Peking Autoshow 2010 Mit Strom fährt China allen davon

In Peking platzt die Automesse aus allen Nähten. Alle Hersteller wollen in dem gigantischen Wachstumsmarkt mitspielen. Während die Deutschen mit Langversionen und Retourchen an Phaeton und Maybach Eindruck schinden wollen, setzen die Chinesen voll auf das Elektroauto.

Vor wenigen Jahren noch interessierte sich kaum jemand für den Automarkt China – heute gibt dieser Markt den Takt an. Wurden im Jahr 2000 noch rund 614.000 Autos verkauft, waren es 2009 schon fast 8,4 Millionen. Für 2010 prognostiziert das Forschungsinstitut Center Automotive Research (CAR) mehr als 10 Millionen Verkäufe, für 2015 sogar 15 Millionen. "Die Dynamik der Chinesen ist beispiellos. Noch nie gab es in der Geschichte des Automobils einen Markt, der so stürmisch und schnell gewachsen ist", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Betriebswirtschaft und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Es sind dabei nicht allein die absoluten Zahlen, es ist das unbändige Wachstum, dass China so wichtig werden lässt. Die weltweite Bedeutung zeigt sich in der Peking Motorshow auf jedem Schritt. Alle anderen Messen der Welt wirken wie tot und leergefegt gegen diesen prallen Jahrmarkt der automobilen Eitelkeiten. Die einheimischen Hersteller lassen die Muskeln spielen, die Ausländer dürfen mitmachen. China darf niemand vernachlässigen und mit vornehmer Zurückhaltung dringt man nicht durch. Der Leitsatz heißt: "Klotzen statt Kleckern". Models werden in Kompaniestärke aufgeboten, und die Auftritte der Spitzenmanager werden wie Staatsbesuche orchestriert. Wer genau hinschaut sieht indes, dass die Kleider der Hostessen nur notdürftig von Sicherheitsnadeln zusammengehalten werden und die hochhackigen Schuhe nur jeder zweiten passen. Irgendwie ist das Bild typisch für diese Messe, aber kein Grund zur Entwarnung: Der Chinamotor läuft sich erst warm.

Der Staat lenkt mit

Im Westen herrscht seit der Ära Reagan das Prinzip entfesselter Marktkräfte. Dieses System trifft in China auf einen Markt, in dem ganz andere Leitideen herrschen. In China bestimmt der Staat in vielen Dingen die Marschrichtung. Industrielle Leitentscheidungen werden in Peking gefällt. Der Kauf von Volvo passt in den Masterplan für Chinas Zukunft, der Kauf einer Spritfresser Marke wie Hummer nicht. Vor allem aber pushen die Chinesen mit aller Kraft die Elektromobilität. Die Idee dahinter ist verlockend "Den Westen überholen, ohne ihn einzuholen". Die chinesischen Autobauer haben erkannt, dass sie den Vorsprung von Traditionsherstellern aus Japan, Europa und den USA nicht über Nacht aufholen können, zumindest wenn es um konventionelle Antriebskonzepte geht. Aber was bedeutet das schon, wenn die Zeit der Achtzylinder, der 300 PS und der Nordschleifen-Fahrwerke zu Ende geht?

Mobile Kuriositäten

Natürlich werden in Peking auch staatstragende Autos gezeigt. Etwa die neue chinesische Präsidentenlimousine von Honqi. 6,40 Meter lang, 300 402 PS stark und eine Spitze von 240 km/h. Das Modell ist schwer gepanzert und zeigt deutliche Designähnlichkeiten zu Rolls Royce, Bentley und Maybach. Fast noch imposanter fällt der GE von Mgrand. Die gigantische Luxuslimousine - ebenfalls im Maybach-Format – wird von einem kleinen Vierzylinder-Benziner mit 2,4 Litern Hubraum angetrieben. Tatkräftige Unterstützung gibt es von einem Plug-In-Modul, das rund 30 Kilowatt Zusatzleistung generiert. Während vorne der Chauffeur Platz genommen hat, gibt es im Fond mittig nur einen Buddha-Sessel für den mächtigen Passagier. Diese kuriosen Autoelefanten dürfen nicht den Blick trüben. Allein der Geely-Konzern zeigt in Peking fast 20 neue Modelle – vom Elektro-Kleinwagen mit Flügeltüren über Sportcoupés bis hin zu Hardcore-Geländewagen.

Ein bisschen kopiert wird immer noch

Die größte Wachstumschance liegt auch in China bei den Massenmodellen. Folgerichtig zeigt Ford die rundlich-schmucke Studie "Start". Und General Motors präsentiert mit dem Chevrolet MPV5 die Vision eines elektrisch angetriebenen Volt-Vans. Die Firma Dongfeng scheint Apple und BMW abgehängt zu haben. Während Details zum 2013 auf den Markt kommenden BMW "Project-i" noch auf sich warten lassen, zeigen die Chinesen ihr "i-car". Bei Englon, die zum Geely-Konzern gehören, erlebt das London-Taxi seine Wiedergeburt – durchaus sehenswert und innovativ mit dem Englon TXN.

Die Zeit der platten Kopien geht zu Ende. Doch das heißt nicht, dass einige Hersteller keinerlei Scham empfinden, etablierte Modelle wie die Mercedes M-Klasse, den Lexus RX 350, Saab 9-3 oder den luxuriösen Range Rover hemmungslos zu kopieren. Sogar die schmucke Elektrostudie des Peugeot BeBe One, die auf der IAA ihre Weltpremiere feierte, hat in China mit dem Chana EV bereits einen optischen wie technischen Nachahmer gefunden. Besonders schamlos macht es seit Jahren das Smart-Plagiat Noble. Mittlerweile steht der Smart-Zwilling sogar als Elektroauto-Fahrzeug auf der Messe. Doch außer den obligatorischen „Electric-Schriftzügen“ und einem glänzenden Metallkasten unter der Motorhaube gibt es keinerlei Details über die Technik. Als das Smart-Fortwo-Original am Vorabend der Messe im auffällig gelben Tigerlook in die Halle geschoben wird, klebt man bei Noble nächtens nach. Am nächsten Morgen hat das Plagiat den gleichen Look – manchmal ist das Konzept eben doch noch, eine billige Eins-zu-Eins-Kopie anzubieten.

Autos aus China für die ganze Welt

Während die chinesischen Hersteller alles ausstellen, was nur irgendwie vier Räder hat, und damit ein ganzes Autouniversum kreieren, konzentrieren sich die deutschen Hersteller auf die Premiumliga. Es gibt eine Modellpflege für VW Phaeton und Maybach. Dazu werden für das Chauffeurland China Langversionen von Mercedes E-Klasse, Audi A8 oder 5er BMW gezeigt. Das mag notwendig sein, zukunftsweisend kann man die Stretchwagen aber kaum nennen. Und aus Phaeton und Maybach werden auch im neuen Aufguss keine Erfolgsmodelle.

Build your Dream setzt dagegen als heimische Technologiemarke ganz auf das Thema Elektromobilität und lässt neue Modelle nur die zweite Geige spielen. Die enge Zusammenarbeit mit Daimler ist weit fortgeschritten. Beide Hersteller entwickeln speziell für den chinesischen Markt eine Limousine. Erstmals in Peking zu sehen ist auch der erste BYD-Geländewagen S6. Im Stiele eines Lexus RX bietet der jedoch nicht mehr als automobile Hausmannskost. Doch für kaum mehr als 16.000 Euro kann man kaum mehr als einen 4,70 Meter langen Crossover mit Allradantrieb und einem 170 PS starken Mitsubishi-Triebwerk erwarten. Denn auch bei der Preisgestaltung machen die Chinesen den europäischen Herstellern so richtig etwas vor.

Bisher versagten die chinesischen Preisbrecher allerdings im europäischen Markt. Inzwischen hat ein Hersteller wie Volkswagen sich in der Volksrepublik jedoch fest verankert. Bei den Verbindungen zu chinesischen Firmen handelt es sich ursprünglich um Zwangsheiraten. Wer in China Autos bauen will, muss mit einem einheimischen Unternehmen kooperieren. Die Alternative, lediglich Autos zu importieren, ist wenig attraktiv: Die Chinesen schützen ihre Automobilwirtschaft durch hohe Zölle, der Verkaufspreis für einen Luxuswagen kann sich so fast verdoppeln. Zusammen mit Volkswagen wird es den chinesischen Partner in kurzer Zeit gelingen, Autos zu bauen, die den europäischen Qualitätsstandards genügen, jedoch zu chinesischen Kosten produziert werden. Und spätestens dann wird China nicht zuerst ein weiterer Absatzmarkt sein, sondern China wird auch bei den Autos die Werkbank der ganzen Welt werden.

Gernot Kramper mit Press-Inform