San Francisco Anonyme Aktivisten legen selbstfahrende Taxis lahm – mit einem simplen Trick

Maskierte Aktivisten von Safe Street Rebel setzen in San Francisco ein Robotaxi außer Gefecht
Maskierte Aktivisten von Safe Street Rebel setzen in San Francisco ein Robotaxi außer Gefecht
© Josh Edelson / AFP
Sie nennt sich Safe Street Rebel: Eine Aktivistengruppe hält nichts von den seit einigen Wochen in San Francisco zugelassenen Roboter-Taxen und geht gegen die selbstfahrenden Autos vor.

San Francisco ist schon seit Jahren ein Testgelände für selbstfahrende Autos. Seit Anfang August ist in der kalifornischen Großstadt nun der kommerzielle Betrieb fahrerloser Taxis erlaubt. Die General-Motors-Tochter Cruise und das zum Google-Konzern Alphabet gehörende Technologieunternehmen Waymo haben die Erlaubnis erhalten, zahlende Fahrgäste rund um die Uhr auch ohne einen Menschen am Steuer durch das gesamte Stadtgebiet zu befördern.

Doch nicht alle sind von diesem neuen Serviceangebot begeistert. Kritiker monieren, die Roboter-Autos seien noch nicht ausgereift. So gab es bereits mehrere Unfälle und auch Vorfälle, bei denen die Fahrzeuge stehen blieben und den Verkehr und sogar die Arbeiten von Rettungsdiensten behinderten. In den sozialen Medien kursieren Videos, in denen selbstfahrende Autos Kreuzungen verstopfen.

"Die Robotaxis sind eine Katastrophe für San Francisco"

Die anonyme Gruppe Safe Street Rebel geht deshalb seit Wochen gegen die führerlosen Fahrzeuge vor. Ziel der radikal fußgänger- und fahrradfreundlichen Aktivisten ist es, die Roboter-Wagen auf den Straßen von San Francisco außer Gefecht zu setzen. Und das erreichen sie mit einem einfachen Trick, der die teuren Taxis völlig unversehrt lässt: Die Autogegner stellen einen Pylon auf die Motorhaube. Dieser Leitkegel, wie er in der deutschen Straßenverkehrsordnung genannt wird, verwirrt die Sensoren der Hightech-Gefährte offenbar so sehr, dass sie sofort stehen bleiben, die Warnblinkanlage einschalten und warten, bis jemand kommt und den Pylon entfernt.

"Die Robotaxis von Cruise und Waymo sind eine Katastrophe für San Francisco und den Kampf gegen die Vorherrschaft des Autos", schreibt die Aktivistengruppe auf ihrer Internetseite. Sie würden inmitten einer Klima- und Verkehrskrise für mehr Verkehr in der Stadt sorgen, Arbeitsplätze von Taxifahrern vernichten, durch ständige Audio- und Videoaufnahmen auf beispiellose Weise in die Privatsphäre der Öffentlichkeit eindringen und stünden praktisch über dem Gesetz, da sie nicht für Verkehrsverstöße belangt werden könnten.

"Wir dachten, dass das Aufstellen von Leitkegeln auf diesen Autos ein lustiges Bild wäre, das die Leute fesseln könnte", sagte einer der Organisatoren dem US-Sender National Public Radio (NPR) unter der Bedingung, anonym zu bleiben. "Eines dieser selbstfahrenden Autos, in das Milliarden von Dollar an Risikokapital und Forschungs- und Entwicklungsgeldern geflossen sind, wird einfach durch einen gewöhnlichen Verkehrskegel behindert."

Wieso die hochmoderne Technologie der Robotaxis durch einfache Kunstoffhütchen ausgetrickst werden kann, wollten die Unternehmen auf NPR-Nachfrage nicht erklären. Cruise und Waymo haben Milliarden in die Entwicklung ihrer autonomen Fahrzeuge gesteckt. Cruise hatte laut eigener Aussage anfangs tagsüber 100 und nachts 300 Wagen in San Francisco im Einsatz. Nachdem einer davon Mitte August mit einem Feuerwehrwagen kollidierte, musste die Google-Tochter ihre Anzahl auf Anordnung der Behörden halbieren. Waymo hat eigenen Angaben zufolge eine Genehmigung für den Betrieb von 250 Autos von denen immer etwa 100 auf der Straße unterwegs seien.

Nicht der erste Protest gegen Tech-Giganten in San Francisco

Der Widerstand gegen fahrerlose Autos in San Francisco reiht sich ein in eine lange Geschichte von Protesten gegen die Auswirkungen der Tech-Industrie auf die Stadt. So haben Aktivisten Ende 2013 angefangen, Google-Busse zu blockieren, mit denen Mitarbeitende des Konzerns aus der Stadt zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Die Blockaden waren eine Reaktion darauf, dass die großen Tech-Unternehmen – Google, aber auch Facebook, Apple, Yahoo und andere – zwar Standorte im Silicon Valley hatten, ihre Mitarbeiter aber lieber in San Francisco wohnten. Die von den Unternehmen bezahlten Busse ermöglichten es noch mehr gut verdienenden Mitarbeitenden, in der Stadt zu wohnen, wodurch die Mieten stiegen und alteingesessene Einwohner verdrängt wurden.

Und als Scooter-Firmen begannen, die Bürgersteige der Stadt mit Elektrorollern zu überschwemmen, warfen Anwohnerinnen und Anwohner diese kurzerhand in die Bucht von San Francisco. Im Mai 2018 stoppten Aktivisten Pendelbusse der Tech-Riesen mit Barrikaden aus aufeinandergeworfenen E-Rollern, um gegen "die fortgesetzte Ausbeutung unseres öffentlichen Raumes, unserer Arbeiter und unserer Umwelt durch die Technik" zu protestieren.

Die Bewohner von San Francisco hätten nicht viel Mitspracherecht, wenn Technologieunternehmen ihre Produkte in der Stadt testen, gab Manissa Maharawal, Assistenzprofessorin an der American University, die diese Proteste untersucht hat, gegenüber NPR zu bedenken. "Es gab verschiedene Entwicklungsdurchläufe, bei denen es hieß: 'Oh, ja, lasst uns das wieder in San Francisco ausprobieren', ohne dass irgendjemand, der hier lebt, dabei mitreden konnte."

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Margaret O'Mara von der Universität von Washington sieht in den Leitkegeln der Safe-Street-Rebellen auch ein Symbol: "Der Verkehrskegel-Protest ist ein Beispiel dafür, wie die Dinge in der realen Welt die Maschinen durcheinander bringen können, selbst wenn sie so ausgeklügelt und fein abgestimmt sind wie diese", sagte die Geschichtsprofessorin, die sich mit der Technologiebranche beschäftigt, dem US-Sender. "Es ist eine Erinnerung daran, dass in dieser sehr hochtechnisierten Welt die einfachsten Dinge der Maschine Sand ins Getriebe streuen können."

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