Klingeltöne Bei Anruf Megahit

Original-Musik fürs Handy bringt der Musikindustrie Millionen. Mit einer Software kann man die Klingeltöne jetzt selbst erstellen - und viel Geld sparen.

Wer wissen will, was in der Single Hitparade gerade an der Spitze steht, muss nicht die "Bravo" aufschlagen oder Viva gucken. Es genügt, mit Bus oder Bahn zur Arbeit zu fahren: Die Handys der Schüler dudeln derzeit besonders oft den Aerobic-Techno-Song "Call On Me" von Eric Prydz ab. Und immer öfter klingt der Song nicht mehr als nervtötendes Gepiepse, sondern in Originalqualität als "Real Tone". Solche Soundclips können die meisten modernen Handys abspielen. Und das versetzt die seit Jahren leidende Musikindustrie in Aufregung: Von den zwei Euro bis zu 4,99 Euro, die Anbieter pro Songschnipsel verlangen, gehen nämlich 25 bis 55 Prozent an die Plattenfirmen.

"Klingeltöne sind für die Jugendlichen zum Statussymbol geworden. Und warum sollte man einen alten Piepston wollen, wenn man doch den Originalsong auf dem Handy haben kann?", sagt Tilo Bonow von der Klingeltonfirma Jamba.

Tatsächlich sind die Hoffnungen der Musikbranche begründet: Während in den ersten sechs Monaten des Jahres in Deutschland gerade mal zwölf Millionen Single-CDs verkauft wurden, luden Handybesitzer 40 Millionen Klingeltöne herunter - für insgesamt 91 Millionen Euro. Knapp fünf Millionen Euro entfielen dabei auf Real Tones, mit stark steigender Tendenz. Der Markt für Musik auf dem Handy soll nach einer Prognose der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diesem Jahr 150 Millionen Euro erreichen und im kommenden Jahr um 15 Prozent auf 170 bis 180 Millionen Euro wachsen.

Mehr Real Tones als Singles verkauft

"In den USA hat der Sänger Usher bereits mehr Real Tones als Singles verkauft", sagt Ulrich Järkel, Chef des "Strategic Marketing" bei Sony BMG. Real Tones, die noch vor der CD erscheinen, und spezielle Versionen fürs Handy sind gezielte Angebote der Plattenfirma für die "Mehrfachverwertung". 2005 will Järkel den Umsatz mit Real Tones verdreifachen.

Das Geschäft mit den teuren Tönen könnte allerdings gebremst werden, bevor es so richtig in Fahrt kommt. Denn mit neuer Software wie dem Ringtone Maker von Magix (Preis: rund 20 Euro) können Real Tones auch am PC selbst erstellt werden. Das Programm wandelt MP3-Musikdateien und Songs von der Audio-CD in Klingeltöne um. Es unterstützt alle Real-Tone-fähigen Handys - in Deutschland derzeit zirka 40 Modelle.

Selbst machen ist einfachen

Auch für Laien problemlos ist das Herstellen der Real Tones: Mit einem Klick listet die Software die Stücke einer eingelegten Audio-CD oder das MP3-Verzeichnis auf der Festplatte auf. Der gewünschte Song wird geladen. Jetzt kann der Nutzer die Länge und den Ausschnitt bestimmen. So entsteht ein Musikschnipsel für den Handylautsprecher, der wie der Originalsong klingt. Danach muss nur noch das passende Dateiformat für das jeweilige Handymodell gewählt werden. Der ganze Vorgang dauert höchstens fünf Minuten. Wer dem Ganzen eine persönliche Note geben will, kann verschiedene Songs auf die vier Tonspuren ziehen und einen mehrstimmigen Real Tone arrangieren. Oder man begleitet per Mikrofon sein Idol als Hintergrundsänger.

Schwierigste Hürde für viele PC-Besitzer ist die Übertragung des fertigen Klingeltons vom PC aufs Handy. Das geht über Bluetooth-Datenfunk, Infrarot oder ein USB-Verbindungskabel. Nachteil: Nur aktuelle PCs und Notebooks verfügen über eine Bluetooth- oder Infrarotschnittstelle, die Kabel sind meist teuer. Mit einem Bluetooth-USB-Adapter, der ab rund 20 Euro erhältlich ist, lassen sich allerdings auch ältere Rechner aufrüsten.

Kostengünstige Alternative

Die Software ist vor allem ein Geschenktipp für Eltern, deren Sprösslinge bislang ihr Taschengeld für den Kauf von Klingeltönen verschwendet haben: Die Anschaffungskosten sind schon bei weniger als zehn Real Tones in Heimarbeit eingespielt. Der Hersteller zielt aber auch auf Ältere, deren Musikgeschmack über die Charts-Klingeltöne hinausgeht. Der Ringtone Maker steht bereits in den Top Ten der Software-Verkaufscharts.

<zwitiY>Eine zweite Möglichkeit

Und Der nächste Anbieter neben Magix kommt: Mit der Software Xingtone lassen sich Real Tones aufs Handy bringen, ohne dass die manchmal komplizierte direkte Verbindung zwischen PC und Telefon nötig ist. Der erstellte Real Tone wird über das Internet an die Website der Firma geschickt. Von dort geht eine SMS an das Handy, die zum Herunterladen des Klingeltons führt. In den USA kostet Xingtone 19,95 Dollar, der Europastart ist geplant.

Tilo Bonow, Sprecher bei Jamba, dem Marktführer für Handytöne, gibt sich gelassen: "Diese Programme sind keine Konkurrenz für uns." Die Klientel sei sehr klein und der Aufwand zu groß, die Klingeltöne selbst zu erstellen. Außerdem: "Aus der Musik mit der Software Klingeltöne zu machen ist ja sowieso illegal." Das allerdings stimmt so nicht. Solange der Nutzer die Musik selbst erworben hat, ist es sein gutes Recht, diese als Klingelton zu verwenden.

Dennoch hat die Branche durchaus berechtigte Angst vor dem illegalen Tausch von Handytönen: In den gängigen Musiktauschbörsen im Internet tauchen zunehmend Klingeltöne für alle möglichen Handytypen auf. Auch dem Ringtone Maker ist bei der Umwandlung von MP3-Musik egal, ob sie brav gekauft oder illegal heruntergeladen wurde.

Mehr Kontrollmöglichkeiten

Sollten allerdings raubkopierte Songs massenhaft im Handynetz herumgeschickt werden, hätten die Mobilfunkbetreiber technisch mehr Kontrolle: "Die könnten eine entsprechende Adresse, anders als im normalen Internet, in ihrem Netz einfach sperren", sagt Jamba-Chef Oliver Samwer. Vielleicht verhilft ihnen der Musiktausch zwischen Handynutzern auch zu mehr Umsatz, wie etwa der Mobilfunkbetreiber Vodafone hofft. Sobald digitale Kopierschutztechniken mit dem schnellen Datenversand per UMTS kombiniert werden, würde der Netzbetreiber für sich und den Musikkonzern mitkassieren, wenn ein Handybesitzer einem anderen Musik schickt. Jeder Song fände sich dann auf der Handyrechnung wieder.

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Mascha Jacoby/Dirk Liedtke

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