Scheibes Kolumne Reich werden mit Google

stern.de-Mitarbeiter Scheibe trifft sich mit Cookie, Jörgi und Robert zum Essen beim Japaner. Während das erste Sushi serviert wird, träumt die ganze Gang vom üppigen Geldsegen aus dem Internet.

Einmal im Jahr muss man einfach ins Berliner Daitokai gehen, um sich für viel Geld von den japanischen Köchen direkt am Tisch bekochen zu lassen. Unser Koch ist noch gar nicht da, die silberne Metallplatte in der Mitte unseres Achtertisches heizt erst noch auf. Cookie bekommt gerade eine weiße Kleckerschürze umgebunden, Jörgi gießt sich den ersten Keramikbecher Sake voll, und Robert nippt an seinem japanischen Bier. Während wir noch in die Karte schauen und uns für eins der überaus teuren Menüs entscheiden, seufze ich: "Ich bin es Leid. Jeden Tag muss ich aufs Neue arbeiten, bekomme dann mein Geld dafür, gebe es aus und muss am nächsten Tag wieder von vorne anfangen. Ich träume davon, endlich mal eine Geschäftsidee zu finden, die dafür sorgt, dass ich den ganzen Tag golfen gehen kann - und das Geld kommt von alleine rein."

Robert bestellt ein Menü mit sechs Gängen und wir schließen uns einfach an. Er wird schon wissen, was er da tut. Vielleicht bezahlt er ja auch dafür. Robert gibt die Karten an die Kellnerin im Geisha-Kostüm zurück und neigt sich zu uns hinüber: "Ist doch kein Problem. Bau doch einfach eine Homepage, knall ordentlich Google-Werbung drauf und warte dann, bis die Besucher oder Mausklick das Geld reinholen. Ist doch ganz einfach."

"Ich kenn das schon"

Robert hat gut lachen. Der hat ja auch eine Anstellung auf Lebenszeit im Universitätsbereich. Ich antworte: "Ich kenn' das schon. Das Problem ist, dass es heutzutage so viele Homepages im Internet gibt, dass es extrem schwierig ist, genug Besucher auf neue Seiten zu locken. Mehrere Jahre dauert es, bis der Traffic so richtig in Fahrt kommt. Dann zahlt Google zwar Geld für jeden Klick, aber oft sind das eben nur wenige Cents. Manchmal gibt es zwar auch einen satten Dollar pro Klick, aber: Habt ihr euch mal den aktuellen Dollarkurs angesehen? Bis ich alleine meine Online-Kosten drin habe, müssten ein paar tausend Besucher am Tag über meine Homepage flanieren."

Cookie bringt sich auch ein, während er sich über das Sushi hermacht, das gerade serviert wurde. Genussvoll tunkt er den rohen Thunfisch in eine dunkelbraune Sauce. Er sagt: "Dann mach doch eine Sexseite. Super-Nippel oder SexyHexy oder so was. Ich stell mich auch gern als Fotograf zur Verfügung. Sex geht doch immer."

Ich winke ab: "Heute haben alle nur noch Angst davor, auf eine Sexseite zu gehen. Alles voll mit Viren, fiesen Popups und Spam-Fallen. Und es gibt auch hier so viele Seiten, dass eine weitere kaum auffällt. Ich glaube auch, dass Google etwas dagegen hat, Werbung auf einer Homepage mit dem Namen Super-Nippel zu platzieren."

"Lass doch eine Software programmieren"

Cookie gibt nicht auf. "Dann lass doch eine Software programmieren, irgendwo in Russland oder Indien. Die wird dann ganz erfolgreich und du kassierst Kohle ohne Ende, ohne noch einmal die Fingerchen krumm zu machen."

Ich denke an meine abgewetzte Tastatur, auf der nun schon wieder sechs weiß aufgemalte Buchstaben völlig verschwunden sind. Immer nur Texte schreiben, das macht einen ganz bestimmt nicht reich. Aber Software anbieten? Ich antworte: "Nein, nein, da habe ich zu viele Bekannte aus der Branche. Es ist doch so: Auf irgendeinem PC läuft die Software ganz bestimmt nicht und schon gibt es Ärger und Nachkorrekturen und Patches und miese Kritiken. Dann muss man auch sehr viel Aufwand ins Marketing stecken, um die Software bekannt zu machen. Vielleicht kommt auch eine bessere Software parallel dazu als Gratis-Opensource oder als Freeware heraus. Und kaum läuft dann doch endlich mal alles rund, kommt ein neues Windows und man muss wieder von vorne anfangen. Nein, da sehe ich auch keine Zukunft."

Neun Monate blau machen

Jörgi schaut fasziniert zu, wie der japanische Koch Hummerschwänze, Jacobsmuscheln und jede Menge Gemüse auf der Metallplatte verteilt, um sie unter lautem Geklapper und unter Zugabe von verschiedenen Saucen zuzubereiten. Es riecht unglaublich lecker. Jörgi hat auch eine Idee: "Werde doch Berater. Da nimmst du ein Schweinegeld dafür, Unternehmen zu beraten, damit sie Leute entlassen und trotzdem mehr Geld machen können. Dann arbeitest du nur noch drei Monate im Jahr - und den Rest machst du blau."

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In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.

"Ja, toll!" Ich spreche mit vollem Mund und spüle rasch mit warmem Sake nach. "Ich und Anzüge tragen - das geht doch gar nicht. Ich bin eher so der Kumpeltyp. Es würde wahrscheinlich keine halbe Stunde dauern, dann würde ich den Leuten ungeschminkt meine wahren Gedanken auf den Schreibtisch legen und mich für die Belegschaft stark machen. Meiner Meinung nach muss sich gerade eine Aktiengesellschaft um ihre Angestellten kümmern und nicht um den Profit, der ja keiner Person zugute kommt, sondern nur einem juristischen Konstrukt. Das ist ja rein gar nix für mich."

"Tja, dann", sagt Robert und schaut mich bedauernd an: "Dann musst du wohl weitermalochen bis ans Ende deiner Tage. Das ist anscheinend noch immer das, was du am besten kannst."

Ich proste ihm zu. So sei es. Wir lassen uns das Essen weiter schmecken und verleben einen schönen Abend. Aber das mit der Google-Werbung, das habe ich doch noch nicht ganz abgehakt. Vielleicht klappt es ja doch noch mit dem Reichwerden.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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