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Krieg in der Ukraine Leopard 2 und Marder – was deutsche Panzer in der Ukraine bewirken können

Leopard 2 beim Übungsplatz Munster.
Leopard 2 beim Übungsplatz Munster.
© Gregor Fischer/ / Picture Alliance
Die ersten Kampf- und Schützenpanzer aus Deutschland sind in der Ukraine angekommen. Siegen können sie nur, wenn Kiew den Luftraum über dem Schlachtfeld freiräumt.

Endlich sind sie da. Deutsche Leopard 2 Kampfpanzer und Schützenpanzer vom Typ Marder wurden der Ukraine übergeben. Und nicht nur die Fahrzeuge, das Paket soll auch eine Ausstattung an Ersatzteilen und Munition enthalten. Plus ausgebildete Mannschaften.

Es hat lange gedauert. Genau genommen hat das Warten Kiews auf eine Zusage Berlins lange gedauert, danach ging es so schnell wie möglich. Dahinter steht ein Umschwung in der Berliner Linie und die Person des Verteidigungsministers Boris Pistorius. Wenn Kiew sich bei jemandem bedanken will, wäre der Verteidigungsminister die richtige Adresse.

Was aber können diese Fahrzeuge bewirken? Die Antwort besteht aus zwei Teilen. Zuerst wird es um den eher technischen Kampfwert der Fahrzeuge gehen. dann um das größere Bild der Lage in der Ukraine.

Marder und Leopard 2 sind den Gefahren gewachsen

Beide Kampfwagen wurden hier bereits ausführlicher vorgestellt. Der Leopard 2 gehört zu den unwidersprochen besten Kampfpanzern der Welt. Gegenüber den beiden anderen westlichen Modellen – Challenger 2 und Abrams M1 – ist er das Leichtgewicht. Obwohl er auch eher zu schwer als zu leicht ist, hat der Leopard 2 ein besseres Verhältnis von PS zu Gewicht und ist immer noch sehr beweglich. Wie er mit den besonderen Bedingungen der Schlammperioden in der Ukraine zurechtkommt, muss sich zeigen. Teilweise ist der Untergrund so aufgeweicht, dass gar keine Militärfahrzeuge abseits befestigter Wege fahren können. In diese Extremlagen wird der Leopard 2 passen müssen. Grundsätzlich sind die T-Modelle allesamt leichter.

Der T-72 bringt etwa 20 Tonnen weniger auf die Waage als der Leopard 2. Er hat ein geringeres Schutzniveau, ist aber schon was die Tragfähigkeit von  Brücken angeht, beweglicher.

Das Überleben der Besatzung  

Die Hauptwaffe des Leopard 2, die 120 Millimeter Glattrohrkanone, ist jedem Gegner auf dem Schlachtfeld gewachsen. Allein die Frontpanzerung der modernen T90 kann ihr Schwierigkeiten bereiten. Zu den weniger bekannten Vorzügen des Leopard 2 gehört der große Neigungswinkel der Kanone. Der Leopard kann stärker nach oben und nach unten zielen als andere Panzer. Das ist in gedeckten Stellungen wichtig und es hilft, Unebenheiten des Untergrundes auszugleichen.

Dazu kann der Leopard 2 ganz gut im Rückwärtsgang fahren. Das hört sich marginal an, ist es aber nicht. Es unterscheidet ihn vom russischen Standardpanzer T-72, dessen Sicht nach hinten stark begrenzt ist und der im Rückwärtsmodus kaum über die Marschgeschwindigkeit eines Fußgängers hinauskommt. Der Leopard 2 wurde so konstruiert, dass er im Wirkungsbereich des Gegners verlegen kann, ohne wenden zu müssen und dem Feind so die schwächer gepanzerte Seite oder Rückansicht zeigen zu müssen. Der Leopard kann zurückweichen und dabei dem Gegner die Stirn zeigen. Bei Kämpfen im urbanen Gelände, an sich schon ungünstig für Kampfpanzer, kommt hinzu, dass die Ungetüme teilweise keinen Raum zum Wenden finden und so auf den Rückwärtsgang angewiesen sind.

Der Leopard 2 lässt sich auch unter Feldbedingungen schnell reparieren. Ob das in der Ukraine zum Tragen kommt, ist fraglich. Gut möglich, dass defekte Panzer ins Ausland gebracht und dort von Personal aus Nato-Staaten instand gesetzt werden.

Dann kommt dem Schutz der Besatzung eine weit höhere Priorität zu, als in den T-Modelle der Russen. Bis zum T-14 Armata war das Überleben der Mannschaft für Moskau zweitrangig. Beim Leopard 2 wurde dagegen der Minenschutz in den neueren Modellen immer weiter verbessert. Dazu kommen ausgekügelte Schotts und "Sollbruchstellen" für die Munitionskammern. So soll erreicht werden, das im Falle einer internen Explosion, die Wucht vom Kampfraum der Besatzung abgelenkt wird. Eine hundertprozentige Garantie bieten solche Features nicht, doch im Leopard 2 – wie auch in den beiden anderen Westpanzern – hat die Besatzung auch nach einem schweren Treffer eine höhere Überlebenschance, auch wenn der Panzer verloren geht. Neben dem humanen Gewinn ist das auch ein militärischer Wert. Eine ausgebildete Besatzung geht eben nicht verloren und kann in einem anderen Panzer weiterkämpfen.

Ein älteres Semester

Der Schützenpanzer Marder hingegen ist nicht mehr "Top of the Game" und fällt hinter den neueren Modellen zurück. Im Vergleich zu anderen in der Ukraine eingesetzten Modellen von Schützenpanzern und gepanzerten Truppentransportern muss er sich gewiss nicht verstecken. Seine 20-mm-Maschinenkanone MK 20 RH 202 bietet eine erhebliche Feuerkraft zur Unterstützung der Infanterie. Wird der Infanterietrupp mit Anti-Panzer-Lenkwaffen ausgestattet, kann sich die Marder-Gruppe auch gegen Kampfpanzer wehren. Als Vergleich bieten sich Fahrzeuge wie der sowjetische BMP-2 an. Der ist allerdings weniger geschützt, dafür stärker bewaffnet und deutlich leichter.

Die Zahl entscheidet über die Rolle 

Wunder sollte man sich allerdings von beiden Typen nicht erwarten, das liegt an ihrer geringen Zahl und den Besonderheiten der Kriegsführung in der Ukraine.  Aus Deutschland sind bislang nur 18 Leopard 2 gekommen, 40 sind zugesagt – insgesamt werden es allerdings weit mehr westliche Kampfpanzer. Nur sollte man dabei die Frontline von über 1000 Kilometer nicht vergessen. Gerade in Deutschland hat der (Irr-)Glaube an kleine, quasi unverwundbare Panzergruppen eine Tradition, seitdem die Nazis den schweren Panzer vom Typ Tiger I die besten Mannschaften zuteilten und sie in eigenen Einheiten, den schweren Panzerabteilungen organisierten. Tatsächlich konnten diese Abteilungen keine Wunder vollbringen und wegen ihrer geringen Anzahl die zusammenbrechenden Fronten des Dritten Reichs nur zeitweise und lokal stabilisieren. Es zeigte sich, dass der "unbesiegbare" Tiger I eben doch zerstört werden konnte.

Die Rolle, die der Leopard im Verbund mit anderen westlichen Kampfpanzern spielen kann, hängt davon ab, wie schnell und in welcher Anzahl diese Panzer in der Ukraine eintreffen. Sollte Kiew eine operative Reserve von 200 bis 300 Kampfpanzern und entsprechende Mengen an Schützenpanzern und Artillerie bilden können, kann es zu einer großen raumgreifenden Offensive kommen, die den Krieg nicht beenden, ihm aber eine klare Richtung geben wird. Sollten sich die Lieferungen verzögern, und die Neuzugänge nur die Verluste an der Front ausgleichen, dann verdampft der Support, ohne dass Kiew einen eigenen Schwerpunkt bilden kann.

Schwere Bedingungen für Kampfpanzer 

Entwickelt wurde der Leopard 2 für den Fall, dass der Kalte Krieg ein heißer Krieg wird. Man rechnete mit dem Zusammenprall großer Panzerarmeen, wobei die Nato-Panzer die Rolle des Verteidigers übernehmen sollten. Sie wurde für die schwierigsten aller Kämpfe, ein zurückweichendes Bewegungsgefecht entworfen. Im Dienst der Ukraine müsste der Leopard 2 hingegen vor allem offensiv tätig werden. Das Schlachtfeld in der Ukraine hat sich bislang als ungünstig für Kampfpanzer erwiesen, diesen Rahmenbedingungen wird sich auch der Leopard 2 nicht entziehen können. Nur einige Punkte: Die Allgegenwart von Drohnen machte es unmöglich, gepanzerte Truppen unbemerkt für einen Vorstoß bereitzustellen. Sie müssen damit rechnen, entdeckt und schon aus der Ferne bekämpft zu werden. Das gleiche gilt für liegengebliebene und beschädigte Panzer. Mit abgeworfenen Handgranaten wird man keinen Leopard 2 zerstören, mit dem Treffer einer Kamikazedrohne schon. Panzerabwehrraketen haben sich bisher als tödlich erwiesen. In dem unübersichtlichen Schlachtfeld muss jeder Panzer damit rechnen, dass seine weniger geschützten Seiten oder das Heck unter Feuer genommen werden.

Überraschend wird eine Offensive kaum sein, Kampfpanzer müssen daher mit Minengürteln rechnen.

Der Krieg der Drohnen 

Der Einsatz von Kampfpanzern wird zu Verlusten führen. Die Himars-Werfer agieren weit hinter der Front, werden sie nach einer Salve schnell verlegt, haben sie eine gute Chance, einem russischen Gegenfeuer zu entkommen. Ein Kampfpanzer hingegen muss nahe an den Gegner, um ihn bekämpfen zu können. So geraten Panzer in den Wirkungsbereich der gegnerischen Waffen. Hinzu kommt, dass die Reichweite von Artillerie, Drohnen und Anti-Panzer-Lenkwaffen größer ist als die einer Kampfwagenkanone.

Doch trotz aller Gefahren: nur mit gepanzerten Truppen wird Kiew Putin wieder Boden abnehmen können. Über Verluste, Sieg oder Niederlage wird dabei nicht die technische Güte der Kampfpanzer entscheiden. Sie werden sich erst entfalten können, wenn es den ukrainischen Streitkräften gelingt, über dem Schlachtfeld die Luftherrschaft zu gewinnen. Dazu müsste Kiews Drohnen die russischen Bodentruppen beobachten und niederhalten. Die Luftabwehr die russischen Drohnen bekämpfen und Putins Luftwaffe hindern Unterstützungseinsätze zu fliegen. Vor der Panzeroffensive kommt der Kampf der Drohnen.

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