Im Allgäu scheint die Welt noch in Ordnung. Frische Luft, saubere Wiesen und Kühe so glücklich wie andernorts nur beim Aufsetzen des Bolzenschussgeräts. Doch der Schein trügt.
Frischkäse oder Käse aus Frischkäse
Hier: "Frischkäse, wärmebehandelt, Doppelrahmstufe. Weitere Zutat: Speisesalz." Dort: "Wärmebehandelter Käse aus Frischkäse, Doppelrahmstufe. Weitere Zutaten: pasteurisierte Milch, Speisesalz." Klingt verschieden, meint aber dasselbe und steht so und nicht anders auf einem schicken Behältnis der Bonifaz Kohler GmbH, welche wiederum Zuhause ist im beschaulichen Örtchen Lindenberg, weder verschwägert noch verschwistert mit dem gleichnamigen Ex-Schlagzeuger der Jazzrock-Gruppe Passport, deren "Chef" Klaus Doldinger die Tatort-Titelmelodie schrieb. Aber das nur nebenbei.
Der Schein trügt
Lindenberg, die "Bergstadt im Allgäu", blitzsauber und einladend. Jeden Samstag findet rund um den Stadtplatzbrunnen der Wochenmarkt statt. Sanft beschattet von "den beiden grünen Kuppeltürmen der benachbarten neubarocken Stadtpfarrkirch St. Peter und Paul". Ein trügerisches Idyll, denn hier werden Wunden, die niemals heilen, auch noch mit Öl übergossen. Und angesteckt - auf dem in schicker Holztrogform daherkommenden Frischkäsebecher mit den merkwürdigen Texten, hier für Deutschland, da für Österreich.
Zwei oder drei Zeilen
Warum nur? Ein kurzes Studium der geltenden Lebensmittelrechtbestimmungen dies- und jenseits der offenen Grenzen gibt nur unzureichend Aufschluss. Auch der appetitliche Käseslogan "Lecker und locker" hilft kaum weiter. Wohl aber ein Blick auf die Botschaft hinter der Botschaft. Hier der Text für Deutschland, zwei Zeilen lang. Dort jener für Österreich, drei Zeilen lang. Nun ja, mag mancher denken, Texte mal zwei, mal drei Zeilen lang, die kenn ich auch. Eben nicht!
Thomas Hirschbiegel
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Vor 25 Jahren in Argentinien
Deshalb noch einmal: Deutschland zwei, Österreich drei. Und spätestens jetzt müsste es klingeln. 25 Jahre zurück, 1978, ein Spätnachmittag in Argentinien. Hier: Maier, Vogts, Dietz, Bonhof, Kaltz, Rüssmann, Abramczik, Beer (und später Hansi Müller), Dieter Müller (und später Klaus Fischer), Hölzenbein und Karl-Heinz Rummenigge. Dort: Koncilia, Sara, Obermeyer, Pezzey, Strasser, Hickersberger, Prohaska, Krieger, Schachner (und später Oberacher), Kreuz und Krankl. Unentschieden nach Toren von Rummenigge, Krank, Hölzenbein und Vogts, der auf der falschen Seite trifft.
Die Schande von Cordoba ist perfekt
Dann lässt Krankl die hydrantengleich träumenden Rüssmann und Kaltz links stehen und macht das drei zu zwei. Abpfiff, aus, Ende. Die Schande von Cordoba ist perfekt. Danke, Bonifaz Kohler GmbH. Man wird den 21. Juni 1978 so schnell wirklich nicht vergessen.
Der Frischkäse selbst ist allerdings sehr schmackhaft.