Die Begeisterung von Anders Wesslén ist ungebrochen. "Es ist einfach ein geniales Konzept, das perfekt in unsere Zeit passt", schwärmt der Zahnarzt. Seit gut zwei Monaten betreibt der 47-Jährige zusammen mit seinem Partner in Moers eine McZahn-Praxis. Er schwärmt von dem "Riesen-Pool an Patienten", die die "Marke McZahn" mit sich bringe. Drei Stunden mehr pro Tag arbeiten er und sein Praxisteam seit dem Einstieg. Wesslén spricht von "positivem Stress". Nicht so positiv ist für ihn der Stress, der McZahn jetzt in die Schlagzeilen brachte.
Am gestrigen Mittwoch durchsuchte die Staatsanwaltschaft Wuppertal die Geschäftsräume der Firmenzentrale in Willich. Der Vorwurf: Urkundenfälschung und Betrug. Die Firma soll den Krankenkassen gefälschte Qualitätsgutachten vorgelegt haben - und so billigen Zahnersatz aus China über deutsche Kassen abgerechnet haben. Ob die Vorwürfe stimmen, so Staatsanwalt Wolf-Tillman Baumert, wisse man derzeit noch nicht. "Es handelt sich um einen Anfangsverdacht".
"Zahnersatz zum Nulltarif"
Ende September 2006 eröffnete Firmengründer Werner Brandenbusch in Krefeld die erste McZahn-Filiale - und wollte damit den Markt für Zahnersatz in Deutschland revolutionieren. Die Idee erinnert an die Fastfood-Branche: Der Zahnarzt zahlt einmalig eine feste Summe und erhält dafür eine komplett ausgestattete Praxis im McZahn-Design. Dafür muss der Arzt spätestens ab dem vierten Geschäftsjahr 45 Prozent seines Honorarumsatzes an McZahn abgeben.
Dem Patienten verspricht McZahn "Zahnersatz zum Nulltarif". Statt Brücken und Kronen in deutschen Laboren zu hohen Preisen fertigen zu lassen, setzt die Firma auf Fernost. Dort produzieren Labore den Zahnersatz zu einem Bruchteil des hiesigen Preises. Für den Patienten bedeutet das im Idealfall: Die Kosten werden so weit gedrückt, dass die Behandlung bereits vom Festkostenzuschuss der Krankenkassen gedeckt ist. Der Preis wird zum Köder.
"So etwas lassen wir nicht durchgehen"
Den Stein ins Rollen gebracht hatte jetzt ein Zahnarzttechniker der McZahn-eigenen Importfirma "Silverline-Dental". Dieser hatte für den importierten Zahnersatz die nötigen Konformitätserklärungen ausgestellt. Denn damit Zahnersatz, der im Ausland hergestellt wird, in Deutschland abgerechnet werden darf, muss er deutschen Qualitätsansprüchen genügen. Im September 2007 verließ der Techniker das Unternehmen. Doch auch danach seien Gutachten mit seinem Namen aufgetaucht.
Er wurde misstrauisch - und wandte sich an die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (KZV). Diese erstattete Strafanzeige gegen das Unternehmen "Es geht hier um die Patientensicherheit", begründet Rubbert das frühe Eingreifen. "So etwas lassen wir nicht durchgehen." Zusätzlich machte die KZV Rückforderungsansprüche in Höhe von 860.000 Euro gegen die Zahnärzte geltend. Schließlich, erklärt KZV-Geschäftsführer Hermann Rubbert, müsse "der Zahnarzt wissen, was er tut." Trotz der Kritik nimmt Rubbert die Zahnärzte in Schutz: "Die Zahnärzte selbst waren nicht involviert".
Es habe noch nie Probleme mit Konformitätserklärungen gegeben
Grund zur Panik auf Patientenseite besteht seiner Ansicht nach nicht. Bislang gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Qualität des Zahnersatzes tatsächlich minderwertig gewesen sei. Im Gegenteil: Bei McZahn sei man bereits eifrig dabei, Unterlagen nachzureichen, die die Qualität des Zahnersatzes belegen. "Es handelt sich hier um einen bislang einmaligen Vorgang", beteuert der Geschäftsführer. Es habe noch nie Probleme mit Konformitätserklärungen gegeben. Und es handele sich schließlich nur um ein einzelnes Unternehmen.
Und dieses Unternehmen ist viel kleiner als geplant: Bis heute gibt es bundesweit nur sechs Franchise- Partner, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. 400 Praxen sollten es nach Vorstellungen der Firmenchefs Ende 2009 sein. Doch die Zahnärzte tun sich noch immer schwer mit dem Konzept, und der Gegenwind von Behördenseite war stärker als erwartet.
Dem Patienten schade das Konzept nicht
Die KZV hatte sich schon vor Eröffnung der ersten Praxis geweigert, den Franchise-Status der McZahn-Mediziner anzuerkennen, hatte Zulassungen verweigert und Nachbesserung verlangt - mit Erfolg. "Der Zahnarzt muss Herr seiner eigenen Entscheidungen sein", so Rubbert. Komme es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Franchise- Unternehmen und Zahnarzt, stehe der Patient sonst "ganz schnell unversorgt da". Der Moerser Zahnarzt Wesslén ist überzeugt, dass dem Arzt die nötige Freiheit gelassen werde.
Um eine Behandlung zum Nulltarif anzubieten, räumt er ein, sei man aber "auf die chinesischen Labore angewiesen". Dem Patienten schade das Konzept nicht. Wenn nötig, würden Spezialanfertigungen immer noch von deutschen Laboren geliefert. Frontzähne aus Deutschland, Backenzähne aus Fernost. Um dem Ansturm gerecht zu werden, wird im Vertrag eine "Bereitschaft zu weiten Öffnungszeiten" festgehalten. McZahn nimmt zu den Vorwürfen nur schriftlich Stellung und zeigt sich "überrascht".
Qualität nicht davon betroffen
In der Pressemitteilung, die das Unternehmen eilig herausgegeben hat, heißt es: Es sei richtig dass die Konformitätserklärungen "für aus China eingeführten Zahnersatz zeitweise formal nicht ordnungsgemäß ausgestellt" worden seien - die Qualität sei hiervon jedoch unberührt. Dennoch, so heißt es weiter, habe man aus den Vorfällen "personelle Konsequenzen" gezogen. Eine davon war besonders brisant: Firmengründer Brandenbusch hatte das Unternehmen nur kurz vor Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe wegen "interner Differenzen" verlassen.
Zahnarzt Anders Wesslén hofft nun, dass wegen der Sache "niemand kalte Füße bekommt". Die Qualität sei schließlich weiterhin so gut wie vorher. Das hätten ihm auch deutsche Techniker bestätigt. Irgendjemand habe zu viel selbst entschieden, glaubt Wesslén. "Das wäre alles gar nicht nötig gewesen". Die Verantwortlichen hätten einfach nicht die nötige Ruhe gehabt, man sei dem Ansturm nicht gewachsen gewesen. Gewisse Leute seien "zu sehr an der langen Leine gelassen" worden. Er hofft nun, dass die Sache "schnell aus der Welt ist". Und gibt zu: "Es nervt trotzdem".