Demoszene Die Liga der außergewöhnlichen Coder

Von Kathrin Warncke
Kunst und Informatik vereinen sich in der Demoszene: Programmierer erschaffen kreative, aber gleichzeitig kompakte Filme, die sich zu ganz eigenen Werken entwickeln. Auf Festivals wie der "realtime generation" in Wien konkurrieren die Szenemitglieder um die besten Demos - und lassen sich als Helden der Bits und Bytes feiern.

Das Festival "realtime generation" erregt Aufmerksamkeit in Wien. Passanten bleiben vor dem ausgestellten Computer-Klassiker C64 stehen oder schauen sich so genannte Demos auf einer Leinwand an. Kein Regisseur hat hier gefilmt, Informatiker haben diese kurzen Videos programmiert. Die Bilder des Clips werden in Echtzeit berechnet, also in dem Moment, in dem sie erscheinen. Generell gilt in der Demoszene: je kleiner und genialer das Programm, desto besser. "realtime generation" bietet Einblicke in eine ungewöhnliche Kunst. Weltweit 5000 Mitglieder konkurrieren derzeit um die verblüffendsten Echtzeit-Filme.

Demos wecken Kindheitserinnerungen

Alte Disketten und Computerspiele wecken Kindheitserinnerungen bei vielen Besuchern. Ein Durchsuchungsbefehl des Landgerichtes Paderborn aus dem Jahr 1991, der ebenfalls gezeigt wird, weckt noch andere Erinnerungen. Schließlich entstanden Demos, als Cracker in den 80er Jahren den Kopierschutz von Computerspielen entfernten und ihre persönliche Signatur hinterließen. Und weil Speicherplatz damals sehr knapp war, mussten die Demos mit sehr wenig Speicherplatz auskommen. Die kriminellen Wurzeln der Szene werden in der Ausstellung nicht verschwiegen.

Viele der Programmierer, die damals in der Szene groß wurden, waren motiviert, Programmiersprachen wie Basic oder C++ zu lernen. Heute ist diese Motivation zurückgegangen. Programmierer Peter Hajba aus Finnland kennt das Problem: "Viele wissen nicht einmal mehr, dass auf Youtube beim Anschauen von Videos hunderte Megabyte heruntergeladen werden." Doch um ein Demo zu erstellen, bessere 3-D-Darstellungen zu finden und an den Codes zu feilen - dafür braucht es seiner Meinung nach unbedingtes Interesse für die Sache, Fachwissen und Durchhaltevermögen.

Demopartys unter freiem Himmel

Echtes Durchhaltevermögen zeigen die Mitglieder der Demoszene auch bei ihren Festivals. Das beweist Tammy "kb" Hinrichs von der umjubelten deutschen Demogruppe Farbrausch. "Wenn du nur genügend Geld hättest, könntest du von einer Party zur nächsten ziehen", berichtet er von den zahlreichen Demopartys weltweit. Das Festival "realtime generation" in Wien, veranstaltet vom Verein für digitale Kultur und Medientheorie (D-Vision), zeigt die gelassene Lebenseinstellung der Coder. Nach der nächtlichen Donau-Tour auf einem Badeschiff treffen sich die Programmierer im Palmen-Pavillon zum Brunch. Erst gegen Nachmittag starten sie Podiumsdiskussionen und Open-Air-Vorstellungen. Szenegrößen wie Peter "skaven" Hajba und Tammy "kb" Hinrichs erzählen von ihren größten Erfolgen und ihrer beruflichen Laufbahn. So hat Peter Hajba unter anderem bei dem Design der Xbox-Version des PC-Spiels "Max Payne 2" mitgearbeitet. Das wissen viele im Publikum schon vor dem Vortrag. Sie genießen den Austausch mit Gleichgesinnten, das Schwimmen im Nacht-Pool und Demopartys unter freiem Himmel.

Winzige Kunstwerke

Für das Event treffen sich Programmierer aus der ganzen Welt. Sie kommen unter anderem aus Spanien, Ungarn, Finnland, Deutschland und Österreich zum gemeinsamen Public-Viewing der Demos. Ob 64 oder vier Kilobytes - diese winzige Speichergröße reicht den Programmierern aus, um ein animiertes Kunstwerk zu erstellen. Besonders interessant wird es in der Kategorie 256 Bytes. Diese Demos sind um ein Vielfaches kleiner als ein leeres Word-Dokument.

Für echte "Demoscene Heroes", die Helden der Bits und Bytes, ist das kein Problem. Sie sind mit Computern wie dem C64 aufgewachsen. Heute bauen sie innerhalb weniger Augenblicke einen Computer mit verbundenen Augen zusammen. Wenn nötig, auch für einen Wettbewerb in der Mittagspause in auf dem Platz des Museumsquartiers Wien.

In Hollywood heiß begehrt

Wie ein typischer Held wirkt Peter Hajba jedoch nicht. Der Finne mit dem schütteren Haar und Retro-Shirt erzählt vor dem Publikum von seinen Anfangstagen in der ehemaligen Demogruppe Future Crew. Sie schufen 1993 das legendäre Demo "Second Reality", das für Aufsehen auf der größten Demoparty "Assembly" in Helsinki sorgte. Das macht ihn bis heute zum Vorbild, das ehrfürchtige Fragen aus dem Publikum beantwortet: "Wusstet ihr damals, wie bahnbrechend das Demo sein würde?" Dann ist es still, wenn Peter Hajba von 3-D-Modellierung spricht und erzählt, wie das Meisterdemo innerhalb von nur einer Woche entstand. Anerkennendes Raunen in den Sitzreihen. Ehrfurcht vor solchen Antworten teilt auch die Spieleindustrie, in der ein Großteil der Szene-Mitglieder heute arbeitet. Auch Hollywood ist an den fähigen Programmieren interessiert und umwirbt die Code-Helden für ihre Animationsstudios.

Es sind erfahrene Programmierer wie sie, die der Szene mehr und mehr fehlen. "Viele der alten Coder haben heute Familie und sind in einem Job. Deswegen haben sie keine Zeit mehr für Demos", erklärt Richard Pyrker von D-Vision den Rückzug der alten Hasen. An ihre Stelle sind heute neben den Programmieren auch Künstler und Kreative getreten. "Heute entscheidet mehr die Optik als technische Raffinessen." Das Ergebnis sind beeindruckende Kunstwerke, die vielleicht eines Tages auch im Museum zu sehen sein werden.

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