Abends im Bett kuscheln viele Paare inzwischen mehr mit ihrem Smartphone als mit ihrem Partner. Im Büro gilt es noch als unangemessen, während des Gesprächs durch Facebook zu scrollen, im privaten Rahmen sind diese Schranken schon eingerissen. Ob beim gemeinsamen Essen oder mitten im Gespräch, das Handy darf stören und Gemeinsamkeit zerstören. Auch der Second Screen beim TV bedeutet häufig, dass selbst der TV-Abend nicht mehr gemeinsam konsumiert wird.

Ein Problem, dass es offenbar auch in China gibt. Für das Center for Psychological Research Shenyang hat der Designer Shiyang He von der Agentur Ogilvy & Mather Plakate entworfen. "Phone Wall" nennt sich die Serie und zeigt ein überdimensionales Handy, dass sich wie die Große Mauer zwischen den User und seiner Umwelt legt. Optik und Titel spielen direkt auf die Chinesische Mauer an. Das kolossale Bauwerk erweckt in China den Nationalstolz, erinnert aber auch daran, dass die Abschottung hinter der Mauer am Ende dazu führte, dass das Land im 19. Jahrhundert zum Spielball der europäischen Kolonialmächte wurde.

Der Claim "The more you connect, the less you connect" legt den Finger in die Wunde: Führt die virtuelle Vernetzung mit allem und jedem dazu, dass man sich mit den Menschen um einen herum immer weniger beschäftigt? Das überdimensionale Smartphone auf den Plakaten blockiert die echte Kommunikation. Und ist das übertrieben? Abgesehen von der Größe des Geräts erscheinen die Situationen vertraut und alltäglich. Während man Deutschland eher über den Smartphone-Wahn der Jugend herzieht, kann man in Peking schon in die Zukunft schauen. Hier flüchten junge Eltern vor dem Kontakt mit ihren Kids ins Virtuelle.
Das Center for Psychological Research Shenyang gibt regelmäßig Plakate in Auftrag, um auf Missstände im menschlichen Umgang hinzuweisen. Im Frühjahr 2015 machten chinesisches Schriftzeichen, die sich zu martialischen Waffen formten, auf verletzende Worte im Alltag aufmerksam.