Die Eintragungen des Rennmechanikers halten nüchtern die unerfreulichen Fakten fest. In der "Wagen-Lebenslauf-Karte" des Silberpfeils steht für den 17. Juli 1954 in klarer Tintenschritt: "Rennen in Silverstone. Fahrer: Fangio. Wetter: trocken, z. T. nass. Beendete das Rennen mit 1 Runde Rückstand als 4., Schnitt: 142,12 km/h. Nach 250 Kilometer hielt der 4. Gang, dann auch der 3. Gang nicht mehr fest. Stromlinie ungünstig. Karosserieschaden vorne. Verbrauch: 35 Ltr./100 km."
Juan Manuel Fangio war der Star der Mercedes-Truppe, die mit ihren Silberpfeilen halb Deutschland in den Bann schlug und der nach der Pleite in Silverstone einige Siege für die Automarke mit dem Stern holte. Mercedes wollte Fangio unbedingt haben, weil er eine Art Michael Schumacher der 50er-Jahre war. Am 30. März 1954 unterschrieb der klein gewachsene Argentinier einen Vertrag mit der Daimler-Benz AG (DBAG) für zehn Rennen.
Ihm sollte es an nichts fehlen. In dem Kontrakt stehen kuriose Details, die in dem Gewerbe eigentlich selbstverständlich sein müssten. So verpflichtet sich Mercedes, ihm ein Rennauto zur Verfügung zu stellen, das Benzin zu bezahlen und die Reifen zu besorgen. Bei Bedarf sogar zu wechseln. Und sollte er tatsächlich mal die Karre zu Schrott fahren - keine Sorge, dafür sei eine Versicherung abgeschlossen worden.
Der Vertrag ist ein bemerkenswertes Dokument. Sechs Seiten mit der Maschine geschrieben. Und nur ganz wenigen Tippfehlern. Nicht zu vergleichen mit heutigen Rennfahrerverträgen, in denen allein die Präambeln sechs Seiten umfassen dürften. Damals war mit wenigen Worten alles geregelt. Zum Beispiel, dass Fangio seine Pokale in Untertürkheim abzuliefern habe: "Zufolge eines prinzipiellen Grundsatzes der DBAG fallen ihr alle Ehrenpreise zu, die als "Große Länderpreise" bezeichnet werden." Mercedes behielt sich vor, dem Fahrer davon Kopien anfertigen zu lassen.
Startgelder durfte der Südamerikaner behalten. Ebenso Siegerschecks und Erfolgsprämien von Zubehörfirmen; aber zehn Prozent zog Mercedes für die Rennorganisation ab. Damals zahlten die Veranstalter die Antrittsgagen direkt an die Fahrer. Nur für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in Frankreich und die Carrera Panamericana in Mexiko musste Mercedes Fangio das Antrittsgeld überweisen, 1200 beziehungsweise 2000 Dollar. Dazu Tagesspesen von 20 Dollar.
Als der Meister im Alter von 84 Jahren den Folgen einer Lungenentzündung erlag - Herzprobleme und ein Nierenleiden hatten in vorher zermürbt -, starb er als wohlhabender Mann, der in seiner aktiven Zeit auf ein Jahresgehalt von 100.000 Dollar gekommen sein dürfte. Mercedes zahlte ihm sogar einen Flug von Südamerika nach Europa und zurück. An ein Privatflugzeug, mit dem heute jeder mittelmäßige Formel 1-Rennfahrer zu seiner Arbeit düst, dachte damals keiner der Asphalthelden.