Krieg in der Ukraine F-16-Lieferung: Zerstörung am Boden ist die größte Gefahr

Die F-16 ist ein erprobter Multirole-Fighter, den moderneren russischen Jets jedoch nicht überlegen.
Die F-16 ist ein erprobter Multirole-Fighter, den moderneren russischen Jets jedoch nicht überlegen.
© Marcus Brandt/ / Picture Alliance
Große Hoffnungen ruhen im Westen auf dem Einsatz der F-16-Kampfjets. Aber auch die Russen bereiten sich vor. Sie demonstrierten ihre Fähigkeit, Flugzeuge am Boden aufzuspüren und zuzuschlagen.

In der Ukraine werden amerikanische Kampfjets vom Typ F-16 sehnlichst erwartet. Die Erwartungen sind hoch, die Jets sollen nicht weniger als die Wende bringen. In den letzten Monaten lief der Krieg nicht gut für Kiew, zumindest am Boden. Im Osten rücken die Russen stetig vor, im Norden vor Charkiw haben die Ukrainer die Invasoren aufgehalten und stecken nun auch dort in den verlustreichen Positionskämpfen fest, wie man sie aus dem Donbass kennt.

Es gibt mehrere Ursachen, warum die Front am Boden bröckelt, einer der wichtigsten ist der Einsatz von Gleitbomben. Ohne sich in Gefahr zu begeben, lassen die russischen Piloten etwa 3000 Präzisionsbomben im Monat auf die ukrainischen Stellungen segeln. Fast jede Bombe findet und zerstört ihr Ziel. Das soll die F-16 unterbinden, sie soll nicht die Bomben, sondern die Trägerflugzeuge vom Himmel holen.

Russen erwarten die F-16

Doch nicht nur die Ukrainer auch die Russen erwarten die F-16 sehnlichst. Aus einem einfachen Grund: Sie wollen den Nimbus der US-Waffen brechen. So wie es ihnen bei den westlichen Kampfpanzern bei der ukrainischen Sommeroffensive gelungen ist. Damals wurden innerhalb weniger Tage Westpanzer verschiedener Baureihen zerstört oder beschädigt. Ganz schnell endete der Traum der unbesiegbaren Wunderwaffen. Das gleiche Schicksal wollen die Russen nun der F-16 bereiten. Einerseits aus militärischen Gründen, denn sie wollen ihre Bombenoffensive ungestört fortsetzen. Die F-16 – ähnlich wie die Panzer im Jahr zuvor – wurde mit Erwartungen und Hoffnungen aufgeladen. Würde es Moskau gelingen, gleich zu Beginn des Einsatzes mehrere Maschinen zu zerstören, wäre das ein Schlag gegen die Moral in der Ukraine. Und die Verbündeten würden ihre Unterstützung überdenken. Die F-16 ist die "letzte Ausfahrt" von der Fahrt in die Niederlage.

Raketenangriffe auf Rollfelder

Bei Kampfjets stellt man sich gern Luftkämpfe wie aus den "Top Gun" Filmen vor, hier ist die F-16 – obwohl auch nicht mehr ganz taufrisch – den bisherigen ukrainischen Kampfjets wie der MiG-29 deutlich überlegen. Sie wäre also eine Verbesserung. Doch die größte Gefahr lauert am Boden. Die Ukrainer haben schon bisher die meisten Maschinen auf dem Boden und nicht in der Luft verloren. Ein Verhältnis, das es auch schon in anderen Kriegen gab. Und hier haben die Russen ihre Fähigkeiten deutlich verbessert. Anfang Juli konnten sie in nur drei Tagen vier oder fünf ukrainische Jets zerstören oder beschädigen. Die Russen haben ihre Raketentruppen mit eigenen Aufklärungsdrohnen ausgestattet. Es gibt keinen Schritt mehr dazwischen, sobald die Einheit ein lohnendes Ziel erkennt, startet sie eine Iskander-Rakete. Die Luftverteidigung der Ukraine arbeitet nur noch in einigen Räumen, andere sind praktisch schutzlos. Hier können die russischen Aufklärungsdrohnen fast ungehindert operieren und Ziele ausmachen.

Bei der F-16 wird ihnen das noch leichter fallen. Denn die US-Maschine kann nur auf eigens dafür hergerichteten Flughäfen gewartet und gestartet werden. Himars-Mehrfachraketenwerfer können in jeder Maschinenhalle irgendwo im Land versteckt werden, bei der F-16 sind es nur einige Rollfelder, die die Russen überwachen müssen. Und diese Zahl halten sie klein. Die Plätze, die für die F-16 vorbereitet wurden, werden regelmäßig angegriffen, um die Installationen zu zerstören.

Luftverteidigung hat viele Löcher

Vor dem Einsatz der F-16 müsste die Luftverteidigung des Landes massiv ausgebaut werden. Derzeit wird nur Kiew und einige Schwerpunktzonen wirkungsvoll abgeschirmt. Der Westen will neue Patriots liefern, doch sieht es so aus, als würde die F-16 zuerst also schutzlos eintreffen. Dazu verliert Kiew auch Luftabwehrsysteme, teilweise werden die neuen Lieferungen nur diese Lücken schließen.

Für die russischen Soldaten sind die Jets Ziele erster Güte. Wie schon bei den Westpanzern werden Abschussprämien ausgezahlt. Bei der Trophäenausstellung in Moskau sagte ein russischer Offizier ungerührt, dass seine Männer in helle Aufregung verfielen, wenn ein Leopard gesichtet wurde, weil jeder sein "Sparschwein" füllen möchte.

Umstrittener Schutz der F-16 durch Nato-Gebiet

Ähnlich den Lieferungen der Kampfpanzer besteht bei den Jets ein Missverhältnis von Anzahl und Erwartungen. Derzeit soll Kiew kaum noch über 100 Jets verschiedener Typen verfügen. Nun wurden 84 F-16 und etwa ein Dutzend Mirage V zugesagt. Doch diese Maschinen und die entsprechende Menge an Piloten und Personal werden nicht auf einen Schlag im Sommer in der Ukraine eintreffen. Wenn Kiew zu Beginn zwei Dutzend Fighter einsetzen kann, wäre das schon viel. Diese wenigen Maschinen treffen auf eine russische Übermacht. Denn die Russen bereiten sich auch mit Luftabwehrsystemen und Kampfjets auf die neuen Gegner vor. Eine Lösung ist schwer vorstellbar. Es wurde vorgeschlagen, die Maschinen von Nato-Gebiet aus einzusetzen, und von Nato-Gebiet aus, den Luftraum der Ukraine zu schützen. Doch solche Maßnahmen würden von Moskau als direkte Beteiligung am Krieg angesehen.

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