"Mutter, gibst du mir bitte den Nintendo DS zurück!"
"Jetzt nicht, ich bin gerade mit dem Hund Gassi."
Das gab's noch nie: Meine Mutter gibt mir mein Spielzeug nicht zurück. Schuld ist ein Hund, ein sehr kleiner Hund wohlgemerkt, nur wenige Quadratzentimeter groß. Er wohnt in der mobilen Spielekonsole Nintendo DS und ist die Vorhut der beispiellosen Schmuseattacke, mit der der japanische Videospiel-Konzern die ganze Welt angreift. "Nintendogs" ist eine Hunde-Simulation mit hohem Suchtpotenzial, eine Mischung aus dem längst verstorbenen digitalen Hosentaschenbewohner Tamagotchi und der zurzeit sehr erfolgreichen Lebenssimulation "Die Sims". Mit ihrer Niedlichkeitsattacke erwischen die wuseligen virtuellen Welpen auch Menschen, die sonst dem Medium Videospiel eher fern sind. In Japan verfünffachten sich - laut Nintendo - in der ersten Woche nach Erscheinen des Spiels die Verkaufszahlen des DS. Und in Hamburg verguckt sich eine Redakteursmutter in einen simulierten Labrador-Retriever.
"Mutter, du ziehst den Hund an den Ohren"
"Nein, ich streichle ihn"
"Nintendogs" hat kein Spielziel, es ist nicht irgendwann zu Ende, es gibt keinen Gewinner oder Verlierer. Ein junger Hund kommt ins Haus und will beschäftigt werden. Das war's. Der Rest ist Interaktion zwischen der Pixeltöle und dem Menschen auf der anderen Seite des kleinen Displays. Füttern, Waschen, Spielen, Gassi gehen... "'Nintendogs' ist für uns kein 'virtueller Hundesimulator', wir nennen es 'Kommunikations-Software': Sie kommunizieren mit ihrem Hund, indem Sie ihn mit dem Finger auf unserem Touchscreen berühren, ihn streicheln oder kraulen. Das ist ein fast physischer Kontakt", sagt der Entwickler des Spiels, Hideki Konno, im Gespräch mit stern.de. Der Umgang mit dem schwanzwedelnden Schützling ist in der Tat intuitiv. Über den Touchscreen des DS kann man mit dem Eingabestift (oder eben auch mit dem Finger) Streicheleinheiten verteilen, Bälle und Frisbees werfen, Kot von der Straße räumen und an der Leine zerren, wenn die Hundenase mal wieder im Müll verschwinden will. Über das eingebaute Mikro müssen Frauchen oder Herrchen dem Hund Befehle ("Sitz!", "Platz!", "Toter Mann!") zurufen, die man mit ihm vorher geduldig eingeübt hat.
"Nein, Mutter, ich weiß auch nicht, warum der Hund nicht auf mich hört"
"Vielleicht ist er sauer auf dich"
"Ich war es aber nicht, der ihn vorhin an den Ohren gezogen hat"
"Nintendogs"
Hersteller | Nintendo |
Genre | Simulation |
Plattform | Nintendo DS |
Preis | 35 Euro (Spiel) |
Altersfreigabe | ohne Beschränkung |
Die "Nintendogs" sind kleine Wunder: Die Animationen sind perfekt, die tapsigen Bewegungen, Springen und Spielen, Putzen und Pinkeln - alles gelungene Imitationen des Verhaltens echter Welpen. 18 Hunderassen gibt es insgesamt, die im Verlauf des Spiels freigeschaltet werden können. Beim Kauf des Spiels kann man sich zwischen drei Startpaketen entscheiden (siehe Kasten). Nicht nur die Rassen verhalten sich unterschiedlich, auch jeder einzelne Hund hat eine eigene erkennbare Persönlichkeit. Außerdem reagieren die Hunde auf das Verhalten des Menschen. Wird zu hart trainiert, haben sie irgendwann keine Lust mehr. Werden sie vernachlässigt, gehorchen sie nicht mehr. Sterben können die Nintendogs aber nicht, selbst wenn nicht gefüttert und mit Wasser versorgt werden. Und erwachsen werden die Welpen auch nicht.
Edle Hunde, räudige Hintergründe
Die technischen Möglichkeiten der kleinen DS-Konsole sind begrenzt, und so fällt gegenüber den herzigen Hündchen der Rest der Grafik deutlich ab. Die Räumlichkeiten und vor allem die Außengebiete beim Gassigehen bewegen sich zwar flüssig, sind aber optisch eher räudig.
"Mutter, du wirst meinem Hund keine rote Schleife kaufen."
"Ist sowieso zu teuer."
"Nimm lieber eine Frisbeescheibe. Wir müssen schließlich Geld verdienen."
Die drei "Nintendogs"-Startpakete
Chihuahua & Friends: Boxer, Cavalier King Charles Spaniel, Chihuahua, Schäferhund, Sheltie, Yorkshire Terrier
Labrador & Friends: Labrador-Retriever, Shiba Inu, Welsh Corgi Pembroke, Zwergpudel, Zwergschnauzer, Zwergpinscher
Dachshund & Friends: Beagle, Golden Retriever, Mops, Shih Tzu, Siberian Husky, Zwergdacke
Wer sich weiteren Herausforderungen gewachsen fühlt, kann neue Hunde dazukaufen. Bis zu drei können gleichzeitig in einer Wohnung leben, weitere fünf Hunde kann der Spieler in einem Hotel "parken", wo sie versorgt werden. Der Tölen-Nachschub und der Unterhalt des ganzen Rudels ist allerdings teuer. Drei Möglichkeiten gibt es, Geld zu verdienen: Bei Disc-Wettbewerben muss der Hund seine Fähigkeiten beim Fangen von Frisbeescheiben beweisen. Preisgelder locken auch für das schnelle Absolvieren eines Hindernisparcours. Und wessen Hund besonders gut auf gesprochene Kommandos hört, der kann in der dritten Disziplin reich werden. Der Verdienst lässt sich in Futter, Pflegemittel und Spielzeug investieren - und in Kostümkram wie Schleifen und Hüte. Für höhere Summen gibt's sogar größere Wohnungen.
Vorschau
Lesen Sie hier ein Interview mit dem "Nintendogs"-Schöpfer Hideki Konno
Ein wahres Hundeleben
Ein Höhepunkt im Leben eines Nintendogs ist die Begegnung mit anderen seiner Art, die nicht im selben Gerät leben. Per Funk kann die Nintendo-Konsole Kontakt zu ihresgleichen aufnehmen und die Hunde auf einer gemeinsamen Wiese miteinander spielen lassen. Ein sehr lustiges Feature, obwohl die Vierbeiner nicht wirklich an einem Ort sind. Vielmehr wird jeweils ein Abbild zwischen den Geräten verschickt: Auf jedem beteiligten DS tun dieselben Hunde zur selben Zeit andere Dinge.
Nein, meine Mutter wird sich keinen DS kaufen. Da würde auch mein Vater intervenieren. Der traut sich nämlich nicht an "Nintendogs" heran. Er hat Angst. Nicht vor den Hunden. Sondern vor seiner Frau und seinem einzigen Kind, die gemeinsam ein silbernes Kästchen anbrüllen: "Gib Pfote!"