stern-Test Drecksarbeit für feine Typen

Von Peter Weyer, Dirk Vincken
Mit Edelausstattung und Allradtechnik sind sie der Modehit auf Asphalt. Doch was taugen Kompakt-Geländewagen abseits der Piste? Drei aktuelle Modelle im Härtetest

Logisch ist das nicht. Ihr Design erinnert mitunter an Panzerspähwagen oder Pakettransporter, sie sind deutlich teurer als gewöhnliche Autos und schlucken erheblich mehr Sprit: SUVs. Das Kürzel steht für Sport Utility Vehicle. Bedeutet etwa so viel wie sportliches Gebrauchsfahrzeug. Gemeint sind Großkabinen auf Rädern, die alles auf einmal sein sollen. Behaglich wie eine Limousine, kurvengeil wie ein Sportwagen, variabel wie ein Kombi, geräumig wie ein Kleinbus und geländegängig wie ein Ackergerät. Dagegen wäre ein Formel-1-Schulbus einfach zu bauen. Dennoch liegen die meist hochbeinigen und gewichtigen Mobile voll im Trend. Besonders die sogenannten Kompakt-SUVs, eine Art neue Mittelklasse unter den Bollerwagen. Drei typische Modelle nahm der stern genauer unter die Lupe: den Altmeister BMW X3, den Preisbrecher Nissan Qashqai und den VW Tiguan, jeweils in der Zweiliter-Dieselversion. Die neue SUV-Klasse wird derzeit von Volkswagen mit dem Tiguan kräftig aufgemischt.

Als Nachzügler gestartet, stieß der Wolfsburger auf Anhieb den BMW X3 vom Bestsellerthron. Jedenfalls vorübergehend. Folge des Premierenerfolgs sind inzwischen lange Lieferfristen wie in den frühen Wirtschaftswunderjahren. Wer den Tiguan jetzt bestellt, kann erst im nächsten Jahr damit herumkurven. In Wolfsburg liegen für den Neuling schon 70.000 Bestellungen vor. Der SUV-Trend ist ungebrochen. Bereits in zwei Jahren könnte jedes zehnte neue Auto eines dieser modischen Mini-Monster sein, schätzt Ferdinand Dudenhöffer vom Institut für Automobilwirtschaft der Fachhochschule Gelsenkirchen. Die praktischen Vorzüge der begehrten Vehikel sind schnell aufgezählt: Sie bieten mehr Verkehrsübersicht durch die höhere Sitzposition, Senioren und orthopädisch angeschlagene Fahrer wissen überdies den bequemen Ein- und Ausstieg zu schätzen. Seitliches Hineingleiten in Hüfthöhe reicht, Turnübungen aus den Niederungen der Sitzmulde sind überflüssig. Ende. Mehr als biedere Familienkombis bieten sie darüber hinaus nicht. Die wahren Kaufbegierden dürften eher gefühlter Natur sein.

Gefühlte Sicherheit im Verkehrsgerangel

Einen Erklärungsversuch für die Gemütslage vieler Käufer liefert Georg Rudinger, Professsor für Psychologie an der Universität Bonn: "Viele Autofahrer fühlen sich durch die vermeintlich zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr bedroht. Mit dem Burg- oder Panzergefühl, das die Geländewagen bieten, glauben sie, sich dagegen schützen und wehren zu können." Weniger akademisch ausgedrückt: Allein die schiere Wucht und Größe der Modemobile verschafft Respekt und gefühlte Sicherheit im Verkehrsgerangel. Dafür müssen Fans dieser Fahrzeuge nicht nur bei Kauf und Unterhalt mehr zahlen, sondern zudem erhebliche Nachteile im schnöden Straßenalltag hinnehmen. Alle SUVs haben einen höheren Schwerpunkt als popelige Limousinen. Für Passagiere mit empfindlichem Magen kann das bei wüster Fahrweise schnell problematisch werden. Denn beim zackigen Bremsen gehen die hochbeinigen Allradler vorn so tief in die Knie, als würde die Schnauze in einem riesigen Wattebausch versinken und das Heck gleichzeitig von einer Riesenfaust hochgestemmt. Mitunter ist der Bückling so heftig, dass leichte, ungesicherte Gepäckteile den Hupfer über die Rücksitzlehne schaffen. Außerdem: In engen, forsch genommenen Kurven schwanken und schaukeln die SUVs wie Fischkutter in schwerer See. Dabei legt sich der Tiguan etwas mehr zur Seite als der X3 und der Qashqai.

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Selbstverständlich gibt es gegen derlei Effekte auf Wunsch wirksame Abhilfe ab Werk, nämlich besonders straff abgestimmte Fahrwerke. Die wirken allerdings zugleich wie eingebaute Komfortverschlechterungen. Denn die Anti-Wank-Bestückung meldet hart und polternd selbst kleinere Flickschustereien der Straßenbauer. Die steckt der Neue aus Wolfsburg dank längerer Federwege jedoch deutlich besser weg als seine Konkurrenten. Er überzeugt auch mit dem besten Cockpit, klar und großzügig. BMW und Nissan wirken dagegen nicht mehr ganz so frisch. Verwunderlich allerdings, dass der Tiguan eine so altmodisch gefühllose Bremse mit zuweilen irritierend langem Pedalweg hat. In dem Punkt ist der Qashqai klar Bester im Test-Trio. Dafür nervt er aber mit einer schwammigen Lenkung und einer Automatik, die beim Gangwechsel an das ruppige Ankuppeln eines Güterwaggons erinnert. Seine Konkurrenten verwöhnen in diesen Wertungs Wertungskapiteln mit Bestnoten. Einsame Spitze bei Sprint und Höchsttempo ist der Bayer. Obwohl er die meisten Pfunde mitschleppen muss, knackt er als Einziger die 200-km/h-Marke.

Nichts für den wirklich harten Arbeitseinsatz

Gemeinsamer Schwachpunkt: Alle drei schlucken reichlich Sprit. BMW und VW verbrennen im stern-Testverbrauch bei forscher Fahrt mehr als neun Liter Diesel, der Nissan liegt knapp darunter. Nicht nur das Leergewicht von bis zu 1,8 Tonnen treibt den Verbrauch nach oben, sondern auch die Bauhöhe. Die Stirnfläche ist größer als bei einer klassischen Limousine und setzt dem Fahrtwind mehr Widerstand entgegen. Für die gleiche Fahrleistung braucht ein SUV deshalb mehr Power - und damit mehr Sprit. Wie sparsam die Zweilitermotoren eigentlich sind, beweisen sie eindrucksvoll in anderen Modellen ihrer jeweiligen Mutterkonzerne. Dort schlucken die baugleichen Antriebe mindestens 25 Prozent weniger. Zum Ausgleich tröstet sich die SUV-Gemeinde mit der Geländegängigkeit ihrer vermeintlichen Alleskönner. In knapp 98 Prozent der Fälle ist das ein eher theoretisches Wissen, denn - so zeigen unveröffentlichte Studien der Hersteller - ungefähr zwei bis drei Prozent der Fahrer wagen jemals den Ausritt ins wilde Geläuf. Dafür sind die Mode-Mobile auch nicht gebaut, wie selbst ihre Hersteller eingestehen.

BMW hat den X3 stillschweigend vom SUV in ein SAV (Sports Activity Vehicle) umgetauft, also vom Nutzfahrzeug zum Freizeitmobil. Nissan gesteht, dass sich der "Qashqai nicht mit vollwertigen Geländewagen messen" will. Und Volkswagen übertüncht fehlende Spitzenkletterkünste mit filigraner Elektronik. Die wird mit der Off-Road-Taste im Cockpit aktiviert. Sie ermöglicht, so VW, eine "präzisere Dosierbarkeit des Fahrpedals". Tritt der Fahrer aufs Gas, legt der Motor erst mit erheblicher Verzögerung los. Diese künstliche Trägheit soll wenigstens das Gefühl einer echten Geländeuntersetzung simulieren. Denn die besitzen Tiguan & Co. nicht. Deshalb taugen sie auch nicht für den wirklich harten Arbeitseinsatz abseits des Asphalts. Dafür sind sie ohnehin nicht hoch und robust genug. Ob es bei den drei Vergleichs-SUVs zumindest für eine weniger extreme Vergnügungstour in Wald und Feld reicht, prüfte der stern in einem Praxistest. Jeder Kandidat musste eine etwa 20-prozentige Steigung mit losem, teils grasbewachsenem Untergrund hinaufkraxeln, dann eine schlammige Buckelpiste meistern und sich schließlich durch tiefen Matsch und aufgeweichten Lehm wühlen.

Fazit:

Bei dieser abgespeckten Prüfung kamen alle durch, sogar auf Anhieb. Unterschiede zeigen die Freizeit-Wühler allenfalls im Komfort. Beim Nissan Qashqai schlug vereinzelt die Federung durch, wo der Tiguan mit seinen langen Federwegen noch locker drüberschwebte. Das war’s. Ansonsten liegen die drei enger beisammen, als der gewaltige Preisunterschied von bis zu 12.000 Euro vermuten lässt. Die Krabbel- und Kletterkünste reichen zwar nicht für den Hindukusch oder das Amazonas-Quellgebiet, aber allemal für die Kaffeefahrt durchs europäische Unterholz, an den winterlichen Skilift oder den sommerlichen Baggersee. Paradedisziplin bleibt allerdings, Pferdehänger aus dem Schlamassel zu ziehen oder Bootstrailer zu Wasser zu lassen. Kein Problem. Das schaffen jedoch auch simple Familienautos mühelos. Denn für die gibt es mit "Xdrive" (BMW) oder "4Motion" (VW) als Sonderausstattung haargenau die gleiche Allradtechnik, wie sie die SUVs aus Bayern oder Wolfsburg an Bord haben. Zwar ohne eingebautes Tresorgefühl, aber preiswerter.

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