Mobile World Congress 2010 Der Griff in die Wolke

  • von Gerd Blank
Auch wenn sich auf dem Mobile World Congress scheinbar alles um die neuesten, schönsten und schnellsten Smartphones dreht, spielt Hardware nur die Nebenrolle. Die wirklichen Neuheiten liegen in der Luft und sind nicht greifbar.

Technik soll einfacher werden, so die einhellige Meinung der Aussteller auf dem Mobile World Congress. Ob man Smartphones "mit einem Lächeln" (Sony Ericsson) oder "mit großer Freude" (Microsoft) bedienen soll - alle Unternehmen möchten das Komplizierte aus den Geräten verbannen. Dafür wurden die Betriebssysteme der Smartphones versteckt oder komplett überarbeitet. Aber trotz der unterschiedlichen Konzepte setzen alle Unternehmen für ihre Mobiltelefone auf die Datenwolke des Internet.

Kein Wunder, schließlich ist der moderne Mensch häufiger im Internet unterwegs als dass er vor dem Fernseher sitzt. Statusmeldungen werden aktualisiert, Kontakte in verschiedenen sozialen Netzen gepflegt und Fotos mit anderen geteilt. Bisher diente der Computer als Schaltzentrale für den digitalen Lifestyle. Allerdings lässt sich Lebensfreude in sozialen Diensten wie Twitter nicht auf 140 Zeichen kondensieren, wenn man nur vor seinem Computer sitzt. Wir leben auch außerhalb von vier Wänden. Doch Apple hat alles verändert: Mit iPhone und Datenflatrate ist das soziale Internet vom Schreibtisch in die Hosentasche gewandert. Ganz nach dem Motto: immer online. Das Angebot wurde angenommen, mehr als 80 Prozent aller mobilen Internetzugriffe erfolgen per iPhone. Durch die Nutzung von Apps für jeden Zweck merken die Nutzer häufig gar nicht, dass sie überhaupt das Internet nutzen.

Erwacht aus der Schockstarre

Der Erfolg der mobilen Dienste überraschte die gesamte Industrie, doch in Barcelona zeigen die Hardwarehersteller, dass sie aus der Schockstarre erwacht sind. Die Unternehmen setzen auf Internetservices, um damit wiederum ihre Hardware zu verkaufen. Der Schlüssel zum Erfolg scheint die Datenwolke zu sein. Bereits seit einigen Jahren geistert der Begriff Cloud Computing durch die Branche. Alle Daten werden nicht mehr auf den Geräten gespeichert, sondern dezentral auf irgendwelche Server verteilt. Was hat der Nutzer davon? Ein Beispiel dafür sind die Bilderdienste Flickr und Picasa. Fotos brauchen nicht mehr auf dem Rechner gespeichert werden, sondern werden direkt vom Handy beim Internetdienst hochgeladen. So können beispielsweise alle Gäste einer Familienfeier auf die Aufnahmen zugreifen. Durch schnellere Datenverbindungen werden diese Dienste auch für Musik und Filme interessant. Der plausibelste Grund ist aber die Datensicherheit. Wer schon einmal ein Handy verloren hat, könnte an der Idee gefallen finden, mit einem neuen Gerät sofort wieder auf die alten Daten zugreifen zu können.

Alles mit allem zu verbinden, das versucht auch die Deutsche Telekom. Sie will die Verbindung von Datendiensten mit Telefon, Computer und TV etablieren. "Connected Life" nennt sich der Service. Nutzer sollen sich keine Gedanken mehr machen, wo die Bilder gespeichert sind oder wie man beim Telefonwechsel die Kontakte überträgt. Alle Inhalte sollen sich mit jedem Gerät jederzeit aufrufen und nutzen lassen. Mehr noch: Fernsehprogramme lassen sich auch unterwegs per Handy aufzeichnen. Sogar auf der Straße, denn die Telekom will sogar Autos vernetzen. Auch LG setzt auf die Synchronisierung über die Wolke und macht aus den Smartphones eine Fernbedienung für den digitalen Lebensstil. Inhalte sollen dann direkt an den angeschlossenen Fernseher oder die Stereoanlage übertragen werden, die natürlich bestenfalls ebenfalls von LG produziert wurden.

Der Gang ins Internet verliert das Besondere, der permanente Webzugriff wird wie die Versorgung mit Wasser und Strom zur Selbstverständlichkeit. Doch das schnelle Internet steht noch immer nicht flächendeckend zur Verfügung. Während die Großstädter Filme in HD-Qualität aus dem Netz beziehen können, gibt es noch immer Gegenden in Deutschland, in denen selbst die Nutzung von Ebay, Amazon und Co. zur Geduldsprobe wird. Die Hoffnung der Industrie liegt auf den kommenden Mobilfunkstandard LTE, der deutlich schnellere Datenverbindungen zulässt, als sie viele DSL-Anschlüsse bieten.

Sicherheit geht vor

Mit der Ausweitung der mobilen Möglichkeiten werden die Smartphones allerdings auch vermehrt Ziel von Angriffen. Wenn Nutzer für Bankgeschäfte und Einkäufe lieber das Handy als den PC nutzen, wandern auch die Cyberkriminellen mit und attackieren mobile Betriebssysteme wie Symbian, Android und Windows Mobile. Laut Mikko Hyppönen, Chefentwickler beim Antivirenspezialisten F-Secure, gibt es bereits mehr als 400 bekannte Viren für moderne Handys. Doch nicht nur Schadprogramme gefährden das mobile Surfvergnügen. Da man beim Surfen per Smartphone oftmals gar keine Browserzeile sieht, bemerkt der Nutzer gar nicht, wenn er statt beim auswählten Angebot auf einer Phishing-Seite landet. Selbst der Download von Apps ist nicht sicher, wie der Sicherheitsexperte in Barcelona demonstrierte.

Schon bei Desktoprechnern ist das Risikoempfinden vieler Nutzer eher gering, bei Smartphones ist es fast gar nicht mehr vorhanden. "Die meisten Nutzer reagieren erst, wenn sie einmal Opfer einer Attacke geworden sind", sagte Hyppönen. "Und viele nicht einmal dann." Zudem seien viele Nutzer durch ihr Verhalten häufig selbst verantwortlich, wenn ein Phishing-Angriff geglückt ist. Sie nutzen Services unbedacht, geben bereitwillig Informationen preis und öffnen Dateien von unbekannten Absendern. Auch wenn F-Secure eine Schutzsoftware für Smartphones verkaufen möchte, hat der finnische Entwickler einen kostenlosen Tipp: "Eine vernünftige Medienerziehung würde viele hausgemachte Sicherheitsprobleme verhindern." Wir müssen erst lernen, immer und überall online zu sein.

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