Seit Januar 2024 ist die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent gestiegen. Zu Corona-Zeiten wurden Gastronominnen und Gastronomen entlastet. Damals wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Mehrmals wurde die Regelung verlängert, auch wegen der Energiekrise. Die Gastronomie hatte bis zuletzt darauf gehofft, dass die Senkung erneut verlängert wird. "Eigentlich sah es ganz gut aus – und dann kam der Dolchstoß, die Mehrwertsteuer soll wieder erhöht werden", sagt Kemal Üres, Gründer der Gastronomie-Kette Daily You und Initiator der Kampagne "Rettet die Vielfalt“, im Gespräch mit dem stern.
Dem Hamburger Gastronom stößt die Entscheidung bitter auf, er warnt vor einem riesigen Verlust von Diversität in der Gastronomie: "Ich schätze, dass 30.000 Restaurants im kommenden Jahr dichtmachen müssen." Nur zum Vergleich: Die Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), die sich auch für die gesenkte Mehrwertsteuer stark macht, schätzt einen Verlust an Gastronomie von 12.000 Läden. Für Üres ist diese Zahl zu konservativ berechnet. "Die Kleinen werden aussterben", sagt der Gastronom. Was bleibt dann noch? "Es wird eine Systematisierung stattfinden, kleine Läden haben da keine Chance. Die Kultur wird aussterben."
Der Döner wird teurer
Die Gastronomie steckt in der Krise, nicht erst seit der Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung. Die Branche wurde von der Pandemie hart getroffen, hinzukommen Kostensteigerungen, die kaum auszugleichen sind. Neben Energiekosten und Wareneinsatz sind es vor allem die Personalkosten, die viele Gastronominnen und Gastronomen an die Grenzen treiben. "Es gibt kaum noch Fachkräfte", sagt Üres. "Und die, die wir holen, holen wir für sehr viel Geld. Jahrelang hat die Gastronomie das auf den Rücken der Mitarbeiter ausgetragen und jetzt hat sich der Markt korrigiert."
Gastronomen wird am Ende nichts übrig bleiben als die Erhöhung der Mehrwertsteuer an die Gäste weiterzugeben. Das bedeutet die Preise werden mindestens um 12 Prozent steigen, dabei wurden die Speisen seit Corona bereits um 20 bis 30 Prozent erhöht. "Der Döner, der jetzt 7,50 Euro kostet, wird dann 8,50 Euro kosten. Das macht für ein Produkt noch nicht so viel aus", sagt Üres. "Aber eine Familie, die mit vier Leuten essen geht, zahlt jetzt schon 90 Euro und muss dann nochmal 15 Euro drauflegen. Essen soll kein Luxusgut werden."
Gleichberechtigung in der Gastronomie
Der Gastro-Experte ist sich sicher, dass es Konzepte treffen wird, die individuell sind und nicht die Möglichkeit der Systemgastronomie haben:"Take-away-Konzepte, wie beispielsweise McDonald's, werden wieder auf dem Vormarsch sein. Das ist der Dolchstoß für die Gastronomie". Üres würde sich wünschen, dass die Politik zurückrudert oder die Mehrwertsteuer zumindest umverteilt.
Ob an der Entscheidung zur Mehrwertsteuererhöhung noch zu rütteln ist, wird sich zeigen.