiotisch" aus seiner Boxe gerast. Was sie gemacht hätte, wenn die Offiziellen sie nicht von Briscoes Box weg gedrängt hätten, fragte sie ein amerikanischer Reporter, hätte sie ihn verhauen? "So gesehen ist es wohl besser, dass sie mich nicht dort hingelassen haben", antwortete Patrick, ohne eine Sekunde zu zögern und verließ die improvisierte Pressekonferenz. Scott Dixon hingegen musste nach dem Sieg mit einer Version eines typischen Renn-Rituals vorlieb nehmen, das von den prüden Amerikanern "familiengerecht" modifiziert wurde. Anders als bei den Rennen der Formel Eins gibt es für die Sieger keine Dusche mit teurem Champagner. Dixon leerte sich eine Flasche Magermilch über den eigenen Kopf.