Sanktionen gegen Russland Beschlagnahmte Luxus-Yachten brauchen Pflege – so sehr könnten Oligarchen-Schiffe Steuerzahlern zur Last fallen

Yacht "Nord" von Alexei Alexandrowitsch Mordaschow
Sie traf es nicht: Die Mega-Yacht "Nord" (IMO 9853785, geschätzter Wert 500 Millionen-US-Dollar) flüchtete vor einer möglichen Beschlagnahmung und liegt nun im russischen Wladiwostok vor Anker. Der Betrieb des Schiffes kostet ihren Eigner jedes Jahr Millionen.
© Yuri Smityuk / Picture Alliance
Es heißt, der Betrieb einer Mega-Yacht kostet jedes Jahr zwischen 15 bis 20 Prozent des Kaufpreises. Doch wer zahlt eigentlich die Millionen, wenn eine Yacht beschlagnahmt wurde? Und was passiert, wenn man sich nicht um die Schiffe kümmert?

Alexei Mordaschow hat seine "Nord" von den Seychellen direkt nach Wladiwostok gebracht, Wladimir Putin ließ seine "Graceful" schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine nach Kaliningrad bringen. Aber nicht jedem russischen Oligarchen gelang mit seiner Yacht die Flucht in einen sicheren Hafen. Mindestens 13 Schiffe mit einem Gesamtwert von 2,25 Milliarden US-Dollar dürfen ihren aktuellen Liegeplatz derzeit nicht verlassen, einige sind bereits offiziell beschlagnahmt. Erst am vergangenen Wochenende traf es die "Tango" von Wiktor Wekselberg im Hafen von Palma de Mallorca. Was passiert eigentlich mit den Schiffen? Und wer kümmert sich um deren Instandhaltung?

Kontinuierlicher Service ist für den Erhalt von Mega-Yachten und für die Umwelt essentiell – leider auch unglaublich teuer. Dem Business Insider erklärte Benjamin Maltby, ein Experte für Yachtrecht, dass die Betriebskosten für ein Schiff bei rund "15 bis 20 Prozent des Gesamtwerts" lägen. Im Falle der Segelyacht "A" von Andrei Melnitschenko, die im italienischen Hafen von Triest festgehalten wird, und der ein Kaufpreis von 600 Millionen US-Dollar nachgesagt wird, sei mit 115 Millionen US-Dollar zu rechnen. Jedes Jahr.

Regierungen müssen sich kümmern

Diese enormen Summen entstehen durch Personalkosten, Reparaturen, Treibstoff, Versicherungen, Steuern und horrende Liegeplatzgebühren, die monatlich schnell in die Zehntausende gehen können, so Maltby. Das erklärt auch, warum die Chartergebühren, sofern man eine solche Yacht selbst für einen Urlaub nutzen möchte, astronomisch hoch sind. So kostet zum Beispiel eine Woche an Bord der 107-Meter-Yacht "Lana" mindestens 1,8 Millionen Euro.

Sollte sich aber ein Eigner aufgrund von Sanktionen nicht mehr um seine Yacht kümmern können oder wollen, müsste das jemand anders übernehmen, so der Experte weiter. Er erklärt, dass nach britischem Recht sogar eine Sorgfaltspflicht bestehe, da eine Behörde durch eine Beschlagnahmung zum Pfandgläubiger werde und den Wert erhalten müsse. Alles andere wäre für die Regierungen in seinen Augen "peinlich".

Es ist allerdings offenbar völlig unklar, wer am Ende die Zeche zahlt. Wie Reuters berichtet, schreiben zum Beispiel die Betreiber des Hafens von La Ciotat, wo vor Wochen die "Amore Vero" festgesetzt wurde, fleißig Rechnungen. Das Schiff soll Igor Iwanowitsch Setschin gehören, der eine Verbindung zur "Amore Vero" jedoch dementiert. Die französische Regierung zahlt ebenfalls nichts. 

"Wir stellen weiterhin Rechnungen aus", sagte Alice Boisseau, Kommunikationsbeauftragte von La Ciotat Shipyards gegenüber Reuters. Auf die Frage, wer die Rechnung bezahlen wird, sagte sie: "Wir wissen es nicht."

Die Arbeit muss aber trotzdem gemacht werden: So könne ein schlecht gewartetes Schiff "innerhalb weniger Wochen" verfallen, erklärt Anna Barford, Kampagnenleiterin für den kanadischen Schiffsverkehr bei der Umweltorganisation Stand.Earth. Eine Vernachlässigung setze demnach eine echte Kettenreaktion in Gang: Das Abwasser der Yacht könne gefährlich für Fische werden, sobald Öl auslaufe, sei der Schaden für die umliegenden Gewässer nur noch schwer aufzuhalten.

Oligarchen-Yachten: Wer rastet, der rostet

Auch ein Schaden an der Schiffswand sei bei langen Liegezeiten möglich, verursacht durch die sogenannte galvanische Korrosion. Sie entsteht dann, wenn unterschiedliche, miteinander verbundene Metalle, von einem gemeinsames Elektrolyt (Seewasser, Regenwasser, Luftfeuchtigkeit) umgeben sind. Mittelfristig führte das zu Rost, langfristig sogar zu Lochfraß an der Schiffshülle.

Liegt eine Yacht lange genug ohne jegliche Pflege in einem Hafenbecken und zeigt entsprechende Schäden, droht zudem der Entzug des Seetauglichkeitszertifikats, was wiederum eine Aufkündigung der Versicherung zur Folge hat. Käme es dann zu einer Ölpest, würde niemand die Beseitigung bezahlen.

Um das zu verhindern, verrät Barford im Gespräch mit dem Business Insider, müsse man die Schiffe eigentlich – wie die "Dilbar" in Hamburg – ins Trockendock legen. Das sei aber sehr teuer, heißt es. Nicht nur brauche man dafür einen entsprechenden Platz, sondern müsse die Yacht beim Eindocken gründlich reinigen und sie anschließend korrekt lagern. 

Hamburg hat Glück

Aufgrund dieser komplizierten Situation ist man in Hamburg auch ganz froh darüber, dass die "Dilbar" von Alischer Usmanow wegen Wartungsarbeiten ohnehin schon im Trockendock bei Blohm & Voss liegt. Eine Senatssprecherin erklärte dem stern, dass die rechtliche Situation "sehr schwierig" sei und man das Schiff "nicht einfach beschlagnahmen" könne. Da der "Dilbar" aber aufgrund der Sanktionen gegen Usmanow und ausbleibenden Gehältern ohnehin die Crew fehlt und das Schiff derzeit "nicht fahrtauglich" sei, habe man Zeit "sich in Ruhe mit der Situation zu befassen", heißt es. Über das Schicksal der Mega-Yacht hatte der stern kürzlich ausführlich berichtet.

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Die aktuellen Sanktionen besagen, dass Eigentum der russische Elite, die sich "auf Kosten des russischen Volkes bereichert" und Putin bei seiner Invasion in der Ukraine "unterstützt" hat,  "eingefroren und für die Nutzung gesperrt wird." Von einer Enteignung ist also nicht die Rede. Doch um die Schiffe kümmern, können sich die meisten Oligarchen auch nicht – vielen ist der Handel mit ausländischen Firmen und eine Bezahlung von Waren und Dienstleistungen mit US-Dollar untersagt.

Es wirkt, als hoffe man, dass sich das Problem irgendwann von alleine lösen werde. In Italien werden eingefrorene Vermögenswerte von einem öffentlich bestellten Treuhänder verwaltet, und die Instandhaltungskosten werden vom Staat getragen. Sie müssen später vom Eigentümer zurückerstattet werden, oder der Staat kann den Vermögenswert verkaufen, um seine Kosten zu decken.

In Frankreich und in Spanien bleiben die Betriebskosten einer "eingefrorenen" oder beschlagnahmten Yacht in der Verantwortung des Eigentümers. Das führt dann zu einer Situation wie in La Ciotat – Rechnungen werden geschrieben, aber der Empfänger fehlt. Die Konsequenzen daraus, vor allem wenn die Zeiträume immer länger werden, sind nicht absehbar. Werften werden blockiert, Eigentümer dürfen nicht fahren, keiner zahlt die horrenden Rechnungen und jeder pocht auf sein Recht – ein perfekter Sturm.

Jahrelange Ermittlungen voraus

Dem Nachrichtensender CNBC erklärt Maltby die Gesamtsituation so: "Wir befinden uns in unerforschten Gewässern. Die Situationen, die wir jetzt erleben, hat es noch nie gegeben." Um eine Person zu enteignen, müsse man ein Verbrechen zweifelsfrei nachweisen können – ebenso das Eigentum von Yachten oder anderen Anlageobjekten, beispielsweise Villen. Da Oligarchen aber selten bis nie direkte Eigentümer sind, sondern ihre Sachwerte über Briefkastenfirmen besitzen, ist auch das eine Herausforderung und kann Jahre dauern.

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Bis es soweit ist, kann man Yachten oder Villen zu Ermittlungszwecken zwar auf Eis legen, aber eben nicht verkaufen oder selbst nutzen. Aber man muss sich kümmern – und das kostet viel Geld. Mehr noch, wenn man eine Yacht verkommen lässt und nach jahrelangen Ermittlungen nur noch einen wertlosen Stahlhaufen entsorgen muss. Wer das dann bezahlt, weiß auch noch keiner.

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