Fenchel Gib dem Fenchel eine Chance

Wer auf die Klosterschule muss, wird später gern Kirchenfeind. Wen als Kind ein Köter beißt, der wird nur schwer noch Hunde lieben. Ähnlich hat mancher, der bei Mumps und Husten mit Fencheltee gequält wurde, bis heute einen Horror vor Fenchelknollen. Schade, denn sie sind lecker. Hier ein paar kleine Hilfen, die kindliche Phobie zu überwinden

Der Fenchel hat Feinde. Die, die ihn nur aus Kinderkrankheitstagen kennen und mit ihm bis ans Lebensende Hustensaft, schwächlich süßen Kindertee und öde Bettruhe verbinden werden. Weil Fenchel wie Anis schmeckt, fürchten die Fenchelfeinde auch die Anisbonbons und -plätzchen des Winters, sie schmähen die Frische eines geeisten Pastis im Sommer und werden eine Bouillabaisse selbst dann von sich schieben, wenn man sie ihnen in Marseille am Hafen serviert.

Nun sind dies alles Produkte, die ihren Geschmack, neben ein paar anderen Zutaten natürlich, dem aromastarken Fenchelsamen verdanken. Aber die Abneigung gegen ihn wird wie ein liebes Vorurteil auch auf die mildere Fenchelknolle übertragen. Dabei kennen viele die gar nicht, weil es den Gemüsefenchel zu Zeiten, da die meisten von uns noch mit Kinderkrankheiten im Bett lagen, im deutschen Gemüsehandel noch nicht gab. Jetzt ist Gelegenheit, als Erwachsener einen neuen Versuch und eine Bekehrung zuzulassen. Oder aber seine Portionen für immer den Fenchelfreunden zu überlassen, deren Zahl erfreulich wächst. Für Figurfetischisten ist Gemüsefenchel der helle Wahnsinn. 100 Gramm enthalten nur 50 Kilokalorien, dafür aber erfreulich viel der Vitamine C und E und andere nette Stoffe, die uns gesund halten und dabei helfen können, so auszusehen, als seien wir für ein Leben in Bikini oder Muscle-Shirt geboren. Jetzt, im Vorfrühling, kommt der Fenchel meist aus Süditalien und Spanien, wo er unter Folie gezogen wird. Bei uns wächst er zwar auch, aber erst ab Mai. Etwa 100 Tage dauert es von der Aussaat bis zur Ernte. Am besten isst man ihn - der Bikinistoffe wegen - roh, und zwar dünn geschnitten oder gehobelt. Intensiver aber schmeckt er in Längsspalten geschnitten und langsam in Butter geschmort oder im Ofen gebacken, bestreut mit etwas geriebenem Parmesan. Diese Zubereitung ist aber eher etwas für die Tweedjackenträger.

Foeniculum vulgare gehört zu den Pflanzen, die nach Völkerwanderung und Barbarei erst wieder rekultiviert werden mussten. Er findet sich auf der Liste jener Kräuter und Gemüse, deren Anbau Karl der Große im 9. Jahrhundert im ganzen Reich befahl. Die Verbreitung war aber auch jenseits der Reichsgrenzen so erfolgreich, dass große englische Haushalte 200 Jahre später bereits elf Pfund Fenchelsamen verbrauchten - pro Monat. Man verzehrte die gelblichen, leicht gekrümmten Samen gemahlen oder ganz, in Getränken, zum Essen, zur Reinigung des Atems und zur Entwindung des Gedärms. In Indien wird Fenchelsaat - mit Zucker umhüllt - bis heute nach dem Essen gekaut. Des Fenchels Aufstieg vom Gewürzkraut zum Gemüse fand erst spät statt und geschah im südlichen Italien, wo offenbar beide Formen verwendet wurden, denn Alexandre Dumas schreibt: "Man isst Fenchel wie Sellerie, und nicht selten trifft man auf einfaches Volk, das seinen Fenchel unterm Arm mit sich trägt, um ihn mit Brot zum Mittag- oder Abendessen zu verzehren. Der zunächst angenehme Duft wird unangenehm, wenn man zu viel davon nimmt, wie die Neapolitaner, die alles mit Fenchel würzen." Im englischen Sprachraum heißt das Gemüse Florentiner Fenchel, wohl weil die bildungsreisenden Briten zuerst in den Gasthäusern von Florenz auf den Fenchel stießen. Dass es ihn in Europa schon in vorgeschichtlicher Zeit gab, zeigt der Prometheus-Mythos. Prometheus war - im Schnelldurchlauf - der, dem die Menschheit die Küche und also die Zivilisation verdankt. Als Titan gehörte er zu jenem Geschlecht, das herrschte, bevor Zeus und die neuen Götter die Welt eroberten. Nach dem Kampf, bei dem die anderen Titanen in den Orkus gestürzt wurden, schuf Prometheus den Menschen, Zeus zum Ärger. Sollte er den Menschen dulden, verlangte Zeus Tieropfer, und davon natürlich das Muskelfleisch. Die Menschlein sollten die Knochen abnagen und das Fett auskauen. Prometheus aber machte zwei Haufen, tarnte sie, und stellte Zeus vor die Wahl. Zeus tippte auf den mit den Knochen und dem Fett. Aus Missgunst beschloss er, den Menschen wenigstens das Feuer zu verwehren. Erneuter Auftritt des Prometheus: Er stiehlt das Feuer vom Olymp und schmuggelt es in einer hohlen Fenchelstange (!!!) auf die Erde. Zur Strafe lässt Zeus den Prometheus auf ewig an den Kaukasus schmieden, wo ihm ein Adler täglich von der Leber frisst (die über Nacht immer wieder nachwächst). Prometheus büßt, bis ihn eines Tages Herakles befreit, im Gegenzug für einen Hinweis, wo die Äpfel der Hesperiden zu finden sind. Damit Zeus' Urteil immerhin pro forma weiter gilt, trägt Prometheus fortan einen Ring mit einer Einlage aus Kaukasusfels. Seitdem ist Prometheus verschwunden. Da er als Titan unsterblich ist, muss es ihn also noch geben. Womit wir an die letzte Seite im stern geben, wo wir gern einmal läsen: "Was macht eigentlich Prometheus?"

Bert Gamerschlag

Marinierter Fenchel süßsauer

Für 4-6 Personen

Salz
1 kg Fenchelknollen
100 g kleine Schalotten
2 Knoblauchzehen
1?2 Zitrone, unbehandelt
100 ml Weißweinessig
40 g Zucker
1 kleine Chilischote
2 Sternanis
1 TL grüne Pfefferkörner
1 kleiner Zweig Minze

1.

Im großen Topf reichlich Salzwasser aufkochen. Die Fenchelknollen waschen, dunkle Stellen und harte Stiele abschneiden. Die Knollen längs in 1 1/2 cm dicke Scheiben schneiden. Die Fenchelscheiben 10 Minuten im Salzwasser kochen, mit einer Schaumkelle aus dem Topf nehmen und in eine Schüssel legen. Vom Kochwasser 300 ml in einen kleineren Topf gießen.

2.

Die Schalotten und den Knoblauch abziehen, halbieren oder vierteln. Die Zitrone heiß waschen und in Scheiben schneiden. Essig, Zucker und 1 TL Salz im Kochwasser aufkochen. Schalotten, Knoblauch, Zitronenscheiben, Chilischote, Sternanis und Pfefferkörner dazugeben. Den Sud 5 Minuten kochen.

3.

Den Minzezweig abspülen und auf die Fenchelscheiben legen. Den heißen Essigsud mit allen Zutaten darüber gießen. Die Schüssel mit einem Teller oder mit Klarsichtfolie zudecken, Fenchel abkühlen und im Kühlschrank 1-2 Tage durchziehen lassen. Gekühlt hält sich das Gemüse etwa 1 Woche.

Zubereitungszeit:

ca. 30 Minuten plus Kühlzeit

Tipp:

Den Fenchel eine Stunde vor dem Servieren aus der Kühlung nehmen, abtropfen lassen, auf einer Platte mit Schalotten und Knoblauch anrichten und nach Geschmack mit fruchtigem Olivenöl beträufelt als Antipasto, etwa zu Salami oder Schinken, beziehungsweise zu gebratenem Fisch oder zu Meeresfrüchten servieren. Wer es etwas schärfer mag, kocht die Chilischote aufgeschnitten und entkernt mit.

Erika Casparek-Türkkan

Fencheltarte mit Parmaschinken

Für 4-6 Personen

Für den Teig:

200 g Mehl Type 1050 (plus Mehl zum Ausrollen)
1 TL Backpulver
100 g Magerquark
4 EL Öl (plus Öl zum Einfetten)
4 EL Milch
Salz

Für den Belag:

900 g Fenchelknollen mit Grün
2 EL Olivenöl
2 Eier
150 g Schmand
1 EL Zitronensaft
100 g Parmesankäse, frisch gerieben
Salz; schwarzer Pfeffer aus der Mühle
50 g Parmaschinken, in dünnen Scheiben
20 g Pinienkerne

Außerdem: Backpapier, getrocknete Hülsenfrüchte zum Blindbacken

1.

Für den Teig das Mehl und das Backpulver in eine Schüssel sieben. Quark, Öl, Milch und 1 Prise Salz dazugeben, alles zuerst mit den Knethaken eines elektrischen Handrührers und dann mit den Händen glatt verkneten. Eine Tarteform (? 28 cm) dünn ausfetten, Backofen auf 180 Grad vorheizen.

2.

Den Teig auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche dünn ausrollen, den Formboden und -rand damit auskleiden. Den Teig auf dem Boden mit der Gabel mehrmals einstechen. Mit Backpapier belegen, die Hülsenfrüchte darauf streuen und den Boden 10 Minuten in der Ofenmitte blindbacken. Backpapier und Hülsenfrüchte entfernen und den Boden weitere 7 Minuten backen.

3.

Für den Belag die Fenchelknollen waschen, harte Stiele und braune Stellen abschneiden. Das Fenchelgrün fein hacken und abgedeckt beiseite stellen. Die Fenchelknollen längs in dünne Scheiben oder Streifen schneiden (das geht am besten auf einem Gemüsehobel). Olivenöl in einer großen beschichteten Pfanne nicht zu stark erhitzen. Fenchelstreifen darin zugedeckt etwa 10 Minuten dünsten, bis sie weich sind, vom Herd nehmen und leicht abkühlen lassen.

4.

Für den Guss die Eier mit Schmand, Zitronensaft, Fenchelgrün und Parmesankäse verquirlen, mit Salz und Pfeffer würzen. Den vorgebackenen Teigboden mit Parmaschinken belegen. Das Fenchelgemüse abtropfen lassen, auf dem Teigboden verteilen und den Eierguss darüber geben.

5.

Die Tarte mit Pinienkernen bestreuen und in der Ofenmitte etwa 35 Minuten backen, bis die Oberfläche goldbraun ist. Die Fencheltarte etwas abkühlen lassen, in Stücke schneiden und servieren.

Zubereitungszeit:

ca. 1 Stunde, 25 Minuten

Erika Casparek-Türkkan

Fenchelsalat mit Orangen

Für 4 Personen

3 mittelgroße Orangen
400 g Fenchelknollen mit Grün
2 kleine rote Zwiebeln
1 EL Weißweinessig
Salz; schwarzer Pfeffer aus der Mühle
4 EL fruchtiges Olivenöl
1 kleine Zweigspitze frischer Rosmarin
1?2 TL Fenchelsamen

1.

Den Saft einer 1/2 Orange auspressen. Die restlichen Orangen mit einem scharfen Messer schälen, dabei auch die weiße Innenhaut entfernen. Die Früchte in 1/2 cm dicke Scheiben schneiden und die Kerne entfernen. Die Orangenscheiben nebeneinander auf eine Platte legen.

2.

Die Fenchelknollen waschen, Stiele und dunkle Stellen abschneiden. Fenchelgrün grob hacken und abgedeckt beiseite stellen. Die Knollen in sehr dünne Streifen schneiden (am besten auf einem Gemüsehobel). Zwiebeln abziehen und in dünne Ringe schneiden. Den Orangensaft erst mit Essig und Salz, dann mit Olivenöl verquirlen. Den Rosmarin abbrausen, die Nadeln vom Zweig streifen und fein hacken, unter die Salatsauce mischen und diese abschmecken.

3.

Die Fenchelstreifen in der Salatsauce wenden, herausnehmen und auf den Orangenscheiben verteilen. Die Zwiebelringe darüber streuen und die restliche Sauce darüber träufeln. Fenchelsamen im Mörser zerstoßen. Vor dem Servieren den Salat mit Pfeffer, Fenchelsamen und gehacktem Fenchelgrün bestreuen.

Zubereitungszeit:

ca. 25 Minuten

Erika Casparek-Türkkan

Fenchelgemüse mit Tomaten und Rosinen

Für 4 Personen

1,2 kg Fenchelknollen mit Grün
4 Knoblauchzehen
1 Dose geschälte Tomaten (400 g Einwaage)
5 EL fruchtiges Olivenöl
1 gestrichener TL Fenchelsamen
Salz; schwarzer Pfeffer aus der Mühle
50 g Sultaninen
250 ml Weißwein

1.

Die Fenchelknollen waschen, dunkle Stellen und harte Stiele abschneiden. Das Fenchelgrün abschneiden und abgedeckt beiseite stellen. Die Fenchelknollen längs halbieren. Die Knoblauchzehen abziehen und vierteln. Die Tomaten aus der Dose grob hacken, den Tomatensaft aufbewahren.

2.

In einem flachen, breiten Topf oder in einer Pfanne mit hohem Rand 4 EL Olivenöl nicht zu stark erhitzen und die Fenchelknollen 2-3 Minuten goldgelb anbraten, dabei gelegentlich wenden. Fenchelsamen, Salz und 1 gute Prise Pfeffer darüber streuen. Knoblauch, Tomaten mit dem Tomatensaft und Sultaninen auf dem Fenchel verteilen. Wein angießen. Das Gemüse zugedeckt bei schwacher Hitze 30 Minuten schmoren.

3.

Das Fenchelgemüse mit der Tomatensauce in einer Schüssel anrichten und mit 1 EL Olivenöl beträufeln. Das Fenchelgrün hacken, über das Gemüse streuen und servieren.

Zubereitungszeit:

ca. 1 Stunde, 20 Minuten

Tipp:

Das Fenchelgemüse schmeckt auch lauwarm oder kalt (Raumtemperatur). Dazu passen getoastete Baguettescheiben. Die Knoblauchstücke sind relativ groß und können beim Essen beiseite gelegt werden. Wer die Knoblauchzehen mitessen möchte, sollte sie klein gewürfelt mitgaren.

Erika Casparek-Türkkan

stern-Wein-Tipp

Den Nonnen sei Dank

Zisterzienserinnen haben das Hofgut Nägelsförst gegründet, vor gut 700 Jahren. Die frommen Schwestern aus dem Burgund brachten die ersten Rebstöcke und wussten, wo der Boden besonders gut ist: an den aufsteigenden Bergen des Schwarzwalds, von wo man einen herrlichen Blick ins Rheintal hat. 30 Hektar umfasst Gut Nägelsförst, mit den besten Lagen in der Ortenau. Rigoros schneiden die Winzer die Reben zurück, sie ernten nur 40 bis 50 Hektoliter pro Hektar, sie lesen die Trauben von Hand, sie sortieren sie im Keller nochmals nach, kurz: Sie geben sich verdammt Mühe.

Reinhard J. Strickler, dem das Gut seit 1993 gehört, ist ein Qualitätsfanatiker. Ein ganz besonderer Tropfen seines Hauses ist der 2001er Riesling "Sur Lie". Sur Lie heißt: Lange lagert der Wein auf einem Bett von Feinhefe, gekühlt in großen Holzfässern. Rieslingsfreaks mag dieser Tropfen verblüffend unrieslingisch schmecken. Fleischig ist er, saftig ist er; das Holz puffert die Säure ab.

Filigraner, traditioneller ist der Riesling "Terroir Stich den Buben". 2001 war ein außergewöhnlicher Jahrgang, der beste seit zehn Jahren, und diese Spätlese ist ein wunderbarer Tropfen. Er zeigt, dass das nördliche Baden einfach optimal - genügend Sonne, genügend Regen - für den Riesling ist. Strohgelb, mit grünen Reflexen, schwappt der "Bube" im Glas, mit dezenter Säure. Er ist frisch, kräftig und doch zugleich sehr fein im Geschmack, äußerst harmonisch - und mit einem Abgang ohne Ende. Noch in acht, zehn Jahren wird man ihn mit großer Freude trinken können.

Probierpaket mit 6 Flaschen (3 x 2001er Rieslig "Sur Lie", trocken; 3 x 2001er Riesling "Terroir Stich den Buben", Sélection, Spätlese trocken, inkl. Verpackung und Transport: 58 Euro. 12 Flaschen (6 x "sur Lie"; 6 x "Stich den Buben") 113 Euro.

Gut Nägelsförst, Nägelsförst 1, 76534 Baden-Baden, Tel: 072 21/355 50; Fax: 072 21/35 55 56

Arno Luik

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