Sony erfand für "LittleBigPlanet" gleich ein eigenes Genre - das "Kreativspiel". Nebenbei rief der Hersteller unter dem Slogan "Gaming 3.0" noch die nächste Videospiel-Ära aus. In Sachen Übertreibung unterscheidet sich die PR-Abteilung eines globalen Unterhaltungselektronik-Konzerns jedoch erfahrungsgemäß wenig vom Moderator einer Teleshopping-Sendung. Ein gesundes Misstrauen ist also angebracht. Kann "LittleBigPlanet" den großen Erwartungen gerecht werden?
Die Grundidee ist wenig aufregend und noch weniger neu: Niedliche Spielfiguren müssen, um vom linken zum rechten Bildschirmrand zu gelangen, zahlreiche Hindernisse überwinden. Doch die Softwareschmiede Media Molecule beweist, dass man aus diesem archaischen Ansatz etwas äußerst Originelles machen kann. Der simple Plot wird aufgepeppt durch das ungewöhnliche Design der virtuellen Welt. So sehen die "Sackboys" und "Sackgirls" genannten Figuren aus, als hätte ein moderner Doktor Frankenstein die Zutaten für die Protagonisten aus einer Mülltonne gefischt, um Wollknäuel, Pappe, Raufasertapeten und Baseballs zusammenzutackern und schließlich den knopfäugigen Pappkameraden Leben eingehaucht. Änderungen am Äußeren sind zudem jederzeit möglich und ausdrücklich erwünscht. Die Welt von "LittleBigPlanet" ist ebenso außergewöhnlich und erinnert eher an zusammengeklebte und genähte Trickfilmmaterialien und Pappkulissen als an typische digitale Szenarien. Ironischerweise sehen die surrealen Figuren und Kulissen aber äußerst plastisch und real aus.
Ebenfalls realistisch ist die Spielphysik, die als Grundlage für viele einfallsreiche Rätsel dient. Gegenstände verhalten sich entsprechend den Naturgesetzen und fallen um, wippen, kippen, wackeln und schwingen, je nachdem, wie heftig man mit ihnen interagiert. So macht es großen Spaß, untermalt von fröhlicher Musik, mit einem Holzpferd oder Low-Rider durch eine Puppenkistenwelt zu rollen oder sich als Stofffetzen-Tarzan von Schwamm zu Schwamm zu hangeln über einem See aus tödlichem äh Jeansstoff.
Hat man sein putziges Alter Ego erstellt, geht es springend und hüpfend auf dem LittleBigPlanet auf Entdeckungsreise. Gegenstände können gesammelt, bewegt und benutzt werden. Doch haben seine Erbauer dem Planeten offensichtlich noch nicht den letzten Feinschliff gegeben. So wird der Spieler mit unzähligen neuen Klamotten und anderen Accessoires belohnt, wenn er passende Sticker und Dekos auf unfertige Kulissenelemente klebt.
Manche Rätsel lassen sich zudem nur im Team lösen. Originell: Der Spieler kann später jederzeit zu einer solchen Stelle zurückkehren und die Aufgabe zusammen mit bis zu vier Freunden (egal ob diese mit auf der Couch sitzen oder per Internet verbunden sind) lösen.
Über 50 außergewöhnlich liebevoll gestaltete und abwechslungsreiche Spielebenen sind auf der Blu-ray-Disc vertreten. Doch damit nicht genug, schließlich spricht man bei Sony von einer Gaming-Revolution. Jeder kann seiner Fantasie freien Lauf lassen und mittels eines riesigen, aber leicht zu handhabenden Editors eigene Szenarien spielend leicht erstellen und diese mit der Community im Playstation Network teilen und tauschen.
Warum dieses Feature allerdings "LittleBigPlanet" zum Begründer des neuen Genres "Kreativspiel" machen soll, bleibt das Geheimnis von Sony. Denn zum Hobby-Spieldesigner zu werden, war schon vorher möglich. So basteln PC-Spieler schon seit Jahren sogenannte "Mods" (also Veränderungen ihrer Lieblingsspiele) oder kreieren Maps, die im Internet getauscht werden.
LittleBigPlanet
Hersteller/Vertrieb | Media Molecule/Sony |
Genre | Geschicklichkeit |
Plattform | PlayStation3 |
Preis | ca. 70 Euro |
Altersfreigabe | ab 6 Jahren |
Nicht Gaming 3.0 also, sondern nur ein Spiel. Allerdings ein ganz besonderes. Herzerfrischend kauzig und originell, gewaltfrei und witzig, niedlich und auch ein wenig träge. Es ist völlig unmöglich, dabei nicht in kindliche Freude zu verfallen. Schon dafür verdient "LittleBigPlanet" die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wird.