Die Ukraine hat zum ersten Mal deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 ins Gefecht geschickt, und es endete in einem Desaster. Die Kampfgruppe, bestehend aus mehreren Leopard 2 und gepanzerten Transportern, kam unter schweres Feuer, noch bevor sie die russischen Stellungen erreichte. Alles zu sehen auf einem russischen Drohnen-Video. Wie zerstört die Gruppe wurde, lässt sich aus dem kurzen Clip kaum ableiten. Ein Leopard brennt und dürfte endgültig ausfallen. Weitere Fahrzeuge sind offenkundig beschädigt. Wegen der Kürze des Clips weiß man nicht, wie es weitergeht.
Im Prinzip könnte die Ukraine versuchen, die liegengebliebenen Fahrzeuge zu bergen, dann hält sich der Schaden in Grenzen. Da der Feind aber den genauen Standort der nicht bewegungsfähigen Fahrzeuge kennt, ist es wahrscheinlich, dass die Russen die Panzer und Schützenpanzer, die sich nicht aus eigener Kraft entfernen konnten, mit weiteren Angriffen komplett zerstören.
Nach russischen Angaben wurde ein Leopard 2 zerstört und drei weitere liegen in der "Grauen Zone" zwischen den Linien fest. Auf der Kolonne auf dem Video sind allerdings nur zwei Kampfpanzer zu erkennen. Die Russen sprechen allerdings von zwei ukrainischen Kolonnen. In einem weiteren Video wird eine ukranische Kolonne von einem Hubschrauber zusamengeschossen. Insgesamt sind vier Leopard 2 ausgeschaltet worden, bei denen unklar ist, ob sie geborgen oder repariert worden sind und sieben bis 13 Bradley Schützenopanzer, neben anderen Quellen gibt der gewöhnlich sehr gut informierte Julian Roepcke diese Zahl an.
Tod in der Grauen Zone
Wie konnte es so weit kommen? Der Angriff und sein Scheitern ist kein Einzelfall. In den letzten Tagen hat Kiew zumindest eine weitere Sturmgruppe auf die gleiche Weise verloren und auch den Russen ist zuvor Ähnliches passiert, sogar im weitaus größeren Maßstab.
Der kurze Russenclip zeigt das ganze Dilemma. Die Kampfgruppe kam aus dem Raum um den Ort Mala Tokmatschka wurde offenbar schon zuvor von einer Drohne entdeckt und dann beobachtet. Ein generelles Problem: Solange der Gegner seine Drohnen in der Luft hat, ist es eine Frage des Glücks, ob eine schwere Panzerkolonne schon weit von der Front entfernt entdeckt wird. Damit die schweren und wertvollen Fahrzeuge nicht schon in der Bereitstellung von Artillerie bekämpft werden, werden sie ein paar Kilometer entfernt im Hinterland versteckt. Die Distanz bis zur Kontaktline müssen sie unbemerkt hinter sich bringen. Entdeckt sie eine Drohne, ist das nicht möglich und der Gegner kann sich auf den Feind einstellen.
Wenn Drohnen Panzer enttarnen
Hier kommt hinzu, dass die kleine Kampfgruppe direkt in eine vorbereitete Todeszone vor der russischen Linie gefahren ist. Das ist ein Fleck, an dem die Russen den Angriff erwartet haben und sich monatelang vorbereiten konnten. Die genauen Koordinaten sind dann der Artillerie schon vorher bekannt. Eventuell sind Panzervernichtungswaffen so platziert, dass sie die Zone bestreichen können. Ein russischer Kommandant gibt an, dass er dabei war, mit seinem T-80 in das Gefecht einzugreifen, die Ukrainer aber nach dem Beschuss mit Artillerie zurückgezogen hätten. Die 125-Millimeter-Kanone des T-80 kann die Panzerung der älteren Leopard 2 A4 durchbrechen.
Gestoppt wird der Gegner in den "Killzones" durch ein vorbereitetes Minenfeld. Ein professionell angelegtes Feld wird den Feldweg an einem Punkt sperren und schon im Raum zuvor die angrenzenden Felder verminen. Ein Vorgehen wie aus dem Lehrbuch: Die ersten Fahrzeuge fahren auf eine Mine, dazu geraten sie unter Feuer. Dann versucht die Gruppe zu wenden und auszuscheren, um sich etwas zu verteilen und dabei geraten sie an die Minenzone an den Flanken.
Auf dem Video kann man allerdings nicht klar erkennen, ob die Detonationen durch Minen oder nur durch Artillerie verursacht worden sind.
Verluste sind unvermeidlich
Das erste Abschneiden der Leopard 2 hat sicher enttäuscht, war aber zu erwarten. Im Krieg werden an der Front auch gute Systeme zerstört. Mythische Vorstellungen von unwiderstehlichen Wunderwaffen und angeberische Formulierungen, wie das die russischen Panzer nur ein "lecker Fressen" für die deutschen Großkatzen darstellen, liebt das Publikum, doch sie sind falsch. Auch der ältere Leopard 2 A4 bietet ein hohes Schutzniveau. Der Schutz bezieht sich aber zu einem guten Teil auf das Überleben der Besatzung und sollte nicht mit Unzerstörbarkeit übersetzt werden. Das kann man am Minenschutz erkennen.
Moderne Fahrzeuge mit hohem Minenschutz verhindern, dass eine Explosion unter der Wanne in den Raum der Besatzung durchschlägt, dazu dämpfen sie die Gewalt des Schlages, damit den Soldaten nicht die Knochen zerschmettert werden. Doch kein Minenschutz der Welt kann verhindern, dass eine Kette beschädigt wird, wenn sie über eine Panzermine läuft. Danach ist der Panzer immobil. Blickt man auf den Turm, sieht es ähnlich aus. Die Türme modernen Kampfpanzer sehen von außen unglaublich groß aus, weil zahlreiche Module über der eigentlichen Panzerung angebracht sind. Diese Module und die Sensoren des Panzers sind gegen Splitter geschützt, erreichen aber keineswegs das Schutzniveau der Frontpanzerung – darum können Artillerietreffer in der Nähe einen Kampfpanzer nach wie vor kampfunfähig machen.
Kein Krieg der Panzerduelle
Der Einsatz zeigte auch, dass das Gerede von der generellen Überlegenheit der westlichen Kampfpanzer gegenüber den russischen T-Modellen vielleicht nicht falsch ist, aber an der Sache vorbeigeht. Wie in einem Quartett werden dann auch von Experten die Leistungsdaten der Kampfpanzer verglichen. Wobei man über das Manko der Westpanzer, das Gewicht, gern hinweg geht. So etwas spielt aber nur im Duell eine Rolle, wenn Panzer im beweglichen Gefecht auf gegnerische Panzer im freien Feld treffen. Im Krieg in der Ukraine ist das bislang die Ausnahme und wird es auch blieben.
Die jeweiligen Verteidiger nutzen vorbereitete Stellungen und exponieren ihre Kampfpanzer ungern. Vor allem versuchen sie, den Gegner auszuschalten, ohne dass es zu einem Gefecht mit direktem Feuer kommt. Minen, Drohnen und Artillerie sind die Panzerkiller in der Ukraine. Auch das ist nicht neu. Im Kessel von Falaise am Ende der Normandie-Schlacht wurden die meisten deutschen Panzer von der alliierten Artillerie, dann von Flugzeugen und erst zuletzt von Kettenfahrzeugen ausgeschaltet.
Die Kampfgruppe mit den Leopard 2 kam nicht einmal in die Nähe des Gegners. Das ist nicht immer so, den Ukrainern ist es in den letzten Tagen andernorts durchaus gelungen, die Russen zurückzudrängen. Doch bislang bewährt sich ihr Stellungssystem. Alle Angriffe der Ukraine dringen nur in die erste, leichteste Schicht eines Systems ein, das zwischen 15 und 40 Kilometer tief angelegt ist.
Einschätzung
Der Verlust der Kampfgruppe ist eine Niederlage Kiews und ein russischer Triumph – militärisch und in der Propaganda-Wirkung. Sollten sich so "einfache" Abschüsse von Westpanzern wiederholen, dürfte das die Moral der Russen fördern und die Stimmung der Ukrainer drücken. Dieser Einsatz und andere Angriffe zeigen, dass Kiew die Rezepte ändern sollte, wenn die große Offensive Erfolg haben soll. Es wird nicht ausreichen, auf die gleiche Weise fortzufahren und nur stärkere Verbände einzusetzen. In mehreren Punkten muss Kiew zuvor die Oberhand behalten. Die russischen Drohnen müssen über dem Gefechtsfeld verschwinden. Dazu muss die Ukraine die elektronische Kampfführung über der Front dominieren. Ebenso muss die russische Artillerie niedergehalten beziehungsweise ausgeschaltet werden. Das beste Mittel dazu wäre es, den russischen Nachschub abzuschneiden, denn ohne Unmengen an Munition verliert Putins Festungssystem seinen Wert.