Der Suchmaschinenbetreiber Google erklärt den Desktop zu seinem Revier und wagt sich damit in feindliches Microsoft-Gebiet: Mit der Veröffentlichung einer neuen Version von Google Desktop werden einige Funktionen des Windows XP-Nachfolgers Vista praktisch vorweg genommen. So ermöglicht es die Such- und Sortieranwendung ihren Benutzern, E-Mails und Media-Files an einem Ort zu verwalten, das Web oder den eigenen PC zu durchsuchen, sowie Dokumente wiederherzustellen. Der Ort, den die Software für sich beansprucht, heißt Desktop und ist der zentrale Platz auf jedem Windows-PC.
Google Desktop 2.0
Die Software steht unter der URL http://desktop.google.com zum Download bereit. Sie wird zur Zeit für Windows XP und Windows 2000 angeboten.
Für viele Anwender, deren Desktop mit Icons und Verknüpfungen überfrachtet ist, könnte sich Google Desktop 2.0 als wahres Multifunktions-Armaturenbrett erweisen. Ähnlich wie bei einem Auto laufen hier alle wichtigen Informationen zusammen. Die frei schwebende "Sidebar" sammelt Nachrichten, Wetter und frisch eingetroffene E-Mails - sogar Aktienkurse und Weblog-Einträge werden hier angezeigt. Zudem werden häufig genutzte Dokumente und Programme in einem Verlaufsbereich dargestellt. Die aus verschiedenen Bereichen zusammengesetzte "Sidebar" bildet so eine dynamische Schnittstelle zwischen Internet, PC und Nutzer.
Google vs. Microsoft
Während Microsoft bei seiner Suchmaschine MSN um Anschluss an die Google-Websuche kämpft , drängt der Suchmaschinenprimus nun mitten ins Schaufenster von Windows - den Desktop. Beim Internet Explorer herrscht währenddessen Burgfrieden: Microsoft und Google bieten jeweils eigene Browser-Toolbars an. Im Gerangel um die beste Desktop-Internet-Kopplung aber macht Google mit der neuen "Sidebar" einen großen Schritt nach vorn. "Microsoft hat noch nicht herausgefunden, wie es die Allgegenwart der Windows-Plattform in eine dominante Schnittstelle zum Internet umwandeln kann", so Larry Freed von der Webberatungsfirma FreeSee Results gegenüber US-Medien.
Microsoft plant für 2006 die Einführung seines neuen Betriebssystems Vista. Erst dann wird es aller Voraussicht nach mit der Google-Applikation Vergleichbares geben. "Viele der innovativen Anwendungen und Oberflächen-Änderungen für Privatnutzer wird erst die Windows Vista Beta 2 enthalten", sagt Microsoft-Pressesprecherin Irene Nadler gegenüber stern.de. Windows Vista wird voraussichtlich ein Konzept einführen, das mit virtuellen Ordnern und Schnellsuchfunktionen arbeitet. Für den Internet Explorer 7 solle eine "Werkzeugleisten-Suchbox" spendiert werden, die Suchmaschinen wie Google, MSN und Yahoo mit Blog- und Newsanzeigen bündelt.
Webbrowser werden weniger wichtig
Das Konzept von Google Desktop 2.0 entkoppelt dagegen schon jetzt die Online-Nutzung vom Internet Explorer und den Dateizugriff von der gewohnten Desktop-Suche. Dort dominierte Microsoft bisher den Markt. "Die Sidebar ist eine Art Armaturenbrett, mit der man die Notwendigkeit umgehen kann, die Oberfläche von Windows zu benutzen", sagt der Analyst Greg Sterling der "Financial Times Deutschland". Und Jonathan Rosenberg, Produktmanager bei Google erklärt: "Google Desktop Search wendet die leistungsstarke Google-Suche für Informationen auf der Festplatte des Computers an". Es sei, als ob ein fotografisches Gedächtnis von allen Vorgängen auf dem Computer zur Verfügung stehe. Nur eben nicht von Microsoft.