Krieg in der Ukraine Angeblich Leopard 2 erbeutet: Was die russische Armee von einem Wrack lernen kann

Russische Soldaten bei dem Wrack eines Leopard 2A4
Russische Soldaten bei dem Wrack eines Leopard 2A4
© Twitter / Commons
Angeblich haben die russischen Truppen einen Leopard 2 erbeutet. Der wird nicht gegen die Ukraine kämpfen, aber so ein "Studienobjekt" würde wichtige Erkenntnisse liefern, etwa über Schwachstellen und Panzerung.

Beim Beginn der Bodenoperationen der Kiewer Sommeroffensive gelang es den Russen, mehrere Kolonnen mit Schützenpanzern vom Typ Bradley und deutschen Leopard2-Panzern schwer zu treffen. Die zerstörten und liegengebliebenen Fahrzeuge wurden von der Propaganda ausgeschlachtet. Jedes Gerät wurde aus mehreren Blickwinkeln aufgenommen, die Clips fluteten das Internet.

In Sachen PR – oder "Krieg im Informationsraum" – war das der GAU für Kiew, auch wenn die Verluste in der Menge noch zu verkraften sind. Im Westen versuchte man, die Schlappe zunächst kleinzureden. Man ließ nur die ausgebrannten Fahrzeuge als Verlust gelten, weil die Ukrainer die anderen beschädigten Panzer noch bergen und reparieren könnten.

Leopard 2A6: Bergung eigentlich unwahrscheinlich

In der Grauen Zone zwischen den Linien ist das schwer, weil die Russen kaum beim Verladen eines Havaristen untätig zusehen werden. Einige Wracks wurden beschossen, um sie weiter zu zerstören. Aber nun geben die Russen an, selbst Wracks geborgen zu haben. Wirkliche Beweise gibt es bislang nicht. Auf Videos sind russische Kämpfer beim Wrack eines Leopard 2A4 zu sehen, Videos von einem 2A6 wie behauptet gibt es nicht zu sehen. Ohnehin ist unklar, ob ihnen das Bergen eines 60-Tonnen-Kolosses gelungen ist.

Angenommen es stimmt, wäre das eine weitere schwere Schlappe. Im Informationsraum würde der Kreml diese Steilvorlage natürlich verwandeln und etwaige Beutepanzer zur Schau stellen. 

Können die West-Panzer nun gegen die Ukraine kämpfen? 

Niemand muss jedoch fürchten, dass die Russen die West-Panzer wirklich benutzen können, selbst wenn ihnen weitere Modelle in die Hände fallen. Ein leicht beschädigter Panzer, der etwa nur eine Kette verloren hat, kann für einen Propaganda-Stunt in Bewegung gesetzt werden und für die Kamera auch einen Schuss abgeben. Da Russland aber für dieses Großsystem weder über Ersatzteile noch über passende Munition verfügt, ließen sich die Panzer an der Front nicht sinnvoll einsetzen.

Bei den sowjetischen T-Modellen ist die Situation anders. Die Panzer beider Seiten beruhen trotz einiger Unterschiede auf der gleichen Technik, daher konnte die Ukraine auch zahlreiche Beutefahrzeuge in die eigenen Streitkräfte integrieren.

Viel zu wertvoll zum Kämpfen

Gesetzt den Fall, dass es den Russen wirklich gelungen ist, einen Leopard 2A4 oder gar eines 2A6  zu bergen, werden sie den Panzer ohnehin möglichst schnell von der Front entfernen, ihn auseinandernehmen und komplett untersuchen. Bradley und Leopard 2A6 sind (relativ) moderne Panzer. Sie zeigen den technologisch besten Stand, der von Nato-Armeen verwendet wird. Waffen wie der Schützenpanzer Marder oder der Leopard 1 sind weit weniger interessant, sie sind so alt und überholt, dass russische Ingenieure wenig von ihnen lernen können. 

Auf zwei Feldern werden die Russen Erkenntnisse sammeln. Zum einen werden sie die Westtechnik studieren und so versuchen, ihre eigenen Entwicklungen zu verbessern. Der Leopard wäre dann ein "Studienobjekt zu Forschungszwecken". Das wird bei der Hauptwaffen beginnen, die gesamte Elektronik und Zielerfassung wird spannend sein. Aber auch die Kleinigkeiten, die dem Laien vielleicht nicht so wichtig erscheinen. Das geht von Materialzusammensetzung, über Sicherheitsschotte bis hin zur Aufhängung der Kettenrollen. Kurz gesagt: Jede Schraube wird untersucht und bewertet.

Diese "Technik-Leak" ist problematisch, doch wird es im Punkt "Forschung und Entwicklung" für den Krieg in der Ukraine keine Auswirkung haben. Dafür vergeht zu viel Zeit, bis westliche Innovationen für den russischen Panzerbau adaptiert werden können und in die Produktion einfließen.

Schwachstellen des Leopard 2

Viel naheliegender sind Erkenntnisse, die der eigenen Truppe sofort helfen. Bei einem weitgehend unzerstörten Wrack werden die Russen Fähigkeiten und Schwächen des Leoparden genau studieren. Sie werden nun exakt wissen, wie schnell er ein Ziel erfassen kann, wie gut seine Nachtsichtfähigkeiten sind, wie sich der Turm drehen kann.

Sie werden versuchen, die Schwachstellen des Panzers zu finden. Etwa bei der Panzerung. Ein Panzer wird heute nicht einfach von einer dicken Stahlplatte geschützt. Die sogenannte Kompositpanzerung besteht aus Lagen verschiedener Materialien und bietet einen weit bessere Schutzwirkung als reiner Stahl. Diesen Materialmix werden die Russen nun im Labor ausgiebig untersuchen. Dazu werden sie exakt wissen, wie stark die jeweiligen Bereiche geschützt sind.

Auf den Fotos der Wracks ist bereits zu sehen, dass es mit dem Schutz der Oberseite, die von Drohnen angegriffen werden kann, nicht weit her ist.

Für jeden Kampfpanzer fertigt der Gegner Skizzen an, mit den Zonen, auf denen ein Treffer am aussichtsreichsten ist. Diese Skizzen werden nun sehr viel zuverlässiger ausfallen. Dazu wird der Gegner Erkenntnisse sammeln, wie der Leopard 2 auch ohne starke panzerbrechende Waffen bekämpft werden kann. Am stärksten geschützt ist der Kampfraum der Besatzung in der Wanne und im Turm. Doch insbesondere die Sensoren, mit denen die Besatzung die Umgebung wahrnimmt, sind weit exponierter. Sie können von Artilleriesplittern oder leichten Waffen beschädigt werden. Damit wird der Panzer nicht zerstört. Doch "blind und taub" fällt er für den Einsatz aus.

Anmerkung: Ein User konnten die Screenshots einem 2A4 zuordnen.

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