J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich kann nicht gut alleine sein und sehne mich nach einem starken Mann - aber in meinem Alter...

Ohne einen Partner zu leben, fällt vielen Menschen schwer (Symbolbild)
Ohne einen Partner zu leben, fällt vielen Menschen schwer (Symbolbild)
©  PixelsEffect / Getty Images
Maria sehnt sich nach Sicherheit - in Form eines großen, starken Mannes an ihrer Seite. Doch kann sie den im Alter von 68 Jahren noch finden?

Liebe Frau Peirano,

ich bin Witwe, 68 Jahre alt und lebe allein mit meinem Hund. Darum dreht sich eigentlich mein ganzes Leben: Waldspaziergänge mit meinen Freundinnen und die Arbeit im und am Haus. Mein Mann ist vor vier Jahren gestorben, er war 20 Jahre älter als ich und hatte einige Probleme. Er war sehr herrisch und besitzergreifend, hat mich von oben herab behandelt. Seine Launen konnten ständig umschwenken und er hatte auch ein Alkoholproblem. Natürlich hatten wir auch gute Zeiten, und ich konnte mich in finanzieller Hinsicht immer auf ihn verlassen. Auch hat er sich um vieles gekümmert. Doch die letzten Jahre waren sehr anstrengend.

Nach seinem Tod war ich erst einmal erleichtert und dachte mir, dass ich nun die Chance auf eine neue, glücklichere Beziehung habe. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir auch einen gleichaltrigen Mann erhofft. Ich habe schnell über eine Zeitungsannonce einen gleichaltrigen Partner gefunden. Am Anfang dachte ich, dass ich bei ihm alles gefunden hatte, was mir bei meinem Mann gefehlt hat: Wir konnten reisen, essen gehen, er hat mich bekocht und wir haben kulturell viel unternommen. Aber nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass auch er ein Alkoholproblem hat. Er war launisch und hat mich für seine Probleme verantwortlich gemacht. Er hat mich auch vor Freunden oder meiner Tochter als blöd und unfähig dargestellt (das hat übrigens mein Mann auch gemacht). Letztlich haben wir uns vor einem halben Jahr getrennt.

Mein Problem ist, dass ich nicht gut allein sein kann. Ich bin ohne Vater aufgewachsen und sehne mich schon immer nach einem großen, starken Mann, zu dem ich aufschauen kann. Das klingt vielleicht altmodisch, aber so fühle ich. Meine Tochter und zwei meiner Freundinnen drängen mich dazu, auch mal alleine etwas zu unternehmen oder z.B. meine Tochter und ihre Familie in München zu besuchen.

Ich habe aber Angst davor. Ich brauche einen Partner, der zwar nicht unbedingt mitkommen muss, aber im Hintergrund ist. Erst dann fühle ich mich sicher, um zu meiner Tochter oder einer Freundin zu reisen. Meine Tochter ist enttäuscht deswegen und sagt mir, dass es sehr schwer ist, einen guten Mann zu finden, und dass ich lieber erst mal alleine mein Leben genießen soll, anstatt alles auf einen Mann auszurichten.

Ich würde gerne wissen, wie ich es in meinem Alter anstellen kann, einen guten Partner zu finden. Er sollte treu, ehrlich und anständig sein und sich für Kultur interessieren. Ich möchte einfach jetzt den Richtigen finden, um mit ihm meinen Lebensabend zu verbringen. Und manchmal habe ich Angst, weil ich schon 68 bin und Männer lieber jüngere Frauen haben.

Viele Grüße und Danke

Maria G.

Liebe Maria G.,

als ich Ihre Zeilen gelesen habe, kamen Sie mir schon etwas einsam und verloren vor. Ich habe den Eindruck, dass der Wunsch nach einem guten Partner bei Ihnen im Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit steht. Das ist nur eine Beobachtung, keine Kritik! Es ist völlig in Ordnung, dass man sich eine Partnerschaft wünscht und lieber sein Leben mit jemandem teilt, als alleine zu sein. Gerade jetzt, wo Sie so viel Zeit haben, weil Sie nicht mehr arbeiten oder eine Familie versorgen, wäre es für Sie sicher schön, einen Partner an der Seite zu haben.

Allerdings beschlichen mich doch einige Zweifel, ob es so einfach klappt, was Sie sich vorstellen. Sie haben sich bereits zwei Männer ausgesucht, die Sie von oben herab behandelt haben, Stimmungsschwankungen und vor allem ein Alkoholproblem hatten. Das klingt so, als wenn Sie zwar nicht bewusst diesen Männertyp ausgewählt haben, aber zumindest unbewusst.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Wir alle haben Liebeslandkarten im Kopf, mit der wir uns bei der Partnerwahl orientieren.  Zum Beispiel steht eine Bekannte von mir auf jungenhaft wirkende Männer mit dunklen Locken, die Gitarre spielen und sehr lustig und lebendig sind. Ihr großer Bruder, den sie sehr geliebt und verehrt hat, war auch so einer, und ihre erste Jugendliebe auch.

Aber natürlich kann die Liebeslandkarte einen auch in die Irre leiten. Stellen Sie sich einmal vor, jemand hat dunkle Locken, spielt Gitarre, ist aber chronisch untreu und kann sich nicht auf eine einzige Frau einlassen.

Oder die Liebeslandkarte ist von jemandem geprägt, der einem Schmerzen und Leid zugefügt hat. Viele Menschen suchen unbewusst nach jemandem, der ihrem Vater/ihrer Mutter ähnelt und genau so abwesend/abweisend/unberechenbar/gewalttätig oder alkoholabhängig ist wie die Mutter/der Vater. Später, wenn es schief gegangen ist, hört man dann oft den Satz: Ich glaube, da habe ich wohl meinen Vater geheiratet. Sie haben, was Ihren Vater betrifft, einen dunklen Fleck auf Ihrer Liebeslandkarte. Wahrscheinlich haben Sie sich als kleines Mädchen einen großen, starken Vater, der sich für Sie interessiert und Sie beschützt, gewünscht. Und er war nicht da.

Heute ist Ihre Landkarte nicht genau genug. Sie scheinen "groß und stark" mit "dominant und egoistisch" zu verwechseln. Kann es sein, dass Sie sich den Männern, die Sie kennen lernen, unterordnen und sich etwas klein machen? Meine Befürchtung ist, dass Sie mit der gleichen Liebeslandkarte immer wieder zu einem ähnlichen Typ Mann (wie Ihr Mann und wie Ihr Ex-Freund) finden werden. Die harte Wahrheit ist: Wenn wir immer wieder das Gleiche machen wie immer, kommt auch das Gleiche wie immer dabei heraus.

Meine Beobachtungen: Sie machen sich jetzt schon abhängig, BEVOR Sie den Mann überhaupt kennen gelernt haben. Sie reisen nicht ohne ihn, nicht einmal zu Ihrer Tochter. Sie haben das Gefühl, ihn zu brauchen, um überhaupt Ihren Radius zu erweitern. Und Sie haben ihn schon etwas auf ein Podest gestellt, bevor Sie ihn überhaupt kennen lernen.

Sicher gibt es anständige Männer, bei denen Ihr Verhalten einen Beschützer-Instinkt weckt und die sich freuen, Sie in die Welt zu führen. Aber es gibt mit Sicherheit auch Männer, die Ihre Unterordnung ausnutzen, um sich überlegen zu fühlen und um Sie abzuwerten. Das haben Sie ja bisher auch erlebt, und anscheinend konnten Sie sich dagegen nicht wehren.

Deshalb würde ich Ihnen raten, erst einmal an sich und Ihrer Liebeslandkarte zu arbeiten, bevor Sie sich in eine neue Partnerschaft begeben. Wie wäre es, wenn Sie Ihre Autonomie stärken und zum Beispiel alleine oder mit einer Freundin verreisen, alleine ausgehen, von der sicheren Basis des Zuhauses Ihrer Tochter aus München zu erkunden? Dann würden Sie sich zeigen, dass Sie auch ein erfülltes Leben ohne einen Partner haben können. Das strahlen Sie dann auch aus.

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Wichtig wäre es auch, Ihre Liebeslandkarte zu hinterfragen. Woran erkennen Sie, dass ein Mann Respekt vor Ihnen hat? Was ist für Sie wirklich Stärke, und was ist nur Imponiergehabe? Wie erkennen Sie, ob der Partner Probleme hat (z.B. eine Alkoholabhängigkeit) oder Stimmungsschwankungen? Wie können Sie es vermeiden, sich auf eine Beziehung einzulassen, bevor Sie sich sicher sind, dass der Mann charakterlich stabil ist? Können Sie vielleicht Ihre Tochter oder Freundinnen um eine ehrliche Meinung bitten, bevor es ernst wird?

Ich hoffe, dass Sie sich darauf einlassen können, an den Themen Partnerwahl und Autonomie zu arbeiten. Es wird sich sicher positiv auswirken, wenn Sie dann auf die Partnersuche gehen und erste Schritte in einer Partnerschaft wagen.

Herzliche Grüße,

Julia Peirano

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