Video-Kochschule auf stern.de Jeder kann kochen lernen

Von Bert Gamerschlag
Es gibt Küchensendungen ohne Ende, aber davon können die Leute noch lange nicht kochen. Millionen Deutschen fehlen schlicht die Grundlagen. Einer erfolgreichen Bankberaterin werden die nun nahegebracht - zu sehen in der Aktion "Deutschland lernt kochen" auf stern.de.

"Die Sie da beschreiben, das bin ja ich", sagte die Frau im Kostüm, beugte sich vor und faltete die Bürohände auf der Schreibtischunterlage, umrahmt von Telefon und Computerbildschirm. Beim Gespräch über die Arbeit ihres Kunden, der als Journalist über Kochen schreibt und daran verzweifelt, dass er seine treuesten Leser ausgerechnet unter denen hat, die gar nicht kochen können, war Bankberaterin Audrey Pohl-Großer plötzlich auch privat aufmerksam geworden. Sie reckte den Kopf frei wie jemand, der eine Aussage machen möchte, und sagte: "Auch ich kann nicht kochen." Aber ihre Augen zeigten, dass sie darüber nicht glücklich war. Denn sie hat Mann und Kind.

Vorausgesetzt, man interessiert sich für das Thema, ist das Schreiben über Essen und Trinken der schönste Job der Welt. Mit Bauern und Metzgern, Brauern und Winzern, Köchen und Konditoren über die Geheimnisse ihres Berufs zu reden und das Gelernte an seine Leser weiterzugeben, da geht nichts drüber.

Chappi für Papi

Vorausgesetzt, man hat diesen schönsten Job der Welt, gehört der Blick in die Einkaufswagen an der Supermarktkasse zu den ärgerlichsten, die man tun kann. Fertigkost, wohin man schaut. Zweifellos kann man das essen. Aber warum sollte man, solange man noch alle Sinne beisammen hat? Wer kauft den Schund und warum?

Liegt es an der Fernsehwerbung, in der schlanke Schönchen quallerige Suppen löffeln? Dazu sagt eine Stimme aus dem Off: "So schmeckt es richtig gut", oder: "So kocht man heute!" Daran liegt es sicher nicht. Vielmehr ist es die Verbindung von Unwissenheit und Bequemlichkeit. Es sind die Nicht-Köche, die Unvermögenden, die Wehrlosen, die Menschen-Fertigfutter kaufen - Chappi für Papi. Ihre exakte Zahl ist nie erhoben worden - Ignoranz ist nun mal nicht meldepflichtig. Aber die Menge derer, die bis auf ein Ei nichts mehr kochen können, ist riesig, und sie wächst.

"Ärger machen oft frische Sachen"

Kulinarinsuffizienz heißt die Krankheit. Und sie ist längst ein Problem. Offenbar wird sie da, wo Armut auftritt. In vielen Städten gibt es "Tafelläden", Orte, an die Hotels, Bäckereien und Supermärkte Lebensmittel liefern, deren Verfallsdatum naht, die aber noch in Ordnung sind. "Ärger machen oft frische Sachen", sagt Kirsten Balzer, Chefin des Diakonischen Werkes der Mecklenburger Landeskirche, die in Schwerin solche Tafeln unterhält. "Die Mehrheit kann sie nicht zubereiten." Erfolg haben laut Balzer Kochkurse in Kindertagesstätten: "Wenn die Leute erst mal gelernt haben, dass man Möhren kochen kann und wie gut die schmecken, machen sie kein Möhrenglas mehr auf. Aber sie müssen es erst lernen." Hermann Gröhe, CDU, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, hat erkannt, dass arme Familien auch deshalb mit dem Geld nicht zurechtkommen, weil "Fast Food und Fertigpizza den Speiseplan der Familie bestimmen".

Armut ist nun keinesfalls das Problem von Audrey Pohl-Großer. Sie will nur gern mehr für ihre Familie tun, Ernährerin sein. Sie selbst isst bestens in der Bankkantine. Bauchschmerzen bereitet ihr aber, dass ihr Mann sich tagsüber mit halben Hähnchen und Currywurst durchschlägt und ihr zehnjähriger Sohn von der Tagesmutter Mirácoli bekommt. Abends zu Hause gibt es dann Variationen vom Salami-Brot. Am Wochenende lädt man sich zu Oma ein, wo es was Gutes gibt: Schweinebraten.

Einfache Gerichte für Einsteiger

Das Beratungsgespräch von Frau Pohl-Großer nahm eine kuriose Wendung. Sie vermittelte einen Kredit und erklärte ihrem Kunden im Gegenzug, endlich kochen lernen zu wollen. Und zwar bei ihm. Sie muss bei Adam und Eva anfangen und bevorzugt Gerichte, die auch ihrem Sohn schmecken. Sie will mehr tun, als eine Zusatzscheibe Mozzarella auf die Fertigpizza legen, was weite Kreise schon als Ausdruck von Liebe und Fürsorge anerkennen. Einzige Voraussetzung: Gekocht wird nur, was es im normalen Supermarkt Frisches zu kaufen gibt und was binnen einer Stunde fertig auf dem Tisch steht.

Erste Lektion: Frikadellen. Wie die Bankerin das Kochen lernt und ob sie Erfolg hat, ist ab sofort auf stern.de/kochen zu sehen. Die nächsten sechs Gerichte folgen im Wochenrhythmus, alle auf einem für Anfänger verständlichem Niveau. Jeder soll es nachmachen können.

Die Produktion der ersten Filme für stern.de war alles andere als einfach, denn hier kollidieren zwei reale, aber höchst unterschiedliche Welten vor der Kamera - und das ganz unverstellt. Auf der einen Seite der Redakteur, der nach einem langen Tag außer Haus Entspannung am Herd findet, auf der anderen die Finanzfachfrau, die sich bislang abends lieber in den Sessel fallen ließ. Auf der einen der, der von Berufs wegen die seltsamsten Dinge isst, auf der anderen eine, die bei einer Zwiebel nicht oben von unten unterscheiden kann. Sie mag rohes Fleisch nicht anfassen und fürchtet beim Einsatz von Wein in einer Tomatensauce, ihren Sohn betrunken zu machen. Das geht nicht ohne (Zwiebel-)tränen und Nervenkrisen ab. Aber sehen Sie selbst.

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