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Britischer Report Ukraine soll 10.000 Drohnen im Monat verlieren – was das bedeuten würde

Ein ukrainischer Kämpfer startet eine Aufklärungsdrohne.
Ein ukrainischer Kämpfer startet eine Aufklärungsdrohne.
© Wolfgang Schwan / Picture Alliance
Im Ukraine-Krieg werden erstmals große Mengen an Drohnen eingesetzt und dabei gehen enorme Mengen verloren, so ein Report des Militär-Thinktank RUSI. Das größte Problem für den Westen ist die Herkunft der Drohnen.

Der britische Militär-Thinktank RUSI behauptet in einem aktuellen Report, dass die Ukraine jeden Monat etwa 10.000 Drohnen verliere. Die Studie "Meatgrinder: Russian Tactics in the Second Year of Its Invasion of Ukraine" geht auf verschiedene Aspekte der Kriegsführung ein. Sie korrigiert das Bild, dass die russischen Streitkräfte unfähig zur modernen Kriegsführung sind, und konzentriert sich auf ihre Stärken. Dazu gehört die elektronische Kriegsführung über dem Gefechtsfeld.

Stärken in der elektronischen Kampfführung

"Die elektronische Kriegsführung ist nach wie vor eine entscheidende Komponente der russischen Kampfweise. Während es 2022 im Donbass eine extrem hohe Dichte an EW (Electronic Warfare)-Systemen gab, setzen die AFRF (Armed Forces Russian Federation) jetzt etwa ein größeres EW-System pro 10 km Frontlinie ein, das sich in der Regel etwa 7 km von der Frontlinie entfernt befindet... Diese Plattformen zielen in der Regel darauf ab, UAVs [Uncrewed Air Vehicles - Drohnen] zu stören und zu vernichten ... Das russische Militär setzt auch weiterhin in großem Umfang Navigationsstörungen im Kampfgebiet als eine Form des elektronischen Schutzes ein. Dies trägt zu einer ukrainischen Verlustrate an UAVs von etwa 10.000 pro Monat bei."

Die ungeheure Zahl von 10.000 Drohnen schlug große Wellen. Sie ist eine Schätzung und basiert auf drei anonymen Quellen. Die Zahl ist nicht gesichert, aber auch nicht unwahrscheinlich. Denn es handelt sich nicht um große und teure Kampfdrohnen wie die türkische TB2, sondern in der Masse um kleine, kommerzielle Quadcopter. Einer der Autoren, Dr. Jack Watling, erläuterte die Zahl auf Twitter und erinnerte daran, dass die Frontlinie 1200 Kilometer lang ist und inzwischen jeder Zug der ukrainischen Armee mit Drohnen operiert. Diese werden auch an den "ruhigen" Abschnitten ohne große Bodenkämpfe eingesetzt. "Wie zuversichtlich bin ich bei der Zahl 10.000 pro Monat? Als genaue Zahl bin ich es nicht. Die tatsächliche Gesamtzahl schwankt von Monat zu Monat und von Tag zu Tag und wird nicht genau verfolgt. Aber der Verbrauch ist definitiv sehr hoch. Wenn die Zahl also nicht genau ist - jede gerundete Zahl ist verdächtig - warum sollte man sie dann überhaupt verwenden? Weil es die Zahl ist, die wir vom ukrainischen Generalstab erhalten haben, und zwar von der Stelle, die über die besten Daten verfügt."

Das bedeutet, dass die Dimension vermutlich korrekt ist. Drohnen sind ein Verbrauchsmaterial im modernen Krieg, so wie Munition. Ein kommerzieller Quadcopter kostet etwa 1000 Dollar. Finanziell gesehen ist der "Verbrauch" tragbar. Im Vergleich zu militärischen Großsystemen sind diese Drohnen sehr billig. 10.000 Drohnen entsprechen 10 Millionen Dollar. Oder zwei Kampfpanzern – bei deren Verlust käme der Tod der Mannschaft noch hinzu. Man könnte auch rechnen: Die Drohnenverluste über drei bis vier Monate entsprechen den Kosten nur eines Kampfflugzeuges.

Leicht zu haben und leicht zu verlieren

Kommerzielle Drohnen besitzen keine geschützte Elektronik oder Kommunikation, insofern können sie leicht gestört werden. Watling: "Ungeschützte Drohnen sind Wegwerfwerkzeuge wie Munition und werden sehr schnell verbraucht. Man braucht sie in seiner Truppe, und sie müssen billig sein." Nicht jede Störung führt zu einem Verlust. Mit Abbruch der Steuerung versuchen sie an den Startpunkt zurückzukehren, bei Störungen der Satellitenkommunikation landen sie und können dann geborgen werden – von den eigenen Leuten oder vom Gegner.

Im westlichen Militär erfordert diese Form des Einsatzes ein Umdenken. Gerade die Bundeswehr ist dafür bekannt, "Goldrand-Lösungen" mit so speziellen Anforderungen zu verlangen, dass diese Ausrüstung nicht am Markt beschafft werden kann, sondern eigens entwickelt werden muss, um dann in kleinen Stückzahlen gebaut zu werden. Die Ukraine hingegen greift auf den allgemeinen Markt zurück, anders ließen sich diese Mengen auch gar nicht beschaffen.

Produziert in China 

Aber auch hier gibt es ein Problem. Diese kleinen Drohnen sind entscheidend für die Kriegsführung am Boden, doch produziert werden sie in China. Die Ukraine nutzt hauptsächlich Systeme von DJI, dem Weltmarktführer von Drohnen. DJI sitzt in Shenzhen und wird von den USA mit Sanktionen überzogen. Die chinesische Regierung kontrolliert den Handel mit militärischen Drohnen strikt und behauptet, sie weder an Russland noch an die Ukraine zu liefern. Das gilt allerdings nicht für zivile Drohnen, die erst vom Kunden militärisch aufgerüstet werden. Hier steht der Westen vor einem Dilemma. Nur für militärische Zwecke wird man keine Produktion errichten können, die dem Volumen von DJI entspricht. Eine zivile Produktion im Westen müsste den chinesischen Firmen die entsprechenden Anteile am Weltmarkt abnehmen.

Quelle: RUSI, Jack Watling Twitter

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