Silicon Valley Wichtigste Neuentwicklung: Pessimismus

Das Silicon Valley steckt in einer tiefen Krise. Viele Jobs sind ins Ausland verlagert worden, wer noch Arbeit hat, lebt in Angst, sie zu verlieren. "Die High-Tech-Branche muss sich neu erfinden", rät ein Ökonom.

Als der Sozialarbeiterin Luisa Chavarin die Auswanderung von Mexiko ins kalifornische Silicon Valley geglückt war, glaubte sie, Arbeitslosigkeit und Kriminalität für immer hinter sich gelassen zu haben. Aber nach vier Jahren Wirtschaftsflaute und drastischen Kürzungen der Staatsausgaben steckt das globale Zentrum der Informationstechnik tief in der Krise.

Das Betreuungsprogramm für Luisas 13-jährigen Sohn wurde gestrichen, im Park türmen sich die Müllberge und die Wege werden von verlassenen Autos oder rostigen Einkaufswagen blockiert. "In unserer Gemeinde ist niemand mehr optimistisch", sagt die 38-jährige Betreuerin in der Jugendarbeit in San Jose. "Ich bin sehr besorgt, was die Zukunft bringen mag."

Festklammern an nebulösen Indikatoren

Nur die von Berufs wegen optimistischen Manager und Betreiber von Venture-Capital-Fonds bestehen darauf, dass die Wende greifbar nah sei. Sie klammern sich an nebulöse Indikatoren: Es gibt wieder Verkehrsstaus, der Leerstand von Büroräumen stabilisiert sich bei 17 Prozent, und in den schicken Restaurants von Palo Alto muss man wieder anstehen, bis man einen Platz bekommt.

Andere lassen sich davon nicht überzeugen. Nirgend sonst in den USA sind die Beschäftigten pessimistischer als im Großraum San Francisco. Hier haben 27 Prozent Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren - verglichen mit einem USA-Durchschnitt von 18 Prozent, wie im Juli eine Umfrage der Personalberatungsfirma Hudson Highland ergab. Allein im Bezirk Santa Clara, zu dem San Jose ebenso gehört wie Palo Alto und Cupertino, sind seit Dezember 2000, dem Höhepunkt des Internet-Booms, 231.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

"Ein natürlicher Kreislauf"

Auch andere Regionen mit Technik-Schwerpunkt wie Seattle, Boston, Denver and Austin leiden stärker unter dem Einbruch als Wirtschaftszentren mit einer differenzierten Branchenstruktur. "High-Tech-Zentren an der Spitze der Entwicklung müssen sich mit jedem Zyklus neu erfinden", erklärt Professor Ernie Goss, der an der Universität Creighton die wirtschaftlichen Auswirkungen technologischer Entwicklungen erforscht. "Das ist ein natürlicher Kreislauf, der für Beschäftigte und Einwohner brutal schmerzhaft sein kann."

Zwar ist die Arbeitslosigkeit von San José seit dem Höhepunkt von 9,1 Prozent im vergangenen Jahr auf mittlerweile 6,2 Prozent zurückgegangen. Dies ist aber womöglich nur die Folge davon, dass viele Arbeitsuchende die Stadt verlassen oder die Suche nach einem festen Arbeitsplatz aufgegeben haben. Die Zahl der Arbeitsplätze im Bezirk ist jedenfalls nicht größer geworden.

Steuerkürzungen und der Irak-Krieg haben zur Folge, dass der Gemeinde immer weniger Geld zur Verfügung steht. Sowohl der Staat Kalifornien als auch die Bundeskasse in Washington strichen die Mittel für die Gemeinden zusammen. San Jose musste deshalb 50 öffentliche Stellen streichen und acht Gemeindezentren schließen. Außerdem werden die Parkanlagen nicht mehr gereinigt und Graffiti nicht mehr entfernt.

Auch Sozialprogramme sollen Gewinn machen

"Da wir hier im Silicon Valley sind, denken die Leute, dass selbst Sozialprogramme einen Gewinn abwerfen müssen oder sich zumindest selbst finanzieren können", sagt die 31-jährige Meredith King, die sich für die unabhängige Northside Theater Company engagiert, deren Existenz kürzlich nur mit knapper Not gerettet werden konnte. "Wenn man kultivierte Kinder hat oder sicher stellt, dass alte Menschen ihr täglich Brot haben - wo liegt da der unmittelbare Geldvorteil?"

Mehrere zehntausend hoch bezahlter Fachstellen sind in Billiglohnländer wie Indien, Russland oder China gewandert - und werden nach Einschätzung von Wirtschaftswissenschaftlern nicht zurückkehren. Jeder sechste Arbeitsplatz im Silicon Valley sei von einer solchen Offshore-Auslagerung bedroht, sagt Cynthia Kroll, Expertin für regionale Wirtschaftsstrukturen an der Universität Berkeley. In den USA insgesamt sei jede neunte Stelle gefährdet.

Hoffen auf Google

Das bedeutet, dass auch von den Leithammeln der Branche - Hewlett-Packard, Intel, Cisco oder Adobe - nicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze erwartet werden kann. Umso größer war jetzt die Begeisterung beim Börsengang von Google. Auch die Chefin der kürzlich von EMC übernommenen Software-Firma VMWare, Diane Greene, spricht von Google und versichert: "Alle Anzeichen sind optimistisch."

AP · DPA
Rachel Konrad, AP

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