Die Sonne ist unerbittlich in Las Vegas – auch im November. Zwischen den funkelnden Pretiosen eigenwilliger Auto-Bastler auf der SEMA hockt ermattet ein schnauzbärtiger Mann und blättert in einem Fotoalbum. Es dokumentiert eine Geschichte, deren Schlusspunkt rund sechs Meter lang ist und eine halbe Million Dollar kosten soll.
Das Produkt ist außergewöhnlich, zweifellos. Kaum ein Passant kann den Blick davon lassen. Es zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit den umstehenden Fahrmaschinen, doch als Automobil im eigentlichen Sinne kann dieses Produkt der Phantasie nicht gelten. Auf einer öffentlichen Straße von A nach B fahren geht damit nämlich nicht. Selbst im so autoliberalen Amerika ist für so ein Bauwerk keine Straßenzulassung zu bekommen. "Ich habe schon einige Interessenten gehabt heute", sagt Bill, der Mann mit dem Fotoalbum.
Wie ist er auf diese Preisvorstellung gekommen? "Ich habe vier Jahre daran gearbeitet", sagt Bill auffällig leidenschaftslos. Der Anspruch, sich als Künstler in einem Werk zu verwirklichen, scheint nicht in ihm zu stecken. 500.000 geteilt durch vier Jahre – das wäre ein Bruttolohn von 10.400 Dollar pro Monat, Werkzeug, Teile und Fremdarbeiten nicht mitgerechnet.
Nur die Zutaten sind bekannt
Wenn schon nicht zum Fahren, so würde es sich sicher als Technik-Skulptur in einem Fantasy-Park eignen. Wenn man schon nicht so genau sagen kann, was dieses Ding heute eigentlich genau ist, so kann man umso sicherer sagen, was es mal war. Ein 64er Chevrolet Pick up diente Bill als Ausgangsprodukt. In der Werkstatt von Creative Customs in St. Louis, Missouri, begann der damals ziemlich abgehalfterte Truck seine Karriere als Tuningshow-Highlight.
Vom Ursprungs-Fahrzeug blieb freilich wenig übrig, es wurde auseinander geschweißt, "chopped", wie der Fachmann sagt, und ein 61er Chrysler spendete seine Frontpartie. Das Heck gab ein 57er Chrysler, vom gleichen Hersteller stammt auch der Motor, ein "354er". In europäische Raummaße übersetzt bedeutet diese Angabe in Kubik-Inch etwa 5,6 Liter Hubraum. Alles was nicht durch Ausschlachten anderer Fahrzeuge beschafft werden konnte, wurde selbst hergestellt. Zum Beispiel der Trägerrahmen, der die Teile auf der fast vier Meter langen Distanz zwischen Vorder- und Hinterachse zusammenhält.
Frisches Pils für den Konstrukteur
Offenbar eine schweißtreibende Arbeit für Herrn Bierman, so heißt Bill nämlich mit Nachnamen. Mit Bier hat er auch seinen Durst gelöscht, als er an dem Chevy tagein, tagaus schraubte. Und da kam ihm die Idee, wie aus einem schrillen Hot Rod doch noch etwas Nützliches werden könnte. Unter der Kofferraum-Klappe installierte er eine Haltevorrichtung für ein Bierfass. Es blitzt ebenso in Chrom, wie etwa der Motor, aber der Schriftzug "Anhaeuser Busch" ist gut zu erkennen. Die Druckleitung aus dem Fass mündet in einen Zapfhahn zwischen den Sitzen. Diverse Fässer müssen in der Bauphase durch Bills Körper geflossen sein, wie sein Bauchumfang vermuten lässt.
Auch wenn der 43-Jährige seine Kreation herzugeben bereit ist, wird ihm das Fotoalbum bleiben. Zwar liegt der Chevy hier in Vegas als Extrem-Low-Rider mit der Karosse auf der Straße, vielleicht wird er aber anderswo auch ein paar Meter rollen dürfen. Für den Fall hat Bill vorgesorgt, das ganze Schiff kann angehoben werden: "Mit Airbags", grinst er schelmisch.