Die Ukraine hat drei Typen schwerer Kampfpanzer aus dem Westen erhalten. Den Leopard 2 (in verschiedenen Varianten), den Challenger 2 aus Großbritannien und den Abrams M1 aus den USA. Der Leopard 2 ist seit der Sommeroffensive in Kämpfen engagiert. Der Challenger 2 trat kaum in Erscheinung und der Abrams zunächst gar nicht. In der Endphase der Kämpfe um Awdijiwka allerdings wurde der schwere Panzer nahe der Front gesehen.
Nun tritt die 47th Mechanized Brigade, die diesen Panzer erhalten hat, den Russen im Kampf entgegen. Dabei wurde der erste US-Panzer zerstört, schon zuvor wurde ein Räumpanzer auf Abrams-Fahrgestell verloren. An und für sich ist der Verlust nicht verwunderlich, aber der ruhmlose Untergang des gewaltigen Militärgeräts schockiert dann doch.
Selbstmord-Mission
Der Ruhm der Panzerwaffe zehrt von heroischen Situationen aus dem Zweiten Weltkrieg. Von Duellen, kühnen Durchbrüchen und Panzerschlachten, bei denen buchstäblich die Erde bebte. Der Abrams jedoch wurde von Billigdrohnen zur Strecke gebracht. Eine Beobachtungsdrohne erspähte den Panzer östlich der von den Russen eroberten Ortschaft Stepove, vor dem von den Ukrainern gehaltenen Berdychi. Von dort aus rollte er vermutlich zu einer Feuerposition. Schon dieser Einsatz war gewagt, um nicht zu sagen selbstmörderisch. Am Vormittag hatten die Russen an der gleichen Stelle bereits einen Schützenpanzer vom Typ Bradley abgeschossen. (Die Schreibweisen folgen Google Maps).
Panzer komplett zerstört
Ein späteres Video zeigt den brennenden Abrams auf den Feldern nordwestlich von Berdychi. Der eigentliche Abschuss ist bislang nicht dokumentiert. Russische Blogger geben den Ablauf so an: Zuerst sei der Panzer von Drohnen immobilisiert und dann durch eine mächtigere Drohne zerstört worden. In dem Video brennt der Tank lichterloh, spätere Screenshots zeigen das ausgebrannte Wrack. Die Russen haben ein Bild des Drohnenpiloten veröffentlicht. Er soll in der 15. Garde Schützenbrigade "Alexandria" dienen. Um Spekulationen vorzubeugen: Sein Patch zeigt nicht das NS-Symbol "Schwarze Sonne", sondern ein slawisches Sonnenrad, Kolovrat. Der Regisseur und Schauspieler Ivan Okhlobystin hatte versprochen, die Soldaten für den ersten Abschuss eines Abrams zu belohnen. Er erklärte, dass er die versprochenen zehn Millionen Rubel – etwa 100.000 Euro – auszahlen werde.
Kein Video vom Einschlag
Die Besatzung konnte vermutlich überleben. Stimmt der Ablauf, werden sie ausgebootet haben, nachdem ihr Panzer bewegungsunfähig wurde. Beim zweiten Treffer wird die Besatzung nicht mehr an Bord gewesen sein. Das Wrack zeigt, dass die Blow-out-Luken des Panzers geöffnet sind. Wenn die Besatzung flüchten konnte, muss sie die Ausstiegsluken wieder geschlossen haben. Derartige Luken dienen dem Schutz der Besatzung. Moderne Westpanzer sind darauf ausgelegt, dass Feuer, Rauch und Explosionsdruck gelenkt verteilt werden, um der Besatzung ein Entkommen zu ermöglichen. Der eigentliche Treffer ist bisher nicht dokumentiert, es ist auch denkbar, dass der Panzer mit nur einem Drohnenangriff zerstört wurde.
Im Ukraine-Krieg ist das allerdings häufig nicht nötig. Minen, leichte Drohnen und Artillerietreffer machen die meisten Panzer hilflos und bewegungsunfähig, führen aber nicht zur Zerstörung. Dann verlässt die Besatzung ihren Tank, und der spätere tödliche Treffer trifft ein unbemanntes Gerät. Die ersten Leopard 2 wurden von Minen und Artillerie ausgeschaltet. Der Abschuss eines Challenger 2 Tanks bei Robotyne geschah so. Zuerst blieb der Panzer liegen, weil er auf eine Mine gefahren war. Später wurde er von einer Korsun-Panzerabwehrrakete zerstört. Sein Turm flog zwar nicht spektakulär in die Luft, aber der Explosionsdruck presste ihn doch hoch und versetze ihn einige Zentimeter. Wäre noch jemand an Bord gewesen, wäre er unweigerlich gestorben. Bei einem Durchschlagstreffer einer schweren Waffe helfen auch die besten Schutzmechanismen nur bedingt.
Die Drohne zwingt die Art des Gefechtes auf
Kommentatoren weisen darauf hin, dass die USA die gelieferten Geräte vermutlich nicht mit der besten Frontpanzerung ausgerüstet haben. Das Argument geht an dem Kern des Problems vorbei. Die Drohne zwingt dem Panzer das Gefecht auf, das er vermeiden will. Der Kommandant eines Kampfpanzers will dem Gegner nie die Seite und schon gar nicht die Rückseite zeigen, sondern stets die stark gepanzerte Front. Dabei will er Bodendeckung ausnutzen, sodass der Gegner nur den oberen Teil des Panzers anvisieren kann und möglichst nicht die verwundbaren Ketten und das Fahrwerk. In früheren Kriegen gelang es im Einzelfall Infanteristen immer wieder, Panzer zu "überlisten". Sie blieben in Trümmern zurück, um den Feindpanzer mit einer Bazooka an der Seite zu fassen. Sie ließen sich in einem Loch überrollen, um eine Mine oder eine geballte Ladung am Motor oder an den Ketten anzubringen. Das erforderte stets großen Mut und war kaum möglich, wenn Infanterie die gegnerischen Panzer begleitete.
Rund-um-Schutz nötig
Drohnen suchen sich die Soft-Spots der Panzer gezielt aus. Haben sie ein Opfer erspäht, können sie aus jedem beliebigen Winkel attackieren und sie werden die massive Frontpanzerung stets auslassen. Je nach Ladung und Gefährlichkeit der Drohne und dem Schutzniveau des Ziels suchen sie den Angriffspunkt. Dabei arbeiten sie so exakt, dass sie selbst den kleinen Fleck der Zieloptik am Turm anvisieren und treffen können. Im Falle eines schweren Kampfpanzers werden leichte Drohnen stets probieren, zunächst Ketten und Fahrwerk zu beschädigen. Anstatt eines Frontschutzes benötigt ein Panzer heute einen Rundum- und Oben-Schutz. Das "Dach" der herkömmlichen Kampfpanzer ist kaum geschützt. Nachträglicher Schutz ist vor allem für die übergewichtigen Panzer des Westens ein Problem. Abrams, Leopard 2 und Challenger 2 wurden durch die Modernisierungen im Laufe ihres langen Lebens immer schwerer, sie können nicht mehr viel Gewicht aufnehmen. Die neu zugeführten Modelle der Russen haben hier mehr Luft nach oben. Sie pflastern ihre Dachkäfige inzwischen mit Reaktivpanzerung.