Krieg in der Ukraine Erster Durchbruch an der Front – Kiew befreit Dörfer und wirft die Russen aus ihren Stellungen

Ukraine
Ukranische Soldaten befreien die ersten Ortschaften
© Ukrainische Streitkräfte / Commons
Eine Woche lang stürmten Kiews Soldaten gegen die russischen Stellungen – mit geringen Erfolgen. Doch nun mussten die Russen einen wichtigen Frontvorsprung aufgeben und sich zurückziehen.

Eine Woche nach dem Start der offensiven Bodenoperationen gelangen den ukrainischen Streitkräften die ersten Siege. Sie haben die Russen aus einigen Dörfern herausgeworfen und so die ersten Befestigungen im russischen Verteidigungssystem genommen.

Hier handelt es sich nicht um einen schnellen Überfall, bei dem ein paar Häuschen im Niemandsland besetzt werden und die Aktion dann als "Sieg" verkauft wird. Die Dörfer wurden von den Russen in der letzten Woche zäh verteidigt und nun wurden sie aufgegeben. Ganz in der Nähe kam es zu den desaströsen Vorfällen der letzten Woche. Da gelang es den Russen, mehrere Angriffskolonnen der Ukraine zusammenzuschießen. Bis heute tauchen neue Videos auf, teilweise auch mit vorher nicht bekannten Verlusten – etwa von einem Bergepanzer und Minenräumpanzern auf Basis des Leopards.

Mehrere Tage lang Angriffe

In der letzten Woche griffen die Ukrainer mehrmals aus dem Raum Welyka Nowosilka in drei Achsen an (Schreibweise nach Google Maps). Die Russen konnten die Angriffe auf die Ortschaften stets zurückweisen. Doch Kiews Truppen setzten sich in dem offenen Gelände zwischen Novodonets'ke und der Linie zwischen dem ukrainisch gehaltenen Welyka Nowosilka und dem russischen Befestigungspunkt Staromlyniwka durch.

Zwischen den Orten fließt ein kleiner Fluss, entlang des Flusslaufs befindet sich eine ganze Kette von Siedlungen. Die Orte am Fluss liegen in einem Talgrund und werden von einem Höhenzug im Westen beherrscht.

Die Höhen sind entscheidender als die kleinen Siedlungen. Nach den bisherigen Informationen konnten die ukrainischen Truppen aus dem offenen Gelände heraus angreifen und mussten die russischen Stellungen daher nicht frontal angreifen, sondern konnten sie in der Flanke bedrohen. In dieser Situation lösten sich die Russen aus den Dörfern, um einer Einkesselung zu umgehen. Die eigentliche Befreiung der Dörfer soll fast kampflos geschehen sein.

Erfolg nach einer Woche 

Unklar ist, wieso den Ukrainern ein Angriff über das offene Gelände gelungen ist, wo sie daran bisher gescheitert sind. Es wird angenommen, dass sie Nachtangriffe durchgeführt haben, weil sie besser mit Nachtsichtgeräten ausgerüstet sind als ihre Gegner. Auch hat das diesige Wetter eine Rolle gespielt, weil es den Einsatz der russischen Drohnen und Hubschraubern erschwert hat. Ebenso ist es denkbar, dass es den Ukrainern nach einer Woche Kämpfe gelungen ist, die Drohnen des Gegners elektronisch zu stören. Die Ukraine wird zudem frische Truppen zugeführt haben, während die russischen Verteidiger durch die Kämpfe der Tage zuvor geschwächt worden sind.

In der vorhergehenden Woche ist es den Russen meist gelungen, die zeitweisen Eroberungen der Ukraine innerhalb von 24 Stunden im Gegenstoß zu bereinigen. Das ist hier nicht geschehen, insofern kann man zu Recht sagen, dass die Gegend unter ukrainischer Kontrolle steht und befreit wurde. Das ist allerdings keine Gewähr, dass die Zone nicht wieder verloren gehen kann. Derzeit rücken die ukrainischen Truppen weiter vor und können dabei sogar Kampfhubschrauber einsetzen.

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Dringend notwendiger Erfolg

Die Geländegewinne sind psychologisch wichtiger als die eigentlichen Siedlungen. Damit haben die ukrainischen Streitkräfte einen Erfolg vorzuweisen. Sonst hätten sie eingestehen müssen, dass eine opferreiche Woche zu nichts geführt hat. Die Russen werden nun versuchen Staromlyniwka zu halten, und die Ukrainer werden beginnen, die russische Front auf diese Linie zurückzudrängen und sie vom Höhenzug entlang des Flusses zu vertreiben. Auf lange Sicht werden die neu aufgestellten Brigaden der Ukraine in Masse in die Kämpfe eingreifen, um dann tiefer in das russische Festungssystem einzudringen.

Reste einer ukrainischen Angriffsgruppe. Im Vordergrund sind zerstörte Minenräumer zu sehen.
Reste einer ukrainischen Angriffsgruppe. Im Vordergrund sind zerstörte Minenräumer zu sehen.

Realismus ist notwendig

Die vergangene Woche hat gezeigt, dass dies nicht einfach sein wird. Zwar sind auch der Ukraine Erfolge gelungen. So wurden zwei der mächtigen TOS1a Flammenwerfer zerstört (Thermobarischer Raketenwerfer – Putin baut neue Generation der Höllenkanone) und eine ganze russische Artilleriekolonne zusammengeschossen, doch einen einfachen Durchmarsch gab es nicht. Für diese Enttäuschung ist weniger die Performance der ukrainischen Armee verantwortlich, sondern eine übertriebene Erwartungshaltung, die westliche Experten geschürt haben. Es hat sich gezeigt, dass West-Panzer wie der Leopard 2 eben doch keine unverwundbaren Wunderwaffen sind (Leopard 2 abgeschossen – so schnell endet der Traum der Wunderwaffen). 

Zeitweise wurde sich über die russischen Sperranlagen lustig gemacht, nun zeigt sich, dass die russischen Pioniere eben doch ihr Handwerk verstehen und sehr wohl Fallen für Räumpanzer einrichten können. Auf den wenigen Videos von Infanteriekämpfen kann man sehen, dass beide Seiten mit Erbitterung und bis zum letzten Moment kämpfen und die Russen keineswegs kampflos fliehen. Die Liste lässt sich endlos fortführen. Es wäre wichtig, realistische Erwartungen an die kommende Großoffensive anzulegen.