Liebe Frau Peirano,
ich bin 32 und seit zwei Jahren Single. Ich möchte in absehbarer Zeit einen Mann finden und auch eine Familie haben.
Die Partnersuche gestaltet sich sehr schwierig, auch wegen Corona. Bei meiner Arbeit gibt es Frauen oder Männer, die deutlich älter oder vergeben sind. Ich weiß also gar nicht genau, wo ich überhaupt suchen soll.
Ich möchte also online suchen, wovor ich mich bisher gescheut habe. Was halten Sie denn von den einzelnen Dating-Plattformen (Tinder/ Elitepartner usw.)? Wo lohnt es sich, zu suchen?
Viele Grüße,
Lea V.
Liebe Lea V.,
ich habe schon viele Frauen bei der Partnersuche begleitet, und ich kann Ihnen gerne etwas von meinen gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen weiter geben.
Als erstes ist es sehr wichtig, sich genau zu überlegen, was für einen Partner Sie suchen. Gehen Sie doch einmal alle Männer im erweiterten Freundeskreis/ in der Familie / unter den Kollegen/ unter Bekannten / aus dem Fernsehen und aus Serien durch und analysieren Sie die Männer mal etwas genauer. Es geht nicht darum, dass Sie dabei schon Ihren Idealpartner finden sollen, nur anhand z.B. Ihres Cousins einmal herausfinden, welche Eigenschaften ein Mann haben sollte, der zu Ihnen passt. Und ebenso, was für Sie absolut indiskutabel wäre.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Ein Tipp: Schauen Sie nicht so sehr auf das Äußere, sondern auf die inneren Werte.
Und beleuchten Sie gerne auch einmal die Partnerinnen dieser Männer. Wer hat eine zufriedene und glückliche Partnerin, wer nicht? Was glauben Sie , auf welche Eigenschaften der Männer das zurückzuführen ist?
Wenn Sie die Eigenschaften aufgelistet haben, überlegen sie sich doch am Besten, in welchem beruflichen Umfeld oder bei welcher Freizeitaktivität der Typ Mann, den Sie suchen, zu finden ist.
Zum Beispiel: ein naturverbundener Sportler vielleicht beim Joggen im Wald/ bei Wanderungen
Ein ausdauernder Denker und Problemlöser ist vielleicht unter Ingenieuren zu finden.
Ein kreativer Mann ist vielleicht Fotograf (Amateur oder Profi) oder beim Kochen ambitioniert.
Und so weiter.
Ich würde Ihnen eine hybride Partnersuch-Strategie empfehlen, also Online-Suche und Suche in bestimmten Nischen des Alltags parallel. Das entspannt. Denn im Alltag finden Sie wahrscheinlich eher Männer, die in der Nähe wohnen oder mit denen Sie irgendwelche Berührungspunkte haben (z.B. das gleiche Lieblingscafé). Der Nachteil ist, dass man Männern nicht ansieht, ob sie Single sind und auf der Partnersuche ist, und das ständige Suchen und Augen-Offen-Halten kann sehr anstrengend werden.
Die Online-Partnersuche können sie zusätzlich nutzen, um auch abends und am Wochenende gezielt in Kontakt mit Männern zu kommen, die eine Partnerin suchen (oder das zumindest vorgeben).
Ich würde Ihnen dann empfehlen, sich einen ersten Überblick über die verschiedenen Online-Dating-Portale zu verschaffen und sich die Vor- und Nachteile anzuschauen. Tinder zum Beispiel hat den Vorteil, schnell und unkompliziert zu sein. Foto hochladen, drei Fragen beantworten, und los geht es. Man kann theoretisch schon am gleichen Abend ein Date und Sex haben.
Aus meiner Erfahrung liegt hier aber auch ein Nachteil. Viele Menschen melden sich bei Tinder an, weil sie gerade in dem Moment so ein bisschen auf der Suche sind (z.B. sich gerade langweilen, einsam fühlen oder Streit mit der/dem Partnerin*in haben). Ernsthafte Partnersuche muss das aber nicht unbedingt sein.
Ein Resümee: In meiner Praxis (das kann woanders anders aussehen) hat sich keine auch nur annähernd ernsthafte oder dauerhafte Beziehung aus einem Tinder-Date entwickelt. Dafür wurden viele Frauen respektlos behandelt, haben Ghosting erlebt, haben die Erfahrung gemacht, sexuell bedrängt zu werden. Bitte denken Sie auch daran, dass kein Personalausweis hinterlegt werden muss, so dass man auch an Fake-Profile geraten kann und nicht weiß, mit wem man es zu tun hat.
Es gibt Portale, bei denen man eine monatliche Gebühr bezahlen muss, um Mitglied zu sein (z.B. Parship oder Elitepartner). Das ist natürlich erst einmal eine Investition und kann auch schwer vorzeitig gekündigt werden, aber kann auch als Anzeichen für seriösere Interessen und mehr Aufwand bei der Partnersuche gesehen werden. Bei beiden genannten Portalen legt der/die Suchende ein Profil an und beantwortet einen Persönlichkeitstest, mit dem ermittelt werden soll, zu wem man passt. Anhand der Übereinstimmungen werden einem Vorschläge gemacht.
Ich habe in den letzten Jahren einige Patienten und Patientinnen begleitet, die eine dauerhafte Beziehung etwa über Parship gefunden haben. Jedoch muss ich auch sagen, dass einige Suchen erfolglos blieben – und diese Personen dann entsprechend das Geld in den Sand gesetzt hatten.
Dann gibt es noch diverse Portale, bei die Ausrichtung lokal ist (z.B. "verliebt im Norden" bezieht sich auf Norddeutschland) oder bestimmte Interessengruppen zusammen bringen soll oder z.B. "moms-dads-kids" als Plattform für getrennte Väter und Mütter).
Schauen Sie sich am besten gründlich um und achten Sie darauf, was Ihnen sympathisch ist. Denn an einem (virtuellen oder realen) Ort, der zu Ihnen passt, werden Sie mit höherer Wahrscheinlichkeit auf einen Partner treffen, der die gleiche Wellenlänge hat.
In Bezug auf Online-Dating muss man sich allerdings der Gefahren bewusst sein: In meiner Praxis habe ich von mehreren Frauen glaubhafte und auf eigenem Erleben beruhende Vergewaltigungsszenarien gehört, die im Rahmen des Online-Dating passiert sind. Öfters haben Frauen sich auch zum Sex gedrängt gefühlt.
Es ist wichtig, diese Gefahr im Hinterkopf zu haben und sich bei den ersten Treffen möglichst an öffentlichen Plätzen wie Cafés zu treffen. Bei Plattformen, in denen die Daten der Teilnehmer nicht hinterlegt sind, ist besondere Vorsicht geboten. Erst wenn genug Vertrauen aufgebaut wurde, sollte man sich in intime Situationen begeben.
Im realen Leben würde ich Ihnen empfehlen, sich die Nischen zu suchen, in denen die Wahrscheinlichkeit höher ist, einen Mann zu finden, der zu Ihnen passt.
Wenn Sie erkannt haben, dass Sie einen Ingenieur suchen, könnten Sie gezielt auf diese Gruppe zugehen. Hier in Hamburg ist z.B. Airbus (viele, viele Ingenieure, und die meisten davon männlich), und eine Bekannte hat dort ein Sprach-Tandem für Deutsch-Französisch angeboten. Sie hat dort ihren Mann kennen gelernt.
Ein gutes Vorbild dafür, dass man Erfolg haben kann, wenn man man den Trampelpfad verlässt und eigene originelle Wege geht.
Auch in politischen Parteien oder bei ehrenamtlicher Tätigkeit kann man gleichgesinnte Männer treffen.
Grundsätzlich ist es sehr sinnvoll, sich dort aufzuhalten, wo Männer in der Gleichzahl oder sogar Überzahl sind (insbesondere der Typ Mann, den Sie suchen). Da sind Yoga oder ein Goldschmiedekurs keine gute Wahl, sondern eher ein Motorrad-Club (wenn es einem liegt), eine Weinprobe oder beim Kite-Surfen oder Kletterkurs. Schauen Sie mal, welche Interessen Sie haben, bei denen Sie am ehesten Männer treffen.
Man kann auch unauffällig Männer direkt ansprechen, indem man sie für ein Interview als Gesprächspartner bittet oder ihnen anbietet, Portraitfotos zu machen, eine Band zu gründen…
Sie können alle Freundinnen und Freunde fragen, ob ihnen jemand mit Ihrem "Steckbrief" als Partner einfällt.
Und ganz ganz wichtig: Bei der Partnersuche kann man bis zu einem gewissen Grad aktiv sein, aber man sollte niemals verbissen an die Sache gehen! Den richtigen Partner zu treffen ist letztendlich immer auch eine Glückssache!
Herzliche Grüße,
Julia Peirano