Micro Mobility Die Kabinenroller kommen

Der Opel Rak e ist ein Hingucker, der so nicht in Serie gebaut wird
Der Opel Rak e ist ein Hingucker, der so nicht in Serie gebaut wird
© Hersteller
Das Zeitalter des Golf geht zu Ende, die Zukunft gehört den Micro-Autos. Im Carsharing sollen die kleinen Flitzer die Städte erobern.

Zu groß, zu stark und zu schwer: So lautet die Kritik am herkömmlichen Auto. Es punktet mit Leistungssuperlativen wie einer Reichweite von mehr als 700 Kilometern und Spitzengeschwindigkeiten von über 200 km/h – kann aber keine akzeptable Ökobilanz aufweisen. Einfach darum, weil häufig 1500 Kilogramm Auto bewegt werden müssen, um 90 Kilogramm Fahrer zu transportieren.

Einen radikal anderen Ansatz verfolgen Micro Cars: Die Micro Minis bieten nur so viel Auto wie nötig, um einen oder zwei Insassen zu transportieren. Das funktioniert sogar, wenn die Fahrzeuge noch einmal deutlich kleiner sind als die Kleinstwagen wie VW Up und Fiat Panda, die heute auf dem Markt sind.

Bis 2020, so prognostiziert es das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan, wird es über 100 Fahrzeuge für die sogenannte Mikro-Mobilität geben. Die meisten der Neuentwicklungen kommen von 16 großen Autoherstellern, fast die Hälfte ist bereits serienreif. Obwohl es kaum Modelle im Laden gibt, haben die Hersteller bislang 300 Millionen US-Dollar in das Marktsegment gepumpt. "Lösungen für die Mikro-Mobilität werden sich langfristig durchsetzen", schlussfolgern die Frost & Sullivan-Analysten Vishwas Shankar und Sarwant Singh.

Bisher nur Showcars

Viele der bisher gezeigten Modelle sind Hingucker für Messen oder Machbarkeitsstudien der Ingenieure, die nie Serienreife erreichen werden. Für Audis "Urban Concept"-Kabinenroller zum Beispiel gibt es derzeit keine Pläne für eine Serienfertigung, heißt es aus Ingolstadt - auch nicht in Kleinserie. Dass Opel seinen Mini-Flitzer Rak e bald auf die Straße bringen kann, darf ebenfalls bezweifelt werden. VW will zwar sein Ultrasparmobil XL1 im nächsten Jahr auf den Markt bringen, allerdings nur in kleinen Stückzahlen. Teure Bauteile wie die Karosserie aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) dürften den Preis auf mindestens 30.000 Euro treiben und somit außerhalb der Reichweite vieler Käufer. Toyotas Hybridstudie FT-Bh ist da schon realistischer. Das Gesamtgewicht des Wagens liegt bei 786 kg – "wohlgemerkt inklusive Batterie und ohne den Einsatz von teuren Leichtbaustoffen wie Karbon oder Aluminium", wie Koji Makino betont, der Projektmanager des FT-Bh. Der Wagen ist zwar knapp vier Meter lang, die Technik ist aber auch in kleineren Fahrzeugen vorstellbar. Noch mutiger ist Renault. Der Twizy – eine Art elektrischer Kabinenroller – steht bereits beim Händler. Rechnet man die Leasingkosten der Batterie zum Kaufpreis dazu kostet der spartanische Zweisitzer immer noch soviel wie ein gut ausgestatteter VW Polo. Das ist aber doch deutlich weniger als die Preiskalkulation für den technischen Überflieger von VW.

Der Kunde will auch sparen

Die futuristischen Micro-Cars sind aufregend, der tatsächliche Wandel im Verkehr ist hingegen bislang weit weniger spektakulär. Die meisten Menschen erwarten vom Downsizing des Fahrzeugs auch sinkende Kosten. Dafür sind sie dann aber auch bereit einfache Lösungen zu akzeptieren. Städtischer Vorreiter in Sachen Wandel der Mobilität ist Kopenhagen. Wolfgang Schade, Leiter des Geschäftsfeldes Verkehrssysteme beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), hat beobachtet, dass sich alternative Mobilitätskonzepte hier viel schneller durchsetzen als gedacht. Antreiber der Entwicklung sind allerdings keine Elektroautos sondern altbackene Drahtesel: "In Kopenhagen nutzen rund 70% der Bevölkerung Fahrräder, viele nehmen auch ihre Kinder mit", berichtet Wolfgang Schade.

Die Entwicklung in Kopenhagen schreitet schneller voran als anderswo, ist aber kein Sonderweg. Ins Bild von der Renaissance des Fahrrads passt, dass das Elektrofahrrad weltweit das bisher einzige Verkehrsmittel mit alternativem Antrieb ist, das sich beim Kunden etablieren konnte. In China wurden 2011 mehr als 22 Millionen Elektro-Fahrräder verkauft, in Deutschland sollen es in diesem Jahr 400.000 sein. Nach langem Zögern steigt jetzt auch die Autoindustrie in das Geschäft mit den eBikes ein. Eigenes Know-How ist allerdings die Ausnahme. Das futuristische Stromfahrrad von Smart etwa wurde auf dem Zuliefermarkt zusammengekauft und wird von einem renommierten Fahrradbauer zusammengesetzt.

Das Geschäft mit den kleinen Wagen

Phil Gott vom Beratungsunternehmen IHS Automotive glaubt dennoch, dass Micro Mobility für die Autobauer durchaus ein lukratives Geschäft werden kann. "Der Markterfolg dieser Fahrzeuge hängt weniger von der Technologie ab, sondern vom Sinneswandel der Verbraucher", ist der IHS-Experte überzeugt. Kaufimpulse werden diese praktischen, aber nicht besonders begehrlichen Fahrzeuge nicht auslösen, fürchtet Phil Gott. Er sieht Chancen für Kleinstmobile vor allem beim Car Sharing: „Diese Fahrzeuge können viele Verkehrsprobleme lösen, aber sie sind nicht unbedingt das, was man selbst besitzen möchte. Es gibt Car Sharing schon in mehr als 1000 Städten weltweit“, so der IHS-Experte.

Vollkommen offen ist dabei, wer am Ende das Geschäft mit den Micro-Minis macht. Glücklicherweise ist der wirtschaftliche Break-even-Point für Fahrzeuge im Bereich der Mikromobilität schon weit unterhalb der 100.000er Schwelle zu erreichen. Es müssen also keine Millionen produziert werden, um Gewinn zu machen. Klassische Autotugenden wie Fahrdynamik ist bei den Vehikeln nicht so wichtig, der Preis vielleicht doch. Gut denkbar, dass die chinesischen Hersteller hier schneller akzeptable Modelle liefern, als den deutschen Autobauern lieb sein kann. Der Weltmarkt für kleine Motorroller mit Benzin- oder auch Elektromotoren wird ohnehin bereits von China dominiert.

Gernot Kramper mit Press-Inform