Es war ein Ende aus dem Nichts: Am Montag verkündeten die Instagram-Gründer Kevin Systrom und Mike Krieger ohne jede Vorankündigung ihren Austritt aus dem Konzern. Laut einer Vielzahl von Berichten hatten weder die Angestellten noch die Konzernleitung etwas geahnt. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Fest steht: Instagram - und auch Facebook - sind mit dem Weggang nicht mehr dieselben Firmen wie vorher.
In der Vergangenheit hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg ein klares Prinzip: Werden große Firmen von Facebook übernommen, bleiben die Gründer an Bord und dürfen sie ohne große Einmischung des Mutterkonzerns weiter leiten. Das war bei Whatsapp so, beim VR-Pionier Oculus - und auch bei Instagram. Und eine lange Zeit funktionierte es auch. Die Firmen erhielten Unterstützung vom Mutterkonzern und konnten so fleißig weiter wachsen. Und Facebook konnte sich mit dem gigantischen Erfolg seiner Tochterfirmen schmücken.
Ständige Einmischung
Damit scheint es zu Ende zu sein. Systrom und Krieger haben sich zwar nicht offiziell zu den Gründen ihres Rückzugs geäußert, sie sollen aber zunehmend genervt von "ständigen Eingriffen" von Seiten Facebooks gewesen sein, berichtet "Recode" aus Quellen aus dem Umfeld der Gründer. So hatte der Konzern sich immer weiter in Instagrams App gedrängt, andererseits aber den Besucherstrom vom Hauptnetzwerk eingeschränkt. So wurden von Instagram automatisch auch auf Facebook geteilte Bilder seit dem Sommer nicht mehr als solche gekennzeichnet, Facebook erhielt also kostenlose Instagram-Inhalte, ohne im Gegenzug Traffic zu bringen. Zusätzlich warb man bei Facebook nicht mehr so aktiv für das Fotonetzwerk, ein Schritt der Instagram Hunderttausende Besuche gekostet haben und persönlich von Zuckerberg angeordnet worden sein soll. Recodes Quellen bei Instagram vermuten daher Absicht hinter dem Besucherverlust, die Quellen bei Facebook bestreiten das aber.
Schon vorher hatte Facebook begonnen, die Grenzen zwischen den Netzwerken immer weiter aufzuweichen. Im letzten Jahr kündigte man an, die Datenbänke von Facebook und Whatsapp zusammenzulegen, immer häufiger tauchten Links zum Mutterkonzern in den Apps der Töchter auf. Bei Instagram nahm die Werbung zu, auch bei Whatsapp sollte - entgegen den erklärten Willen der Gründer - Werbung eingebaut werden.
Facebook breitet sich aus
Und auch beim Personal gab es immer mehr Überschneidungen. Systrom hatte früher einmal erklärt, dass der einzige Kontakt mit Facebook über ihn lief, alle anderen Angestellten gehörten nur zu Instagram. Der Griff wurde aber merkbar enger, mit Adam Mosseri wurde einer von Zuckerbergs engsten Vertrauten zu Instagrams Produkt-Chef erklärt, auch die neue PR-Chefin Anna Richardson White kam aus Facebooks Führungsriege, berichtet "The Verge". Plötzlich konnte Zuckerberg seine Wünsche auch an Systrom vorbei in das Unternehmen tragen.
Die Whatsapp-Gründer sollen ebenfalls wegen immer weiter wachsender Konflikte mit dem Mutter-Konzern gegangen sein. Jan Koum und Brian Acton hatten sich von Anfang an Werte wie Privatsphäre auf die Fahnen geschrieben, hatten sogar noch unter Facebook eine Ende-zu-Ende-Verschlüsslung ihres Messengers umgesetzt. Das Ziel, die Nutzer zu schützen, scheint bei Facebook am Ende nicht mehr haltbar gewesen zu sein. Zumindest Acton setzte nach seinem Weggang ein klares Zeichen: Er spendete 50 Millionen Dollar an den um Privatsphäre bemühten Konkurrenz-Messenger Signal. Für Koum scheint ein anderer Punkt das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben. Whatsapp sollte immer werbefrei bleiben. Und nur Wochen nach seinem Weggang machte Facebook seine Pläne für Werbung im Messenger bekannt.
Facebook versprach Freiheit - und hielt lange Wort
Dabei scheint sich Facebook am Anfang an den Deal gehalten zu haben. In Interviews lobte Systrom den hohen Grad an Freiheit, den Krieger und er lange genossen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Gründer für Silicon-Valley-Verhältnisse ewig beim Konzern blieben. Oculus-Kopf Palmer Luckey ging nach drei Jahren, die Whatsapp-Gründer blieben gute vier Jahre. Und Systrom und Krieger hielten es gar ganze sechs Jahre bei Facebook aus. Doch dann passierte etwas. Letzten November kehrte Whatsapp-Gründer Brian Acton im letzten November Facebook leise den Rücken, im April folgte sein Partner Jan Koum. Und jetzt Systrom und Krieger. Luckey hatte schon im März 2017 das Handtuch geschmissen. Innerhalb von 18 Monaten waren alle Gründer ausgeschieden.
Als Ersatz setzte Zuckerberg bei Whatsapp und Oculus etablierte Facebook-Manager ein. Auch bei Instagram wird mit Adam Mosseri ein Vertrauter als wahrscheinlichster Nachfolger, berichtet "The Information". Die Ära der unabhängigen Töchter ist also am Ende.
Wie geht es weiter?
Facebooks Strategiewechsel dahinter dürfte mit der zunehmend schwierigen Situation des Unternehmens zusammenhängen. Das Hauptnetzwerk Facebook wächst längst nicht mehr so schnell wie früher, in einigen, wichtigen Nutzergruppen verliert man sogar regelmäßige Besucher. Trotzdem wirft die Werbung dort immer noch am meisten Geld ab. Hinzu kommt der politische und gesellschaftliche Druck, der aus dem Camebridge-Analytica-Skandal im Frühjahr entstand. Das Wasser steht noch nicht bis zum Hals, aber es steigt merklich. Zuckerberg bleibt nicht mehr die Zeit, die Netzwerke auf eigene Art Gewinne einbringen zu lassen, er braucht Erfolge. Und dazu will er wohl die Kräfte der Netzwerke noch deutlich weiter bündeln.
Was das für Instagrams Zukunft bedeutet, wird sich zeigen müssen. Automatisch schlecht wird das Netzwerk sicher nicht, viele wenig geliebte Ideen der Vergangenheit, wie die nicht mehr zeitlich geordnete Timeline oder die weitgehend erfolgslose TV-Variante IGTV hatte sich das Netzwerk selbst ausgedacht. Manche gute Idee hatte vorher auch schon Facebook ausprobiert. In einem Jahr dürfte Instagram aber trotzdem deutlich anders aussehen als jetzt. Ob die Nutzer dann auch noch da sind, muss sich zeigen.