Donald Trump hat seine Wahl wie kein US-Präsident vorher der Macht der sozialen Netzwerke zu verdanken. Er beherrscht das Spiel mit Twitter, zudem wurden bei Facebook und Co. mit zielgenauer Werbung die Wähler präzise angesprochen. Dass das möglich war, verdankt er einem jungen Kanadier. Jetzt hat der die Geschichte seiner Waffe im Facebook-Krieg erzählt.
Unter der Leitung des ehemaligen Trump-Chefstrategen und Breitbart-Boss Steve Bannon war es der Firma Cambridge Analytica gelungen, aus Facebook-Daten genaue psychologische Profile zu bauen. "Wir beuteten Facebook aus, um die Daten von Millionen Nutzerprofilen abzugreifen. Dann erstellten wir Modelle, die unser Wissen über sie ausnutzten, ihre inneren Dämonen ins Visier nahmen. Das war die Basis, auf der die ganze Firma beruhte", erklärte Christopher Wylie dem "Guardian".
Von der Mode in die Politik
Er ist der Architekt dieses Systems - und wollte eigentlich etwas ganz anderes kreieren. Der 28-Jährige, der sich laut einem langen Portrait im "Guardian" als schwulen, kanadischen Veganen bezeichnet und auf Fotos mit pinken Haaren zu sehen ist, wollte herausfinden, wie man Modetrends beeinflusst. Das war zumindest das Thema seiner Promotion. Weil er schon vor seinem Studium für Politiker gearbeitet hatte, entdeckte er mit gerade mal 24 Jahren, dass sich seine Ideen auch auf die Politik anwenden ließen. Die britischen Liberalen, für die er zu diesem Zeitpunkt Analyse betrieb, wollten das aber nicht hören. Stattdessen bekam er das Gehör der Wahlberatung SCL Elections - aus der danach Cambridge Analytica wurde.
Der Weg war so nur wenige Jahre früher nicht vorherzusehen. Wylie leidet unter ADS und Rechtschreibschwäche, brach mit 16 die Schule ab. Trotzdem schaffte er es, sich innerhalb eines Jahres vom Praktikant im kanadischen Parlament ins Büro des Oppositionsführers hochzuarbeiten - mit nur 17 Jahren. Mit 19 brachte er sich selbst das Programmieren bei, mit 20 begann er an der London School of Economics ein Jurastudium und beriet die britischen Liberalen. Ein Überflieger also, der zufällig auf das ideologische Hirn der amerikanischen Rechten traf.
Genau nach Bannons Geschmack
"Bannon verstand es sofort", erzählt das junge Ausnahmetalent. "Er glaubt an Andrew Breitbarts Doktrin, dass Politik der Kultur nachgeschaltet ist, man also Kultur verändern muss, um Politik zu verändern." Modetrends würden ganz ähnlich funktionieren. "Trump ist praktisch der Ugg Boot oder der Croc. Wie bekommt man die Gesellschaft nun von 'Uh, das ist total hässlich' dahin, dass alle die Schuhe tragen? Das wollte er wissen."
Bannon trug Wylies Ideen zu Robert Mercer, dem milliardenschweren Sponsor hinter Cambridge Analytica. Mit seinem Geld konnte man nun den Datenraubzug bei Facebook finanzieren. Die Idee dahinter war einfach: Man bezahlte Menschen, einen Persönlichkeitstest bei Facebook zu machen. Zusätzlich mussten sie einer App Zugriff auf ihr Facebook-Profil geben - und das ihrer Freunde. Ein voller Erfolg: Die knapp 320.000 Teilnehmer reichten Cambridge Analytica so im Schnitt 160 Profile pro Person weiter, fast 50 Millionen Psychogramme konnte man so erstellen. Ohne dass die Nutzer etwas davon wussten.
Facebook und Cambridge Analytica leugnen
Das sind schwere Vorwürfe. Sowohl Facebook als auch Cambridge Analytica haben bereits gegenüber einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments bestritten, dass die Daten von Facebook gesammelt wurden. Allerdings konnte Wylie gegenüber dem "Guardian" und der "New York Times" ganze Stapel an Akten, E-Mails, Rechnungen und ähnlichem präsentieren - und seine Geschichte so untermauern.
Unklarheiten gibt es trotzdem. Die Rolle Russlands etwa ist bei der ganzen Affäre nicht klar belegbar. Was auch daran liegen dürfte, dass Whistleblower Wylie die Firma bereits Ende 2014 verlassen hatte. Vorher hatte aber schon die russische Ölfirma Lukoil großes Interesse an den Daten gezeigt. "Das ergab für mich keinen Sinn", erklärte Wylie dem "Guardian". "Warum sollte eine russische Ölfirma Informationen über amerikanische Wähler haben wollen?"
Werbe-Söldner
Er ist sich allerdings sicher, dass die Firma wie Söldner für jeden arbeiten würde. "Regeln spielen für sie keine Rolle. Sie sehen das als Krieg - und jedes Mittel ist recht" sagte er der "New York Times". Der Ruf der Firma ist im Rahmen der Berichterstattung angeknackst. Bisher habe sich weder eine Partei noch eine Unterstützungsorganisation offen für ihre Dienste in den Zwischenwahlen Ende des Jahres bekannt, schreibt die Zeitung. Sie wende sich deshalb immer mehr dem kommerziellen Markt zu. Im letzten Jahr hätte sich Cambridge Analytica nach Angaben von Insidern um Mercedes Benz, AB Inbev, die größte Brauereigruppe der Welt, sowie der Versicherer Metlife bemüht. Verträge seien aber noch keine geschlossen worden.
Facebook indes geht seit der Enthüllung massiv gegen das Unternehmen vor. Weil der zuständige Datensammler nur eine Lizenz zur Erhebung von Forschungsdaten gehabt habe und diese nicht für kommerzielle Zwecke nutzbar seien, wurde die gesamte Firma von Facebook gesperrt. Auch Christopher Wylie wurde bei Facebook sowie den zugehörigen Diensten Instagram und Whatsapp geblockt. Er habe sich geweigert, den Fall aufzuklären, solange er ausgesperrt sei, sagte das Unternehmen gegenüber "Techcrunch". Weil er nach eigener Angabe aber Daten von Millionen Nutzern ausgenutzt habe, sei das derzeit aber nicht möglich. Wylie kommentiert das bei Twitter lakonisch. "Bei Facebook gesperrt, weil ich ausgepackt habe. Über etwas, dass sie im Geheimen schon seit zwei Jahren wussten."