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Messenger In der Coronakrise zeigt sich die dunkle Seite von Telegram

Beliebt bei Anhängern von Verschwörungstheorien und kostenloser Filme: der Messenger Telegram.
Beliebt bei Anhängern von Verschwörungstheorien und kostenloser Filme: der Messenger Telegram
© Valentin Wolf/ / Picture Alliance
Der Messenger Telegram erlebt derzeit einen gigantischen Boom. 1,5 Millionen Neuanmeldungen gibt es pro Tag. Dabei ist der Dienst nicht so sicher, wie viele denken.

Die Coronakrise hat viele Industrien durcheinandergewirbelt, einigen aber auch unerwartet Aufschub beschert. Man denke nur an Videokonferenzdienste wie Zoom oder Houseparty. Auf der Sonnenseite steht zweifellos auch der Messengerdienst Telegram. Erst vor zwei Wochen verkündete der Whatsapp-Konkurrent, die Marke von 400 Millionen aktiven Nutzern geknackt zu haben. Das ist insofern bemerkenswert, weil die Nutzerzahl im Vorjahr noch bei 300 Millionen lag. Ein Ende des Wachstums ist vorerst nicht in Sicht: Laut firmeneigenen Angaben registrieren sich derzeit jeden Tag mindestens 1,5 Millionen neue Nutzer bei Telegram.

Zwei Gründe für das Turbo-Wachstum

Telegram ist der größte Anbieter unter den Whatsapp-Alternativen. Entwickelt wurde der Dienst von den russischen Brüdern Pavel und Nikolai Durov, die zuvor bereits mit dem russischen Facebook-Pendant VKontakte für Aufsehen sorgten. Mittlerweile befindet sich der Unternehmenssitz in Dubai.

Für den raketenhaften Anstieg in den Nutzerzahlen dürften zwei Faktoren verantwortlich sein: Zum einen genießt Telegram einen Ruf als sichere, also datensparsame Whatsapp-Alternative. Doch das stimmt nur bedingt. Standardmäßig ist die Verschlüsselung in Chats nicht aktiviert, sie muss erst händisch eingeschaltet werden. Das jedoch machen die wenigsten Nutzer. Bei Gruppen-Unterhaltungen ist eine Verschlüsselung zudem gar nicht erst möglich.

Hinzu kommt: Die Verschlüsselung selbst basiert auf keinem vorgefertigten Standard, weshalb man nicht zweifelsfrei beurteilen kann, wie sicher sie ist. "Telegram hat Schwächen. Wer aus Datenschutzgründen gegen Whatsapp optiert, findet in dem Dienst keine Alternative", erklärt Sicherheitsexperte Mike Kuketz dem stern. Welchen Dienst er stattdessen empfiehlt, lesen Sie hier.

Telegram als Keimzelle des Widerstands

Vor allem aber erlebt Telegram derzeit in gewissen Kreisen einen Boom: Der Dienst wurde in den vergangenen Wochen zum Sammelbecken von Menschen, die sich dem Kampf gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verschrieben haben. In speziellen Telegram-Kanälen tummeln sich Impfgegner und Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und Reichsbürger, Klimaskeptiker und Rechtspopulisten, in einigen Kanälen ist die Zahl der Abonnenten vier- oder gar fünfstellig.

Dass Telegram bei diesen Nutzern so beliebt ist, liegt daran, dass der Dienst die Kanäle und Gruppenchats als Privatsache der Nutzer ansieht und keine Inhalte löscht. Damit positioniert sich Telegram anders als Youtube, Twitter oder Facebook, wo illegale oder sonstwie strittige Inhalte deutlich schneller und rigoroser entfernt werden.

Telegram als Raubkopie-Plattform

Ein Umstand, der nicht erst in der Coronakrise für Diskussionen sorgt: Seit Jahren erfreut sich Telegram auch bei Raubkopierern großer Beliebtheit. In einigen Kanälen werden illegale Kopien von Filmen und Serien mehr als 100.000 Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Um die Inhalte aufzuspüren, benötigt man kein spezielles Knowhow, es genügt eine simple Suche.

Die Betreiber der Kanäle wiederum schätzen die Anonymität der Kanäle. Zum einen erlaubt Telegram seinen Nutzern im Gegensatz zu Whatsapp, ihre Handynummer zu verbergen und stattdessen eine "Benutzer-ID" einzusetzen. Zudem arbeitet Telegram im Gegensatz zu Whatsapp bislang nicht mit Strafverfolgungsbehörden zusammen. Zum anderen können Sie dank automatisierter Bots ständig Inhalte in einer Vielzahl von Kanälen gleichzeitig posten.

Die dunkle Seite von Telegram

Der Antiviren-Software-Anbieter Avira warnte erst im Januar vor "der dunkle Seite" von Telegram. Innerhalb eines Klicks kann man nicht nur vom Chat mit Tante Gerda in das Sammelbecken von Verschwörungstheoretikern wechseln. Das größte Problem bei Telegram seien Drogen, schrieb das Unternehmen auf seinem Blog. "Das Angebot rund um Marihuana, Ecstasy und andere Betäubungsmittel ist gigantisch."

Der Drogen-Deal geht so: Konsumenten und Dealer treffen sich in einem Kanal, bestellt wird per selbstzerstörender Nachricht, geliefert wird per Fahrradkurier oder Drogentaxi. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht warnte aufgrund der zunehmenden Nutzung von Smartphones als Deal-Plattform schon vor einer "Uberisierung" des Kokainhandels.

Ermittler haben die neuen Kanäle längst in den Blick genommen, bislang jedoch mit überschaubarem Erfolg.

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