Peking Autoshow 2010 Eine gelbe Flut von guten Autos

Chinas Autohersteller sind keine schrillen Exoten mehr, sondern die Partner von Mercedes und Co. Natürlich wird immer noch kopiert, aber immer mehr Modelle entsprechen auch den europäischen Vorstellungen.

89 Premieren, fast 1000 Fahrzeuge, 200.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche –in Peking spreizt der chinesische Drache seine Schwingen. Asiatische Zurückhaltung darf man nicht erwarten. Zu ohrenbetäubender Musik und schrägen Showeinlagen rollen neue Autos im Minutentakt auf die Bühne. Auf europäische Gewohnheiten wird keine Rücksicht genommen. Autopräsentationen mit uniformierten Musikanten unter dem Zeichen von Hammer und Sichel sind in China kein Problem.

Kopiert wird immer

Natürlich gibt es Kopien. Manchmal sind es Klone, die Eins-zu-Eins abgekupfert worden, häufiger sind es Neuschöpfungen, denen man die Quellen der Inspiration deutlich ansieht. Der Shuanghuan Noble ist der bekannteste Smart-Abklatsch, nun stellen die Chinesen ihn auch als Elektroauto vor. Im Gegensatz zum Hecktriebler Smart sitzen Motor und Antrieb beim Noble vorn und schmälern die Lust auf einen Frontalaufprall doch beträchtlich. Lifan Motors hat sich den Mini genau angesehen, bei BAIC mixt man Jeep Wrangler (von der Seite) und Land Rover Freelander (von vorn) zu einem neuen Offroad-Vergnügen zusammen. Und bei einem Show Car wie dem "Aculeus" samt Skorpion-Logo auf dem haifischartigen Kühlergrill fragt man sich, ob da vielleicht jemand einen Maserati-Designer im Keller gefangen hält und der jetzt Autos im Dunkeln entwerfen muss. Zusammengefasst in einer Fotostrecke wirken diese Auswüchse wüst und schrill. Sicher entwickelt sich neben manchen Autoblüten auch eine eigene Designsprache, die nicht in allem den europäischen Gewohnheiten entspricht. Dennoch wächst die Zahl der Autos, die in Europa problemlos ins Straßenbild passen würden, von Jahr zu Jahr.

Joint-Ventures stärken China

Kein Wunder, denn viele chinesische Hersteller entwickeln und bauen in Joint-Ventures mit westlichen oder japanischen Autobauern. Wegen der geringen Produktionskosten wird zwar in China produziert, doch das Know-how und die zugelieferte Technik kommen oft aus dem Ausland. Dorthin wandert auch ein großer Teil der Profite. Dennoch profitiert China, denn viel Wissen etwa über Qualitätssicherung und Produktionsabläufe kommt so ins Land.

Die großen Marken Chinas

Als Vorzeige-Marke gilt BYD (Build your dreams), deren Limousine F3 zu den Bestsellern in China gehört. Zu den Messepremieren zählen die kompakte Limousine L3, das neue 4,8 Meter lange Limousinen-Flaggschiff i6 sowie das große SUV S6. Starten per Knopfdruck, LED-Rückleuchten oder optionale DVD-Navigation gehören bei den Chinesen zum guten Ton. Der L3 konkurriert mit Modellen wie dem Buick Excelle, Hyundai Elantra, Toyota Corolla und Chevrolet Cruze. Er kostet umgerechnet rund 12.000 Euro. Interesse in Deutschland weckte BYD zuletzt vor allem durch eine technologische Partnerschaft mit dem Daimler-Konzern. "Für uns ist es eine Ehre, dass wir sozusagen mit dem Erfinder des Automobils zusammenarbeiten", sagt Paul Lin, Marketing- und Export-Manager bei BYD. Und bei einer Technik-Kooperation soll es nicht bleiben: "Wir werden eine neue Marke einführen, die unterhalb von Mercedes und oberhalb von BYD angesiedelt ist", bekräftigt Lin.

Schicke Autos aus dem Reich der Mitte findet man auch beim Konzern SAIC. Der Roewe 350 ist eine gefällige Limousine mit 1,5-Liter Motor und einem auf den ersten Blick ordentlichen Qualitätseindruck. Ein SUV wie der Haima Qishi mag durch seinen Namen erheitern, seine Optik könnte jedoch auch in Europa Freunde finden. Bei Brilliance ließ man wieder einmal italienische Designer ans Reißbrett und zeigt die 4,6 Meter lange Limousine Junjie.

Der Staat lenkt

Viele China-Autos auf der Messe sind nur schwächlich motorisiert. Ihre Motoren haben zwischen 1,5 und zwei Litern Hubraum, die Leistung ist im internationalen Vergleich eher gering. Steuervergünstigungen für kleinere Motoren und wohl auch die steigenden Spritpreise – festgesetzt von einer staatlichen Planungskommission – begrenzen PS-Auswüchse unter der Haube.

Selbst in China ist nicht alles Gold, was glänzt Nun hoffen die Hersteller, dass den Chinesen die Lust am Auto nicht vergeht und der Markt bald nicht zu sehr übersättigt ist, denn die beeindruckenden Zuwachsraten scheinen erste Probleme zu verdecken. Im Krisenjahr 2009 wurden die Käufer mit Steuervergünstigen für sparsame Autos animiert, doch jetzt füllen sich die Lager der Händler. Die üppigen Subventionen für Elektrofahrzeuge verbilligen die neue Technik massiv, dennoch werden die Stromer nicht zum billigen Einstiegsmodell für neue Kundengruppen Marktbeobachter befürchten zudem, dass eine drohende Immobilienblase die Kauflust der Chinesen bedrohen könnte. Die beiden Analystenhäuser JD Power und Jato Dynamics sehen zwar langfristig weiterhin imposante Wachstumsraten, gehen jedoch beide davon aus, dass sich dieser Prozess erst einmal entschleunigen wird.

Strom hat Rückenwind

Richtig Gas geben wollen die Chinesen demnächst bei der Elektromobilität. BYD spielt dabei eine Vorreiterrolle und präsentiert seinen Stromer E6 auf der Messe als Taxi. Viele andere Autobauer haben ebenfalls Elektroautos oder Hybridmodelle im Gepäck. Aber trotz des erklärten Willens der Regierung und massiven Anreizen, werden Stromautos auch in China von den weltweit bekannten Problemen heimgesucht, Der 2008 eingeführte Vorzeige-Hybrid BYD F3DM allerdings hat sich nach Angaben des Unternehmens erst "einige hundert mal" verkauft. Marktanalyst Kevin Huang von Jato Dynamics vermutet den hohen Preis als Hauptgrund für die enttäuschenden Zahlen: "Der F3DM kostet ungefähr dreimal soviel wie der normale F3", so Huang. Auch in China kostet der zusätzliche Antrieb extra. In einer "normalen" Limousine wie dem F3DM müsste er "normale" Kunden überzeugen und nicht nur Trendsetter, die mehr auf das Image achten, als auf den tatsächlichen Nutzen. In der Branche wird zudem gemunkelt, dass die Chinesen trotz enormer Kapazitäten und Erfahrungen in der Akku-Technik die Produktionskosten noch nicht im Griff haben – und auch deshalb den Schulterschluss mit Daimler suchen.

Kra/Press-Inform