Lohnunterschiede Twitter-Bot zeigt, wie scheinheilig Firmen den Weltfrauentag feiern – und veröffentlicht ihre Gender Pay Gaps

Screenshot Gender Pay Gap Bot Tweet
Dem Twitter-Bot zufolge verdienen Frauen bei der Billigairlines Ryanair 68,6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen
© Gender Pay Gap Bot / Twitter
Zum Weltfrauentag gratulierten viele Unternehmen auf Social Media. Ein Twitter-Account reagierte darauf mit der Veröffentlichung der Gender Pay Gap unter den Angestellten jener Firmen.

Am Montag fand der Internationale Frauentag statt – und zahlreiche Unternehmen feierten ihn mit netten Glückwünschen und Posts auf den sozialen Medien. Der Twitter-Account @PayGapApp hat es sich zur Aufgabe gemacht, jene Unternehmen bloßzustellen und die Gender Pay Gap unter ihren eigenen Mitarbeiter:innen zu veröffentlichen – also zu zeigen, wie groß die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sind.

Hinter dem Account stecken Francesca Lawson und Ali Fensome und der von ihnen programmierte Bot. Das Paar hatte den Account vergangenes Jahr ins Leben gerufen, um, anhand von Daten der britischen Regierung zu geschlechterspezifischen Lohngefällen in Unternehmen Firmen zu kritisieren, die über den Internationalen Frauentag twittern. Fensome, ein Softwareentwickler, programmierte den Account als Bot und schrieb einen Code, der ihn dazu bringt, die in seiner Twitter-Bio angegebene Funktion auszuführen: "Arbeitgeber, wenn ihr über den Internationalen Frauentag twittert, werde ich euer geschlechtsspezifisches Lohngefälle retweeten", warnt er.

Unternehmen zur Veröffentlichung der Gender Pay Gap verpflichtet

Allein am Dienstag postete der Bot Hunderte solcher Tweets und ging viral. Viele Social-Media-Nutzer:innen lobten die Aktion. Bereits über 170.000 Personen folgen dem Account (Stand: 9. März 2022). Für Lawson spiegelt die Popularität des Kontos das wachsende Interesse an Transparenz von Unternehmensseite wider, welche sich öffentlich gegen Ungerechtigkeiten äußern, diese aber wohl in ihren eigenen Reihen aufrechterhalten.

Seit 2017 sind Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten in Großbritannien dazu verpflichtet, Berichte über ihr geschlechterspezifisches Lohngefälle der britischen Regierung vorzulegen. Laut dem Office for National Statistics betrug 2020 die durchschnittliche Gender Pay Gap in Großbritannien 15,5 Prozent – das heißt: Frauen verdienten gerade mal 85 Prozent von dem, was ihre männlichen Kollegen bekamen.

Frauen verdienen bei Ryanair fast 70 Prozent weniger

Die Billigfluggesellschaft Ryanair scheint eines der frappierendsten Lohngefälle aufzuweisen: "In diesem Unternehmen ist der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 68,6 Prozent geringer als der von Männern", twitterte der Gender Pay Gap Bot. Ryanair hatte anlässlich des Internationalen Frauentags ein selbstgemachtes Filmplakat gepostet, welches eine Auswahl ihrer weiblichen Angestellten zeigt, auf dem sie als "The Flight Squad" bezeichnet werden.

In einer Erklärung führte ein Sprecher von Ryanair das Lohngefälle auf die Tatsache zurück, dass die Mehrheit der britischen Piloten Männer sind, und wies darauf hin, dass weibliche Pilotinnen in der gesamten Branche unterrepräsentiert seien. (Der vom Bot verwendete Datensatz ist ein Maß für alle Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich, nicht für den Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen für dieselbe Tätigkeit).

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Einige Unternehmen sollen den Bot blockiert haben

Für Lawson untermauern jene systembedingten Ungleichheiten die Existenz von @PayGapApp und anderen Initiativen. "Wir wollten diese Daten nutzen, um das Thema wieder ins Rampenlicht zu rücken, um die Menschen auf die Probleme aufmerksam zu machen, die es immer noch gibt, und um Gespräche über deren Lösung anzustoßen", sagte sie der "Washington Post".

Als Reaktion auf die Tweets hätten einige Accounts @PayGapApp blockiert, so Lawson und Fensome. Andere reagierten auf die Tweets mit mehr Kontext zu ihrem geschlechtsspezifischen Lohngefälle und wiesen darauf hin, dass allgemein Frauen eher schlechter bezahlte Positionen innehaben.

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"In einer idealen Welt bräuchten wir keinen Internationalen Frauentag"

Lawson und Fensome wünschen sich, dass die britische Regierung mehr Daten über das geschlechtsspezifische Lohngefälle erheben würde – auch in Bezug auf Rasse, sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter – um ein vollständigeres Bild davon zu bekommen, wie sich das Lohngefälle unterschiedlich für Frauen der jeweiligen Hintergründe äußert. Auf diese Weise könnten sie eine ähnliche Kampagne auch etwa für den Black History Month organisieren, sagt Lawson.

In der Zwischenzeit plant das Paar, @PayGapApp so lange weiterzuentwickeln, bis es keinen Bedarf mehr dafür gibt.
"In einer idealen Welt bräuchten wir keinen Internationalen Frauentag, weil wir dann völlige Geschlechterparität hätten", betont Lawson.

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