Winterreifen Guten Rutsch

  • von Michael Specht
Knapp ein Drittel aller deutschen Autofahrer versucht, mit Sommerreifen durch den Winter zu schlingern. Doppelt so hoch ist die Quote bei den SUV-Besitzern. Wie wichtig das richtige Gummi bei Eis und Schnee ist, zeigten - wieder einmal - Fahrtests in Finnland.

Rovaniemi, Hauptstadt von Lappland und angebliche Heimat des Weihnachtsmannes. Hier, am Polarkreis in Finnland, driften Auto- und Reifenhersteller den ganzen Winter über verschneite Pisten. Sie tun dies jedes Jahr, hauptsächlich, um elektronische Systeme wie ABS und ESP und natürlich Reifen zu testen. Die Bedingungen sind ideal. Eisige Kälte, zugefrorene Seen und feste Schneedecken, dazu Ruhe und Abgeschiedenheit. Einziger Nachteil: hell wird es um 11 Uhr, dunkel um 14 Uhr 30. Kein Hort für depressionsveranlagte Mitteleuropäer.

Abgefahrene Sache: gebrauchte Winterreifen im Schnee

Auch unser Testprogramm beginnt finster. Die französische Reifenmarke Michelin will unter anderem wissen, wie sich halb abgefahrene Winterreifen im Schnee machen? Diese Frage stellt sich auch Millionen Autofahrern, die ihre Winterreifen in schneelosen Perioden nutzlos abgerubbelt haben (Wer schraubt schon nach jeder Tauwetterperiode seine Sommerreifen wieder auf?) und sie Geldsparender Weise gern noch durch den zweiten Winter bringen wollen. Acht bis neun Millimeter Profiltiefe besitzen neue Pneus, dazu rund 2000 Minilamellen, die für besseren Grip sorgen sollen. Einhellig geben natürlich die Reifenhersteller die Empfehlung, Winterreifen bei vier Millimetern Restprofil besser nicht mehr zu benutzen. Klar, der Kunden soll neue kaufen.

Prächtige Arbeit

10.000 Asphalt-Kilometer hatten die Testreifen hinter sich. Und trotz verbleibender Profiltiefen von 5,3Millimeter (Michelin Primacy Alpin), 3,5 beim Good Year, 3,8 beim Bridgestone und 4,3 Millimeter beim Continental, die schwarzen Gummiteile (205/55 R 16, alle auf VW Golf) leisteten noch prächtige Arbeit. Einzig mit dem Unterschied, dass der Michelin wegen seiner knapp 40 Prozent geringeren Abnutzung für viele Autofahrer wohl noch einen ganzen Winter hätte durchgehalten, zumindest für jene, die in dieser Zeit lediglich 7000 bis 8000 Kilometer zurücklegen. Und dies tut die Mehrheit.

SUV-Fahrer sind Umrüst-Muffel

Seit dem 1. April 2006 gibt es in Deutschland ein Gesetz (ab dem 1. Januar 2008 auch in Österreich), das besagt, dass ein Autofahrer je nach Witterung mit einer geeigneten Bereifung unterwegs sein muss. Bedeutet: kein Schnee, keine Winterreifen. Liegt Schnee und er eiert durch die Gegend, baut deswegen wohlmöglich noch einen Unfall, gibt’s Ärger, Punkte und Geldstrafe, weil die falschen Reifen montiert waren. Knapp 60 Prozent aller deutschen Autofahrer rüstet daher rechtzeitig auf Winterreifen um. Bei den SUV-Zeitgenossen sind es jedoch nur 30 Prozent, weil die meisten von ihnen denken, mit Allrad und elektronischen Sperren komm ich doch jeden Berg hoch. Stimmt zumeist auch, aber leider nicht mehr runter. Wenn 2,5 Tonnen auf Sommerreifen eine verschneite Serpentine hinunter schieben, na dann Gute Nacht für die bergauf fahrenden Pkws.

Welcher Winterreifen ist für mein Auto denn nun der beste? "Das muss nicht immer der 'Schneekönig' (Testsieger) aus einem Vergleich aus einer Fachzeitschrift sein", sagt Helge Scholz, Technischer Leiter bei Michelin. In Regionen mit wenig Schnee zählt beispielsweise mehr der Bremsweg bei Nässe. Ein junger Mann mit Z4 Coupé steht auf andere Reifentypen wie eine Mutter, die im Touran ihre Kinder morgens zu Schule bringt. Er benötigt einen Winterreifen, der sehr exakt seinen Lenkbefehlen gehorcht, sich sportlich fahren lässt. Sie braucht einen gutmütigen Typ, der sicher und spurtreu durch den Schnee zieht.

Easy-Grip: Schneeketten der Zukunft?

Für ganz harte Traktionsbedingungen bietet Michelin (zurzeit leider nur in Frankreich) Easy Grip an. Das ist dickes Kunststoffnetz mit kleinen Drahtringen (www.easy-grip.eu). Es lässt sich recht einfach und nach ein wenig Übung innerhalb von zwei Minuten ums Rad legen. Das Funktionsprinzip gleicht prinzipiell einer Schneekette, nur mit den Vorteilen: Es verkratzt keine Alufelge, es ist leichter, leiser und günstiger (60 bis 90 Euro für das Paar). Was Easy Grip nicht mag, sind Leute mit nervösem Gasfuß, sprich: durchdrehende Räder, weder auf Eis noch auf Schnee. Und schon gar nicht auf Asphalt.