"By innovation only" – nur durch Innovation. Das war Apples Motto für den wohl wichtigsten Abend des Jahres. Und schon gleich zu Anfang machte CEO Tim Cook klar: Wir haben viel zu zeigen. Statt wie üblich über die Erfolge der letzten Monate zu schwelgen, ging es gleich ans Eingemachte. Doch die großen Überraschungen kamen nicht beim iPhone.
iPhone für Profis
Das meisterwartete Gerät des Abends war natürlich trotzdem das iPhone 11. Optisch hat es sich gegenüber dem Vorgänger iPhone Xr kaum verändert, statt eines einzelnen Kamera-Lochs gibt es nun eine Doppelkamera in einer quadratischen Fassung mit abgerundeten Ecken. Mit Mintgrün und Purpur sind zudem zwei neue Farben hinzugekommen, die allerdings zwei andere Töne ablösen.
Zum ersten Mal bekommt auch das günstigste iPhone-Modell eine Doppelkamera, die Weitwinkelaufnahmen ermöglicht. Viel spannender sind aber trotzdem die teuren Modelle. Man wollte ein iPhone machen, das Profis gerecht wird, verkündete Phil Schiller auf der Bühne. Folgerichtig heißen die neuen Geräte iPhone 11 Pro (weiter 5,8 Zoll) und iPhone Pro Max (mit 6,5 Zoll 0,2 Zoll größer als der Vorgänger).
iPhone 11 in Bildern: So schick sind Apples Neuvorstellungen
Das Pro bezieht sich nicht nur auf das neue Edelstahlgehäuse und den – auch im iPhone 11 – verbauten, rasend schnellen A13-Prozessor. Sondern auch auf das neue Display mit noch mehr Pixeln und Dolby Atmos, die mehrere Stunden längere Laufzeit und das - endlich - beiliegende schnellere Ladekabel. Das wichtigste Pro-Feature dürfte aber die Dreifach-Kamera sein.
Und jetzt alle drei zusammen
Als Kombination aus iPhone XS und 11 vereint sie eine normale, eine Weitwinkel- und eine Telefotolinse, kann also sowohl Zoom- als auch Weitwinkel-Aufnahmen. Apple folgt hier dem Industrietrend, schließlich gab es dieses Jahr auch schon vier oder fünf Kameras in einem Gerät.
Trotzdem hat Apples Lösung viel Potenzial. Sie erlaubt es nämlich, mit mehreren der Knipsen auf einmal aufzunehmen und baut dann daraus das beste Bild. In einer "Deep Fusion" genannten Variante, die im Herbst per Update nachkommt, sollen sogar Langzeit- und kurzbelichtete Bilder zu einem einzigen zusammengebaut werden.
Die spannendsten neuen Möglichkeiten gibt es aber für Filmfans. Mit speziellen Apps wie Filmic kann man auch mit mehreren der Kameras auf einmal filmen – und hat so mehr Material zur Auswahl.
Zusammen mit der verbesserten Nachtfotografie, Selfie-Videos in Zeitlupe ("lauft Apple "Slowfie"), gab das ein rundes, aber nicht überwältigendes iPhone-Paket. Immerhin wirkt sich das auch auf die Preise aus: Mit 800 Euro (iPhone 11), 1150 Euro (iPhone 11 Pro) und 1250 Euro (11 Pro Max) kosten die neuen Modelle weiter den Vorjahrespreis. Damit entsprachen die iPhones weitgehend den Vorhersagen und Leaks, die sogar einige Features mehr erwartet hatten.
Die Überraschungen kamen früher
Überraschender kam da die große Neuerung der Apple Watch. Die von vielen erhofften Sensoren für bessere Schlafmessung, Blutzucker und Luftqualität fielen zwar aus, dafür zeigt die Uhr nun immer die Zeit. Das neue "Always On"-Display erlaubt es, sämtliche Inhalte des Watchfaces immer anzuzeigen. Erst wenn man seinen Arm bewegt, um auf die Uhr zu schauen, schaltet sie auf volle Helligkeit um. Trotzdem soll die Watch dieselbe Laufzeit wie der Vorgänger erreichen.
Weitere Neuerungen sind ein Kompass und eine verbesserte Notruf-Funktion – auch ohne iPhone. Neben einiger neuer Farben bei der Edelstahlversion gibt es nun auch erstmals eine Variante im Titangehäuse, auch das Keramikmodell kehrt nach einem Jahr Pause zurück.
Die Edelvarianten haben ihren Preis: Während die Aluminium-Version wieder ab 450 Euro kostet, gehen die Preise weit nach oben. Die Titan-Version kostet ab 850 Euro die Keramikmodelle gibt es gar nicht erst unter 1400 Euro.
Auch die zweite Überraschung des Abends war bis gestern nicht mal in der Gerüchteküche aufgetaucht: Apple überarbeitet sein Einsteiger-iPad. Der Bildschirm ist zwar auf 10,2 Zoll gewachsen, der Homebutton und der Fingerabdrucksensor Touch ID sind aber geblieben. Wie bei den teureren Modellen lässt sich zudem nun auch das Tastaturcover nutzen. Der Preis ist mit 379 Euro weiter ziemlich Einsteiger-freundlich, wenn auch nicht ganz so attraktiv wie die 329 Dollar in der Heimat USA.
Ärger für Netflix
Den größten Hammer des Abends packte Apple aber gleich zu Anfang aus: Erstmals nannte man Preise für die neuen Dienste Apple TV+ und Apple Arcade – und die fielen deutlich aggressiver aus als erwartet. Nur 5 Euro pro Monat verlangt Apple sowohl für seinen Streaming-Dienst Apple TV+ als auch für das Spiele-Abo Apple Arcade. Das kommt besonders deshalb überraschend, weil in beiden Modellen die gesamte Familie mit bis zu sechs Personen inkludiert ist. Vor allem der ab 1. November startende Streaming-Dienst wird von Apple noch einmal weiter gepusht: Wer ein iPhone kauft, bekommt ein ganzes Jahr des Dienstes kostenlos obendrauf. Mit der Ankündigung hatte so keiner gerechnet. Beobachter hatten mit mindestens zehn Euro als Preis für Apple TV+ gerechnet.
So fielen die Neuerungen beim iPhone also kleiner aus als von manchem erhofft. Viele große Änderungen wie 5G hat man für das nächste Jahr aufgehoben. Immerhin zieht Apple bei Dreifach-Kameras und besserer Nachtaufnahme mit dem aktuellen Premium-Standard mindestens gleich. Ob die Möglichkeiten der neuen Videoaufnahmen tatsächlich so revolutionär ausfallen wie angekündigt, müssen Tests zeigen. Die große Angst dürften heute allerdings nicht die Smartphone-Konkurrenten, sondern Streaming-Anbieter und Spiele-Entwickler bekommen haben. Apple drängt mit seinen neuen Diensten aggressiv in den Markt. Und zeigt so sehr klar: Es will nicht nur beim iPhone vorne sein.