Wenn Adolf Nanz, Fischer aus Schleswig nahe der Ostsee, auf seinem kleinen Bootssteg in der Abendsonne Netze flickt, dann scheint die Welt ein Kosmos aus Harmonie und Zufriedenheit. Ein Bild von biblischer Ewigkeit, das nur einen Schluss zulässt: So und nicht anders sieht es aus, das perfekte Idyll. Nanz schätzt die Sache aber doch ein ganz klein wenig anders ein. Er ist ein nüchterner Mann. Einer, der nur das glaubt, was er mit eigenen Augen gesehen hat. Adolf Nanz kann viel erzählen - aber erzählen lässt er sich nichts.
Nanz ist sein ganzes Leben lang Fischer gewesen, beinahe 50 Jahre. Er hat gesehen, wie die Schlei so voll war mit Heringen, dass er gar nicht so viel fangen konnte, wie möglich gewesen wäre. Er hat Aal, Butt, Barsch, Brassen und Plötze aus dem Wasser geholt, ein Ende des Segens war unvorstellbar.
Und doch ist es anders gekommen. An die 50 Fischer waren es Anfang der 70er Jahre, jetzt sind es knapp zehn. Eine kleine Kolonie, eine geschlossene Gesellschaft, in die einzudringen, es viel Geduld braucht. Fischer können schweigsam sein wie Fische. Seltsam. Verschlossen. Abweisend. Die Fischer von Schleswig waren über Jahrhunderte eine Gemeinschaft mit eigenen Regeln. Und sind es noch heute. Einmal im Jahr flechten Frauen und Kinder Girlanden, die Männer zwängen sich in Fracks und ziehen unter den Klängen eines Spielmannzuges durch die Stadt zum Gasthaus "Hohenzollern": Beliebung heißt das Fest. Jedes Jahr wählen sie einen neuen Vorsitzenden, Eldermann genannt, seit mehr als 350 Jahren, ohne eine einzige Unterbrechung.
Nanz ist der Einzige unter den Fischern von Schleswig, der seinen Sohn dazu bringen konnte, auch Fischer zu werden. Wirklich überreden musste er ihn nicht, trotz der harten Arbeit, der Kälte, der Einsamkeit, die nicht jeder aushält. Matthias Nanz ist 41, seine Frau arbeitet als Lehrerin, sein Haus steht gleich neben dem seiner Eltern, seine Tochter muss auf dem Weg zu ihren Großeltern nur einen schmalen Weg queren.
Der erste fisch des Jahres ist der Hering. Im März, manchmal auch schon im Februar, zappeln die ersten fetten Exemplare in den Stellnetzen. Hochsaison für die Schleswiger Fischer: Nanzens und die anderen fahren jeden Morgen vor Sonnenaufgang zu ihren Netzen, die per Hand ins Boot gehoben werden müssen. Knochenarbeit. Als silbriger Strom ergießen sich die glänzenden Heringe in die Boote. Hering ist der Brotfisch. Kommt er, wird das Jahr gut. Kommt er nicht, kann es eng werden. Der Gewinn pro Kilogramm hält sich in Grenzen. Aber wenn reichlich Hering in die Schlei strömt, dann bleibt genug hängen in den Taschen der Fischer.
Und eine Delikatesse ist fangfrischer Hering sowieso. Früh am Morgen, wenn die Boote am Anleger von Missunde festmachen, stehen schon die ersten Liebhaber bereit. Sie wollen Hering, so frisch wie möglich - die allermeisten hauen ihn noch am selben Morgen in die Pfanne.
Die Schlei gehört den Fischern von Schleswig, jedenfalls was die Fangrechte betrifft. Nur sie dürfen hier Netze auswerfen oder Reusen auslegen. Aber immer wieder werden Netze und Reusen mutwillig zerstört - dann kann man Adolf Nanz in seinem Garten stehen sehen, wie er den wichtigsten Teil seines Betriebsvermögens mit den Händen repariert. Nur ansprechen sollte man ihn nicht. Er kann einen alttestamentarischen Zorn entfalten, weil ihn nichts mehr aufregt als Vandalismus.
Die Angler hingegen stören ihn nicht. Zwar stehen sie in diesen Wochen zu Hunderten an den Ufern der Flüsse und Förden, wie man die flachen, langen Meeresbuchten in Norddeutschland nennt, und schleppen die Angelfische eimerweise davon. Aber Nanz? Reusen sind weit draußen, da kommt man sich nicht in die Quere. Und es ist genug für alle da.
Der Hering ist ein Schwarmfisch. Wenn er kommt, dann in Massen. Früher gab's das Problem, den Segen haltbar zu machen. In Salz gepökelt oder geräuchert war Hering der Fett- und Eiweißlieferant nördlich der Alpen. Er hat die Hanse reich gemacht und gewissermaßen Geschichte mit geschrieben.
Heute dagegen ist eher die Zubereitung der Fische die Klippe. Die Rezeptbücher behandeln den Hering nämlich sehr stiefmütterlich, und dementsprechend monoton ist die Zubereitung: Immer nur Pannfisch - das hängt einem bald zum Hals heraus wie auch der eingelegte Brathering. Er mag noch so lecker sein - nach dem 23sten hat man ihn satt.
Grillen ist eine gute alternative Methode, denn der von Natur aus ölige Fisch hält Hitze aus. Den geschuppten, ausgenommenen und gewaschenen Hering außen salzen, innen salzen und pfeffern und die Bauchhöhle mit Gartenkräutern füllen. Das kann mediterran geschehen (Thymian, Rosmarin, Lorbeer) oder natürlich auch mit Petersilie, Dill und Schnittlauch. Ein paar Knoblauchscheiben und Streifen Bio-Orangenschale können auch nicht schaden. Den Backofengrill gut vorheizen, ein Blech mit Alufolie auslegen, die Fische darauf legen, dünn mit Öl einpinseln und nah unter dem Grill auf jeder Seite drei bis vier Minuten garen.
Das ist sozusagen die Ratzfatzmethode. Ein ganz klein wenig umständlicher, aber auch bei weitem delikater sind die folgenden Rezepte. Sie entstammen natürlich nicht der Küche des Fischers Nanz, sondern der des stern. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass der Fischer sie, wenn er von achtstündiger Fahrt mit dem Holzboot zurückkehrt, bald zu Hause von seiner Frau serviert bekommt. Zwar scheinen die Ufersäume der sich windenden Schlei so schön und unberührt, als lägen sie in Brasilien, doch Hinterwäldler sind sie in Schleswig noch lange nicht. Und auch dort darf es ruhig mal was anderes als Pannfisch sein.
Eingelegte Heringe, nach Art der Portugiesen
Für 4 Personen
6 grüne Heringe, küchenfertig
3 Knoblauchzehen
1 Orange, unbehandelt
600 ml Weißwein, trocken
3 EL Sherry-Essig
Meersalz
1 EL Fenchelsaat
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
4 Stiele Bohnenkraut
2 Fenchelknollen (ca. 750 g)
4 EL Zitronensaft
8 EL Olivenöl
1 rote Zwiebel (50 g)
2-3 Stiele glatte Petersilie
20 schwarze Oliven, mit Stein
1.
Heringe entgräten, auf die Hautseite legen, restliche Gräten mit einer Pinzette herausziehen und die Filets mit einem scharfen Messer von der Haut schneiden (oder vom Fischhändler filetieren lassen). Filets kalt abspülen und mit Küchenpapier trockentupfen. Knoblauch pellen und in dünne Scheiben schneiden. Orange heiß waschen, trockenreiben, die Schale mit einem Sparschäler dünn abschneiden. Knoblauch, Orangenschale, Weißwein, Essig, Meersalz, Fenchelsaat, grob gemahlenen Pfeffer und Bohnenkraut etwa 3 Minuten kochen. Vom Herd nehmen, die Filets in den heißen Sud legen und darin über Nacht durchziehen lassen.
2.
Fenchelgrün abschneiden, grob hacken, abgedeckt beiseite stellen. Fenchel putzen, längs halbieren, den Strunk herausschneiden und den Fenchel in hauchdünne Scheiben schneiden oder hobeln. Fenchel mit Zitronensaft, Salz und 4 EL Olivenöl mischen und 1 Stunde durchziehen lassen. Zwiebel abziehen, halbieren und in hauchdünne Scheiben schneiden.
3.
Petersilie grob schneiden. Fenchelgrün unter den Salat mischen, auf Tellern anrichten, Zwiebeln und Oliven darüber verteilen. Heringe aus dem Sud nehmen und auf dem Salat anrichten. Das Bohnenkraut aus dem Sud fischen. Petersilie über die Filets streuen, etwas Sud und 4 EL Olivenöl darüber träufeln.
Zubereitungszeit:
45 Minuten (plus Zeit zum Durchziehen)
Tipp:
Dazu schmeckt besonders geröstetes Ciabatta
Gefüllte Heringe in der Weinblatthülle
Für 4 Personen
75 g Zwiebeln
100 g rosa Champignons
1 kleines Bund Thymian
50 g magerer Speck, in Scheiben
8 EL Olivenöl
Salz
24 große eingelegte Weinblätter, aus dem Glas
8 grüne Heringe, küchenfertig
1 unbehandelte Zitrone
8 Knoblauchzehen
350 ml Weißwein, trocken
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
6-8 frische Lorbeerblätter
1.
Zwiebeln pellen und fein würfeln. Pilze putzen und klein hacken. Thymianblätter von 5 Zweigen abstreifen. Speck fein würfeln und in 2 EL Olivenöl bei starker Hitze goldbraun braten. Zwiebeln, Pilze und Thymian dazugeben, salzen und unter Wenden kräftig andünsten. Die Speckmischung kalt werden lassen.
2.
Den Backofen auf 190 Grad vorheizen. Weinblätter kalt abbrausen und leicht trockenschütteln. Die Heringe innen gut auswaschen, trockentupfen und mit der Speckmischung füllen. Jeden Hering fest mit 3 Weinblättern umwickeln und nebeneinander auf ein tiefes Backblech legen. Zitrone heiß waschen, trockenreiben, die Schale dünn abschälen und mit den ungepellten Knoblauchzehen zu den Heringen legen. Weißwein mit Salz und grob gemahlenem Pfeffer verrühren und darüber gießen. Alles mit Olivenöl beträufeln.
3.
Die Heringe im Ofen auf der mittleren Einschubleiste 25 Minuten garen. Nach 20 Minuten den übrigen Thymian und die Lorbeerblätter dazulegen.
Zubereitungszeit:
1 Stunde, 15 Minuten
Tipp:
Die Heringe lassen sich auch grillen. Dazu die Blätter gut mit Öl einpinseln, jedoch nicht mehr mitessen. Dazu passt Couscous, gewürzt mit Zitrone
Gebeizter Hering im Reispapier
Für 4 Personen
6 grüne Heringe, küchenfertig
2 Stangen Zitronengras
2 Limetten
1 Bund Koriandergrün
100 g Salz
100 g Zucker
2 EL Sesam
75 g Lauchzwiebeln
2 EL Senf
4 EL Ketjap Manis (aus dem Asienladen)
1 EL dunkles Sesamöl
225 g Radieschen (mit Grün gewogen)
250 g Salatgurke
12 Reispapierblätter (22 cm Ø)
1.
Heringe entgräten, mit einer Pinzette restliche Gräten entfernen. Filets kalt abspülen, trockentupfen und nebeneinander mit der Haut nach unten in eine Arbeitsschale legen. Zitronengras mit einem Fleischklopfer faserig klopfen und grob zerschneiden. Limetten heiß abspülen und trockenreiben. Die Schale fein abreiben und 2 EL Limettensaft auspressen. Koriander hacken, mit Salz, Zucker, Limettenschale und Zitronengras mischen und gleichmäßig auf die Filets verteilen. Abdecken, beschweren und 24 Stunden in den Kühlschrank stellen. Heringe gründlich mit kaltem Wasser abspülen und trockentupfen.
2.
Sesam in einer trockenen Pfanne unter Wenden goldbraun rösten. Lauchzwiebeln putzen, das Weiße und Hellgrüne in hauchdünne Ringe schneiden. Senf mit Ketjap-Manis, 10 EL Wasser, 2 EL Limettensaft und 1 El Sesamöl verrühren.
3.
Radieschen und Gurke putzen und waschen. Gurke nicht schälen, beides so dünn wie möglich in Scheiben schneiden oder hobeln. Reispapierblätter nebeneinander auf feuchte Küchentücher legen und mit einem Pinsel beidseitig gleichmäßig mit lauwarmem Wasser bestreichen. Die weichen Blätter abwechselnd mit Radieschen und Gurken belegen, jeweils 1 Filet darauf legen und fest zusammenrollen. So zwölf Röllchen herstellen. Die Enden mit einem scharfen Messer gerade schneiden und jedes Röllchen in drei Stücke teilen.
4.
Zwiebelringe und Sesam unter die Sauce mischen. Röllchen hineindippen.
Zubereitungszeit:
1 Stunde, 10 Minuten (plus Zeit zum Beizen)
Saltimbocca vom Hering
Für 4 Personen
6 grüne Heringe, küchenfertig
12 Scheiben Parmaschinken
12 schöne Salbeiblätter
8 mittelgroße Zwiebeln (à 50 g)
350 ml Weißwein, trocken
4 EL Balsamessig
2 EL Zucker
Salz
2 Knoblauchzehen
60 g Butter
40 g Pinienkerne
1 kg fest kochende Kartoffeln
Pfeffer, grob geschrotet
6 EL Olivenöl Außerdem: Zahnstocher
1.
Heringe entgräten, mit der Pinzette restliche Gräten entfernen, Filets kalt abspülen und trockentupfen. Jedes Filet mit 1 Scheibe Schinken umwickeln, mit 1 Salbeiblatt belegen und mit einem Zahnstocher feststecken. Backofen auf 200 Grad vorheizen.
2.
Zwiebeln pellen, längs halbieren und mit der Schnittfläche nach unten nebeneinander in eine feuerfeste Form legen. Weißwein mit Essig, Zucker und Salz verrühren und über die Zwiebeln gießen. In der Ofenmitte 45 Minuten garen.
3.
Knoblauch abziehen und grob hacken. Butter schmelzen und Pinienkerne darin goldbraun braten, Knoblauch kurz mitdünsten, salzen und beiseite stellen. Kartoffeln schälen und in Salzwasser kochen. Abgießen, grob zerstampfen, mit der Pinienbutter mischen, mit grobem Pfeffer würzen, nachsalzen, bedeckt warm halten.
4.
Heringe in zwei Pfannen im heißen Olivenöl bei starker Hitze auf der "Salbeiseite" etwa 1 1/2 Minuten anbraten, wenden und noch 1 1/2 Minuten braten.
5.
Kartoffeln auf Tellern anrichten, Heringe darauf legen und die Zwiebeln rundherum verteilen.
Zubereitungszeit:
1 Stunde, 15 Minuten
stern-Wein-Tipp
Von Martin Kössler
Fliegender Holländer
Ribera del Duero, Spaniens bekannteste moderne Weinbauregion, ist berühmt für langlebig hochwertige Rotweine edler, kühler Stilistik. Leider hat das Interesse der vergangenen Jahre die Weine bekannter Güter teuer werden lassen. Erschwingliche und trotzdem gute Riberas gibt es dennoch - als Projektweine, wie sie zum Beispiel der Niederländer Louis Geirnaerdt macht. Der Mann ist ein in Spanien bekannter Weinhändler, der übers ganze Land verteilt gute Lagenweine einzelner Güter aufkauft und nach seinen Vorgaben ausbauen lässt. Zeitgemäß gestaltete Etiketten signalisieren äußerlich, worum es innerlich geht: um unkomplizierte Weine, die verwöhnten Ansprüchen genügen. Der "Zumaya" von der Finca el Carpio ist hier beispielhaft: Die Reben, zu 100 Prozent Tempranillo, sind 25 bis 50 Jahre alt und werden von Hand gelesen. Der Wein reift über zwölf Monate in Fässern aus amerikanischer Eiche, entsprechend satt und würzig präsentiert sich sein Bukett, in dem sich schwarze und rote Beeren- mit Schwarzkirscharomen vereinen; jugendliche Fruchtfülle verschmilzt zu eleganter Dichte in unaufdringlichen Gerbstoffen. Die Zunge notiert feine frische Säure im komplexen Körper mit geschmeidiger Trinkbarkeit: ein edler, anspruchsvoller - und bezahlbarer - Spanier.
"Zumaya Crianza"
Ribera del Duero
Bodegas Finca el Carpio, Fuentespina
1 Fl.: 9,80 Euro (plus Versandkosten); 6 Fl.: 60 Euro; 12 Fl.: 115 Euro (jeweils frei Haus).
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