Internetfundstück Kochen mit Blutgeschwüren und Wahnsinnigen

"Zertrampelte Quitte", "gepeitschte Sahne" und "KunstiErwürgt Salat" - eine türkische Website möchte eigentlich nur der ganzen Welt die Landesküche vermitteln. Wenn da nicht Sprachprobleme wären...

Das Osterfest naht, und so mancher möchte seine Lieben vielleicht zur Abwechslung mal mit einem Festmahl bisher ungekannter Art verwöhnen. Anregungen zuhauf finden sich auf einer türkischen Web-Site, deren unfreiwillige Komik bei der deutschen Übersetzung die Gerichte wegen sintflutartiger Lachtränen sicher nicht ungesalzen lässt: Ob "KunstiErwürgt Salat", "Hühnchen und Gemüse stopften sich voll", "Vollgestopft Mackarel", "Zertrampelte Quitte" mit "gepeitschter Sahne" oder "Schweiß-Geback" - für jeden Geschmack lässt sich ein exquisites Mal zaubern.

Dank gebührt dem Journalisten Axel Hacke, der auf den Hinweis eines Lesers hin im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" über diese Internetseite berichtet und so seinen Lesern neben nicht enden wollenden Heiterkeitsausbrüchen auch zauberhafte neue Kochideen beschert hat.

Besonders empfehlenswert scheint die "Senf-Steak-Leiste" zu sein - lässt sie sich doch in aller Kürze zubereiten. Und so geht's: "Schmutzflocke der Knoblauch und Senf auf zur Leiste. Gestellt in zum Ofen dann Schmutzflocke brät das feine weiße Mehl auf Leiste es dann. Dienen Sie durch Senf-Wurst. Guter Apetite!" Und fertig ist das Hauptgericht.

Auf Hygiene wird geachtet - irgendwie

Vorweg empfiehlt sich ein "Trockener Bohne-Salat" - dessen Zubereitung jedoch ein wenig mehr Zeit in Anspruch nimmt. Erster Schritt: "Waschen Sie die trockenen Bohnen und saugen Sie über Nacht 2 Schalen des Wassers ein." Das Einsaugen das Wassers erlaubt es wohl in diesem Fall, die bei anderen Rezepten gerne gegebene Anweisung "Waschen Sie sich" wegzulassen. Und wenig später kann sich der Koch mithilfe des Rezepts schon wieder der eigenen Pflege widmen: "Reiben Sie mit 1/2 Teelöffel des Salzes, um sich zu erweichen", heißt es dort. Am Ende muss das Ganze nur in einem dienenden Teller Platz nehmen, und schon heißt es wieder "Guter Apetite!".

Auch der Nachtisch bietet Raum für vielerlei Wünsche: Wer mag, kann sich der "Zertrampelten Quitte mit Honig, Banane und Sahne" zuwenden. Aus der Quitte muss man lediglich Zentren schnitzen, einen Gitterapfel hinzufügen und das Ganze mit Sprühregen-Walnüssen versehen. Wichtig zum Abschluss: "Dienen Sie Kälte!"

Komplizierter wird es bei "Kunefe mit Pistachionuts": Die Aufforderung "Blutgeschwür freundlich für 5 Minuten" hinterlässt gleich zu Beginn ratloses Stirnrunzeln. Auch der nächste Schritt "Verbinden Sie kadayif Fetzen und zerlassene Butter in einer Pfanne. Bruch. Kadayif Fetzen in Butter, die gut mit Spitzen des Fingers verschmilzt" macht einen nicht schlauer. Abbrechen sollte man diesen Zubereitungsversuch spätestens bei der Aufforderung "Teilen Sie sich in Hälfte". Dann kommt man auch nicht mehr in die Verlegenheit, für den Zubereitungsschritt "Sprühregen mit zerquetscht oder Boden-Wahnsinnige" die erforderlichen Zutaten auftreiben zu müssen.

Im Web

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Die türkische Rezeptewebsite mit den bizarren Übersetungen

Des Rätsels Lösung

Die Wahnsinnigen und ihre Blutgeschwüre: Ständig tauchen sie in den Rezepten auf und lassen nicht so rechten Appetit aufkommen. Sucht man in seiner Verzweiflung Aufklärung auf der englischen Abteilung der Internetseite, wird nicht nur die "Getrocknete Quark-Suppe" klarer (zu deren Zutaten ein "Platz-Klumpen" gehört, der auf Hitze zu einem Blutgeschwür gebracht werden muss). Wie "enträtselte (gesiebte) Schweiß-Geback" fällt es einem von den Augen, wenn man erkennt, dass die "Wahnsinnigen" in den englischen Rezepten als "nuts" auftauchen - also Nüsse.

Offenbar sind die Rezepte Werk eines Übersetzungsprogramms, das aus verschiedenen Möglichkeiten nicht unbedingt die richtige auswählt - wie es manch einer auch von vollkommen sinnlosen Gebrauchsanweisungen für fernöstliche Produkte kennt. So tauchen eben die "nuts" in ihrer Zweitbedeutung "durchgedreht" oder "wahnsinnig" auf. Und da das Übersetzungsprogramm im Kochen nicht besonders geübt zu sein scheint, greift es beim Verb "to boil" nicht zur nahe liegenden Übersetzung "kochen", sondern findet mehr Gefallen an der medizinischen Variante "Blutgeschwür" - möglich wären immerhin auch "Eiterbeule", "Furunkel" oder "Schwäre". Das verleiht den an sich bestimmt sehr schmackhaften Gerichten in deutschen Küchen eine ganz besondere Würze.

Wenn man beim weiteren Stöbern dann entdeckt, dass es sich bei den "Rebe-Erlaubnis-Hüllen" (Arbeitsschritt: "Waschen Sie sich und dränieren den Reis und tragen Sie zum Topf und Rühren ein paarmal bei") um "Vine Leave Wraps" handelt, keimt der Verdacht, dass schon bei der Übersetzung vom Türkischen ins Englische der polyglotte, aber sinnentleerte Sprachcomputer am Werk war - statt "leaf" (Blatt) hat er offenbar das türkische Wort für Weinblatt als "leave" übersetzt - woraus dann im Deutschen "Erlaubnis" wurde (möglich wäre auch "Triebzähne").

Unklar bleibt aber trotz intensivster Recherchen, wieso bis auf eine Ausnahme bei sämtlichen Suppen das Wort "ingredients" (Zutaten) mit "Artischocke" übersetzt wurde. So ist man nun dankbar, dass das Übersetzungsprogramm bei "Sole with Avocao" bei den zur Auswahl stehenden Möglichkeiten statt der eigentlich richtigen "Seezunge" für "sole" nur mit "alleinig" daneben gegriffen hat - der ebenfalls mögliche Fehlgriff "Schuhsohle" hätte das Gericht dann doch ein wenig zäh werden lassen. So brutzelt man sich eben ein sicher sehr köstliches "Alleinig mit Avocatobirne" - guter Apetite!

AP
Mirjam Mohr/AP

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