Die Welt, wie sie Elon Musk schon vor Jahren vorhergesagt hat, gibt es nicht. Teile seiner Vision bestehen aus Ideen, die selbst der Mann mit nahezu unbegrenzten Mitteln bisher nicht in die Tat umsetzen konnte. Dabei ist das Problem nicht, dass Musk groß denkt – es geht vielmehr darum, dass er Erwartungen schürt, denen er über Jahre nicht gerecht wird – und dadurch seine Glaubwürdigkeit verliert. Das wirkt sich natürlich auch auf seinen Führungsstil aus. Für seine Unternehmen dürfte das nicht leicht sein.
Robotaxis, neue Modelle und unendliches Aufladen
Am härtesten trifft es immer wieder Tesla. Für den Autohersteller hat der CEO schon immer einen großen Plan aufgestellt, den wohl auch die talentiertesten Mitarbeiter nicht halten können. Das betrifft nicht nur die Eigenschaften seiner Autos oder neue Modelle, sondern auch seine Vision für Mobilität als solche. Schon 2017 kündigte Musk an, mit dem Tesla Autopilot binnen der kommenden sechs Monate so weit zu sein, dass seine Autos keine Fahrer mehr bräuchten. Rund sechs Jahre später weiß man: Von selbstfahrenden Autos ist man noch recht weit entfernt – und auf dem Weg dahin passieren nicht wenige Unfälle.
Auch bei den angekündigten Modellen hat sich Musk inzwischen sehr oft verzettelt. Der Cybertruck ist vielleicht das berühmteste Beispiel. Das kantige Fahrzeug hatte Musk im November 2019 präsentiert und rechnete damals mit einer relativ schnellen Produktion. Inzwischen spricht Tesla vom dritten Quartal 2023. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch einen bislang ungenannten günstigen Tesla, der in diesem Jahr für rund 25.000 US-Dollar auf den Markt kommen sollte. Das musste Musk schieben, weil es nach seiner Meinung derzeit andere Prioritäten gebe. Immerhin: Niemand reduziert die Preise seiner Fahrzeuge aktuell häufiger als Tesla. Ein bisschen denkt man also noch an die, die sich ein Elektroauto derzeit nicht leisten können.
Apropos: Lange galten Teslas vor allem deshalb als besonders kluger Kauf, da Musk bis einschließlich 2017 versprach, dass das Laden an einem Supercharger "für immer" kostenfrei bleibe. Eine Zusage, die Tesla lange hielt, aber später immer weiter einschränkte. Mehr als Gratis-Kontingente bei Sonderaktionen gibt es inzwischen nicht mehr.
Elon Musk wollte die USA untertunneln
Auch mit seinem Tunnelbauunternehmen Boring hat sich Musk viel vorgenommen. Das Unternehmen sollte nach seiner Gründung so schnell wie möglich dafür sorgen, dass sich die berühmt-berüchtigten Staus in den USA endlich auflösen und der Verkehr durch kostengünstige Tunnel wieder fließen kann. Das wohl ambitionierteste Projekt war ein Tunnel für den Schwebezug Hyperloop zwischen Washington D.C. und New York, der die Reisezeit für die rund 200 Meilen von derzeit vier Stunden auf eine halbe Stunde bringen sollte. Heute gibt es weder Schwebezug, noch Tunnel. Die einzige Stadt, bei der Boring wirklich etwas gebaut hat, ist Las Vegas. Hier fahren Teslas unterirdisch von Hotel zu Hotel.
Die Revolution der Mobilität ist Musk aber nicht genug – er hat auch die Menschheit und Social Media auf dem Plan. Mit seinem Unternehmen Neuralink plant er seit Jahren eine Art Gerät für die Kommunikation zwischen Computern und dem Gehirn. Das soll die Behandlungen schwerer Erkrankungen erleichtern und die technische Erweiterung des menschlichen Körpers ermöglichen. Die ersten Versuche an Menschen plante das Unternehmen für 2022, bisher macht Neuralink aber eher mit anderen Themen Schlagzeilen (Elon Musk freut sich auf ersten Hirn-Chip im Menschen – doch durch Neuralink sollen Tiere qualvoll verendet sein).
Elon Musk: Seine Firmen, seine Familie – der reichste Mensch der Welt in Bildern

Als wären die Unternehmen nicht schon genug, lud sich Musk Ende 2022 auch die Bürde auf, Twitter umbauen zu wollen. Seine Vision: Ein Marktplatz der freien Rede, unzensiert und dennoch finanziell selbsttragend. Dafür wollte er Spambots von der Seite jagen und großzügig aufräumen. Bisher stiftete der Neueigner vor allem Chaos bei Twitter und setzte von ehemals 8000 Mitarbeitenden inzwischen 6500 vor die Tür. Was bleibt, ist eine weitgehend unkontrollierte Seite, die wie durch ein Wunder bisher keinen Großausfall zu beklagen hatte – auch wenn es hier und da mal eng wurde.
Als Ziel für seinen Twitter-Kauf gab Musk einst an, die Seite in eine "Alles-App" namens X integrieren zu wollen. X – so hieß mal eines seiner Unternehmen in der Anfangsphase. Wann und was etwas daraus wird, steht aber noch in den Sternen. So recht weiß man es nicht, am ehesten wäre wohl etwas wie Wechat denkbar. Die App, ohne die Chinesen im Alltag tatsächlich echte Probleme haben. Sie vereint einen Messenger, soziale Foren und Zahlungsfunktionen unter einem Dach. Immerhin die Umbenennung ist geglückt: Offiziell heißt Twitter inzwischen X – auch wenn es keiner so richtig verwenden mag.
Eine KI mit trumpeskem Namen
Musks neueste Baustelle hat mit künstlicher Intelligenz zu tun. Anfang des Jahres gab er in einem Interview mit dem rechten US-Talkshow-Host Tucker Carlson bekannt, dass er mit "TruthGPT" eine KI plane, die zwar ähnlich wie ChatGPT funktioniere, aber darauf getrimmt ist, bei der Wahrheit zu bleiben. Aktuellen KI-Projekten unterstellt er, politisch zu korrekt zu sein.
Besonders viel Aufmerksamkeit bekommt Musk auch immer wieder für Alleingänge, die nicht direkt etwas mit seinen Firmen zu tun haben, sondern eher mit seinem Ego. So wollte er Ende 2021 den Hunger in der Welt beseitigen, sollte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ihm einen exakten Plan vorlegen, wie das möglich sei. Ein solcher Plan folgte, aber keine Spende an das Programm.
2018 geriet Musk in die Schlagzeilen, als Kinder in einer thailändischen Höhle eingeschlossen waren. Musk bot an, ein U-Boot zur Verfügung zu stellen, um die Vermissten zu retten. Als seine Idee auf wenig Gegenliebe stieß, bezeichnete er den Höhlenforscher Vernon Unsworth als "pädophilen Kerl". Eine Hilfe bei der Rettung der Kinder war er nicht.
X Tage seit dem letzten Versprechen
Die Liste an Versprechen, die Elon Musk mal mehr und mal weniger prominent (und vermutlich ernst) gegeben hat, ist sehr lang. In diesem Text kommen zwar viele, aber lange nicht alle Beispiele vor. Die teilweise etwas unfaire Seite "Elonmusk.today" hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vielen Aussagen des Milliardärs festzuhalten und die Tage zu zählen, die zwischen einer Ankündigung und deren Realisierung verstreichen. Unfair deshalb, weil manche Aussagen von Musk, die dort gelistet werden, wohl nicht ganz ernst gemeint waren – andere hingegen schon.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Elon Musk ohne Zweifel viel erreicht hat – vermutlich mehr als viele andere Menschen. Umso bedauerlicher ist es, dass er seine Errungenschaften durch immer größere Versprechen kleiner wirken lässt, als sie sind. Dabei wäre die Lösung für das Problem sehr einfach: Erst dann Versprechungen machen, wenn man im Hintergrund bereits konkrete Vorbereitungen getroffen hat.
Weiteres zu Tesla: An diesem Donnerstag um 22.35 Uhr startet bei RTL das neue Fernsehmagazin „stern Investigativ.“, das Sie dann auch bei RTL+ abrufen können. Am gleichen Abend präsentiert der stern erstmals den seriellen „stern Investigativ.“-Podcast — bei RTL+ und stern.de sowie überall, wo es Podcasts gibt