Mühevoll schwang Küchenjournalist Jeff Steingarten seine altersmüden Beine über die Sitzbank, griff zur Speisekarte und seufzte: „Ethnic restaurants are no good.“ Sollte heißen: Die Übertragung kulinarischer Welten in ferne Länder funktioniert nicht. Was drollig war, denn es war ein koreanisches Restaurant, in das er mich geschleppt hatte – und da Zeit und Ort der Handlung in New York und nicht Korea spielten, hätte das Lokal nach seiner Logik den Besuch nicht wert sein sollen. Na ja, relativierte Jeff, manche Köche bemühten sich eben doch um Authentizität und gehörten immerhin gewürdigt. Dann ließ er irgendeinen quasi noch lebenden Kopffüßer zerschneiden und warnte: Gelinge es einem der sich windenden Tentakel, sich um mein Rachenzäpfchen zu schlingen und dort festzusaugen, müsse ich jämmerlich ersticken. Dann biss Steingarten zu und lächelte.
Das mit der Authentizität fiel mir wieder ein, nachdem ich meine Erzieherin im Spätsommer in ein Chinarestaurant geschleppt und uns eine „Rijsttafel“ für zwei bestellt hatte, ein indonesisches Festgericht mit vielen kleinen, im Original hochwürzigen Happen, oft von der Wucht eines Leberhakens. Für die Dummheit dieser Bestellung könnte ich mich jetzt noch hauen, denn in Chinarestaurants bestellt man „Rijsttafels“ nicht ungestraft, selbst nicht in den Niederlanden, wo eine hohe Zahl von Bürgern indonesischer Abstammung ihre Väterküche zwar erfolgreich pflegt, wo in Touristenorten aber eben auch geneppt wird. Weiß man das nicht? Man weiß es!
Und doch tappt man immer mal wieder in die Falle. Wo wir uns niedergelassen hatten, war jedenfalls der falsche Platz. Jedes Gericht war mit dem gleichen, fade süßbräunlichen Seim überzogen. Das einzig Gute an der Pleite war, mich zu erinnern, zu Hause wieder mal einen Klassiker der indonesischen Küche halbwegs authentisch zu bereiten: Saté Ajam – in Holland Kip Saté und bei uns Hähnchen-Saté genannt.
Ich kenne das Gericht aus Bali, wo Frau (Ibu auf Indonesisch) Ida Ayu Agung Mas das Kulturinstitut Sua Bali betreibt. Man kann bei ihr dörflich und fast in jeglicher Hinsicht frei von den Zusatzstoffen der Moderne wohnen und Indonesisch sprechen sowie kochen lernen (www.suabali.com – Ibu Mas spricht Deutsch).
Bei ihr begriff ich die Funktion seltsam grenzekeliger Zutaten, ohne deren Zufügung manches Gericht einfach nicht funktioniert, die allerdings auch nie vorschmecken dürfen, bei Strafe der Verbannung vom Tisch und manchmal auch vom Bett.
Vom Geheimnis der Saté-Sauce
Im Fall indonesischer Saté-Saucen heißt diese Zutat Sambal terasi (gesprochen ßmbal trassì). Es ist ein tonfarbenes, pastös-bröseliges Derivat aus vergorenen Garnelen, dessen Geruchsbeschreibung sich verbietet, so man die Leser nicht verlieren will. Wichtig ist nur: Ist Terasi mit im Spiel, wird die Sache spannend, ist es das nicht, kann man das Saté vergessen. Insofern ähnelt Terasi der Sardelle/Sardellenpaste in der mediterranen Küche und in vielen klassischen Braten des 19. Jahrhunderts.
Ein Saté besteht aus marinierten Fleischstücken und wird eigentlich an Spießchen gegrillt. Bei uns im Winter aber müssen Pfanne und Ofen die Grillglut aus Kokosnussschalen ersetzen. (Ohnehin lässt sich das Aroma der offenen Kanalisation nicht imitieren, über der indonesische Imbissbuden gern platziert sind.)
Hähnchen-Saté wird meist mit blankem Brustfleisch zubereitet. Ich ziehe Schenkel vor, die Konsistenz hiesigen Schenkelfleisches entspricht in etwa der des Brustfleisches frei laufender asiatischer Hühner.
Ich schneide 2 Brüste oder 2 Schenkel (jeweils ohne Haut) in Würfel von ca. 1,5 cm Kantenlänge, rühre mir eine Marinade aus 1 EL süßer Sojasauce (Ketjap manis), 2 Knoblauchzehen, gepresst oder gerieben, 1/2 TL Salz, 1/2 TL Koriander und 1/4 TL Kreuzkümmel, jeweils gemahlen. Darin verknete ich die Fleischwürfel mit der Hand und lasse sie 2 Stunden ziehen.
Inzwischen bereite ich die Saté-Sauce aus 1 Zwiebel und 2 Knoblauchzehen, beide am besten gerieben oder sehr fein gehackt, die ich in 1 EL Pflanzenöl anbrate. Ich röste 2 TL Sambal terasi in einem Pfännchen offen an (Kinder und Sissis aus der Küche schicken), löse das Gebrösel in 2 EL Wasser auf, gebe die Schlempe mit 3 EL Erdnussmus an die Zwiebeln und würze mit jeweils 1 EL süßer Sojasauce, Rohrohrzucker (Muscovado) und Limettensaft sowie 1 TL Salz. Ich lasse leise köcheln und erlaube der Sauce einzudicken.
Das Fleisch stecke ich auf 6 Bambusspießchen und brate sie in wenig Öl in einer ofenfesten weiten Eisenpfanne, die ich, nachdem das Fleisch dort unter Wenden Farbe angenommen hat, in den auf 150 Grad vorgeheizten Ofen schiebe, für ca. 10 Minuten. Die Menge reicht für 2 Personen.
Dazu reiche ich Reis und einen süßsauren Gurken-Obst-Salat: 1 Salatgurke schälen, längs vierteln, entkernen und schräg in 5 mm breite Streifen schneiden. 1 Mango schälen (hier eignen sich einmal die bei uns üblichen unreifen Früchte), das Fleisch vom Stein schneiden und streifig schneiden, ebenso das Fruchtfleisch von 1 festen Apfel (Topaz sind gut) und 1 Pampelmuse, deren Segmente ich filetiere.
Aus 100 g Rohrohrzucker, 1/2 TL Sambal terasi (in etwas lauwarmem Wasser gelöst), 1/2 TL Sambal oelek, dem Saft 1/2 Limette sowie 1/2 TL Salz eine Salatsauce rühren und die Gemüse-Obst-Mischung darin umheben.
So man verheimlicht, was darin ist, eignet sich Saté zur Einführung von Kindern in die Welt exotischer Küchen, denn wegen des Erdnussmuses und des vielen Zuckers ist dies Gericht süßlich, aber eben nicht nur. Man tue wie Jeff Steingarten, schwinge seine altersmüden Beine über die Bank, seufze ein wenig, grummele Warnungen über das Für und Wider von Authentizität, serviere, beiße zu und lächle.
