#Metoo in Gastronomie Die Londoner Koch-Koryphäe Asma Khan über Machtmissbrauch in Küchen: "Die Industrie ist verrottet bis auf den Grund"

Asma Khan
Asma Khan ist studierte Juristin mit Doktortitel, Kochen aber ist ihre Berufung.
© Justin Lambert, AT Verlag / www.at-verlag.ch
Asma Khan ist eine Kämpferin, sie will Machtmissbrauch in der Gastronomie ausmerzen. In einem Interview erzählt sie, wie schlimm es in den (Spitzen-)küchen noch heute zugeht und warum eine Metoo-Bewegung in der Gastronomie trotzdem nicht zu erwarten ist.

Asma Khan zählt zu den bekanntesten Köchinnen Londons. Selbst König Charles kündigte sich jüngst zum Essen an. So viel Ehre für eine Frau, die zwar einen Doktor in Rechtswissenschaften hat, aber keine klassische Kochbildung. Khan ist eine Quereinsteigerin, die mit dem Kochen einzig und allein deshalb begann, um sich in der Fremde weniger allein zu fühlen. Es wurde zu ihrer Leidenschaft und einem emanzipatorischen Befreiungsschlag. Denn bekannt ist Khan nicht nur durch ihr Kochtalent, sondern auch aufgrund des besonderen Konzepts, das ihrem Restaurant "Darjeeling Express" zugrunde liegt. Die Gastronomin arbeitet mit einer rein weiblichen Küchenbrigade. Damit setzt sie einen Kontrapunkt in einer Branche, die ihrer Meinung nach "verrottet bis auf den Grund" ist. Der "Times" hat Khan erzählt, wie schlimm es in den (Spitzen-)küchen noch heute zugeht und warum eine Metoo-Bewegung in der Gastronomie trotzdem nicht zu erwarten ist.

Khan ist eine Frau, die sich wenig sagen lässt, aber viel zu sagen hat. Seit Jahren setzt sich die 54-Jährige dafür ein, Geschlechterungerechtigkeiten in der Kochbranche auszumerzen. Dafür legt sie sich auch schon mal mit dem berühmten Restaurantführer Michelin an. So verlangte sie, dass Köchen die Sterne entzogen werden sollten, wenn diese sich dem Vorwurf der Belästigung schuldig gemacht hätten. Der Restaurantführer aber blockte, solche Dinge seien nur schwer zu überprüfen. Der Koch, um den es damals ging, arbeitet nach wie vor an gleicher Position.

Machtmissbrauch in der Spitzengastronomie ist Alltag

Dass es sich bei bei diesem Fall nicht um einen Einzelfall handelt, ist inzwischen weitläufig bekannt. Immer wieder machten renommierte Restaurants in den vergangenen Jahren Negativschlagzeilen. Die Vorwürfe: Machtmissbrauch, Demütigung, körperliche Misshandlung, sexuelle Belästigung – die Liste lässt sich fortsetzen. Wie schlimm es mancherorts zugeht, wurde ihr erst vor einigen Wochen wieder vor Augen geführt, als sie sich nach einem Vortrag in Rom umringt von Köchinnen wiederfand, die ihr Leid klagten. Die Französinnen hätten Khan "die herzzerreißendsten Geschichten" darüber erzählt, was sie durchmachten. Sie hätten ihr unter anderem Narben gezeigt, die sie sich in namhaften Küchen zugezogen haben. Eine Situation, die Khan gegenüber der "Times" als "seelenzerstörend" bezeichnete.

Sterneköchinnen sind nach wie vor rar. Von allen Sternen, die der Michelin weltweit vergeben hat, gingen nur etwa sechs Prozent an Frauen. Es gebe zu wenige Frauen in der Küche, obwohl immer mehr von ihnen in der Küche arbeiteten, sagte auch der internationale Direktor des Guide, Gwendal Poullennec, kürzlich bei der Sterne-Verleihung in Frankreich. "Das ist eine Realität, die wir beklagen."

Khan hat etwas anderes zu beklagen. Sie sagt, dass die Gastro-Branche die einzige sei, "in der körperliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen erlaubt ist und entschuldigt wird, weil [der] Druck groß ist". Schlechtes Benehmen sei in den Küchen nach wie vor an der Tagesordnung. Die missbräuchlichen Methoden dienten nur dazu, die Brust von Spielplatzrüpeln aufzublasen, die andere, die sie für schwächer halten, schikanieren, so Khan. Köche, die mit dem Druck nicht umgehen könnten, hätten in der Küche nichts zu suchen, meint sie und schlägt vor, missbräuchliche Chefköche ins Exil in "einen Yoga-Ashram im Himalaya" zu verbannen.

Köchinnen haben zu viel Angst, sich gegen missbräuchliche Chefs aufzulehnen

Das Problem sitzt tief. Und Khan ist nicht davon überzeugt, dass Köchinnen die große Revolte anzetteln, eine MeToo-Bewegung wird es in der Gastro-Welt ihrer Meinung nach nicht geben. Nach wie vor hätten zu viele Angst, öffentlich über die erlebten Missstände zu sprechen. Zu tief verankert sei die Angst, den Job dadurch zu verlieren oder gar in der gesamten Branche geächtet zu werden. Irrational ist diese Angst nicht. Khan kennt selbst mehrere solcher Fälle. Sie appelliert daher vor allem an die Frauen in Machtpositionen, die Sterneköchinnen der Welt, laut zu werden. 

Dass es möglich ist, eine Küche zu führen, in der sich alle wohl fühlen, weiß die Londoner Gastronomin. Ihr Restaurant wird immer wieder für den vorbildlichen Ton in der Küche und den Umgang der Belegschaft miteinander als vorbildhaft gelobt. Im Team des "Darjeeling Express" arbeiten nur Immigrantinnen, keine von ihnen hat eine professionelle Kochausbildung, aber alle sind versierte Heimköchinnen. Warum sie dieses Konzept wählte? "Ob in Indien, Pakistan oder Bangladesch – es sind die Frauen, die für ihre Familien kochen. In den Restaurants aber arbeiten nur Männer. Die Arbeit der Frauen wird nicht gewürdigt oder gar bezahlt", erklärte sie einmal in einem stern-Interview.

Khan gibt den Frauen einen Ort, an dem ihre Arbeit geschätzt wird und an dem Gleichberechtigung nicht nur eine Floskel ist. Jede Angestellte bekommt das gleiche Gehalt, sie eingeschlossen und unabhängig vom Grad des Könnens. "Jeder Mensch sollte gleichermaßen Respekt erfahren", sagt Khan. Sie bezahle für die Arbeit, die Zeit und die Mühe, die investiert wird. "Ich weiß, ich bin da anders. Vielleicht bin ich eine Idealistin, aber ist das falsch? Es geht doch um Respekt", sagt sie. Respekt ist ein Wort, das sie ausspricht wie in Großbuchstaben geschrieben. "Dadurch ehre ich auch meine Mutter, und alle anderen Frauen meiner Familie, die nicht gleichberechtigt behandelt werden." 

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