"Im freien Europa gibt es hunderttausende Hotels. Wenn jedes Hotel für nur eine einzige Schutz suchende ukrainische Familie die Türen öffnet: Dann sind wir Europa!". Mit diesen Worten rief der österreichische Spitzenkoch und Hotelier Sepp Schellhorn auf seinen Social-Media-Kanälen zur Solidarität auf und startete die europaweite und private Initiative "One Hotel One Family". Die Idee dahinter: Jeder Beherbergungsbetrieb öffnet Herz und Tür und nimmt eine geflüchtete Familie aus der Ukraine auf. Kostenlos.
Schellhorn betreibt in Österreich mehrere Restaurants, darunter das Hotel Seehof mit dem dazugehörigen Hauben-Restaurant "Hecht". Zudem war Schellhorn jahrelang Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung. In Deutschland ist er unter anderem durch seinen Auftritt in der letzten Staffel der Kochshow "Kitchen Impossible" bekannt. Der Gedanke hinter der Aktion? Diesmal solle es schlichtweg besser laufen als 2015, nicht die gleichen Fehler gemacht werden, erklärte Schellhorn der Austria Presse Agentur (APA). "Meine Intention ist, es so zu schaffen wie damals im Jugoslawienkrieg", sagte er. Und: "Der Gedanke ist, wir versuchen dezentral zu integrieren und wollen ein Zeichen für ein vereintes Europa setzen."
"One Hotel One Family" – unbürokratische Flüchtlingshilfe
Die Aktion trifft auf fruchtbaren Boden. Allein in den ersten 48 Stunden hätten sich 50 Hoteliers in Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz gemeldet, die Räume zur Verfügung stellen wollen, erzählte Schellhorn der Austria Presse Agentur (APA). Er zeigte sich zuversichtlich, dass viele weitere Betriebe dem Vorbild folgen und das Unterkunftsproblem so schnell gelöst werden könne. Bei insgesamt rund 60.000 Beherbergungsbetrieben in Österreich werde es wohl gelingen, meinte er, eine erkleckliche Anzahl an Geflüchteten unterzubringen.
Unterbringungen werden derzeit händeringend gesucht. Denn Europa erlebt aktuell die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten Menschen, die aus dem Krieg in der Ukraine flüchten, kommen zunächst in Polen an. Dort wurden bisher etwa 1,8 Millionen Menschen registriert. Viele davon reisen in andere Länder weiter. Allein in Deutschland sind bisher schon fast 150.000 Menschen registriert worden, die tatsächliche Zahl könnte aber "wesentlich höher" liegen, wie das Bundesinnenministerium mitteilte, feste Kontrollen finden an den Grenzen nicht statt.
All diese Menschen benötigen schnell eine sichere Unterbringung. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte daher die Bundesländer bereits aufgefordert, schnell Möglichkeiten zu schaffen und diese zu melden. "Jetzt ist es höchste Zeit, schneller zu werden, größere Kapazitäten zur Verfügung zu stellen", sagte er im Deutschlandfunk.
Schellhorn: "Wir sollten hier großzügig sein"
Für die Geflüchteten soll die Unterbringung selbstredend kostenlos sein, auch Geld vom Staat solle, das betonte Schellhorn im Gespräch mit dem ORF, nicht in die Initiative, die Bezahlung der Räume oder die Verköstigung fließen. "Natürlich ist es kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Wenn jedes Hotel eine Familie nimmt, dann fällt das überhaupt nicht ins Gewicht. Wir sollten hier großzügig sein", sagte er. Eine Aktion, die auch Freund und Kollege Tim Mälzer unterstützt. Auf seiner Instagram-Seite teilte der Hamburger den Post, es handele sich um eine Initiative, die er "mit voller Kraft meines Netzwerkes (on- und offline) unterstütze".
Wie die "Kronen Zeitung" berichtete, beteiligt sich unter anderem die Sacher-Gruppe an der Aktion. Sowohl in Salzburg als auch in den Häusern in Wien, im Hotel Sacher und im Hotel Bristol will die Gruppe Hotelzimmer für Kriegsflüchtlinge zur Verfügung stellen, erklärte Matthias Winkler, Chef der Sacher-Gruppe. Auch freie Mitarbeiterwohnungen in den beiden Städten sollen für Geflüchtete aufgemacht werden.
Schellhorn ist nicht der einzige Gastronom, der sich derzeit mit Aktionen für die Ukrainer stark macht. Wie der stern bereits berichtete, starteten die Hamburger "Kitchen Guerilla" und das Festival "Ukrainian Days" gemeinsam mit dem ukrainischen Koch Ievgen Klopotenko die Aktion "Make Borscht Not War". Ihre Idee: Auf der ganzen Welt wird aus Solidarität mit der Ukraine Borschtsch gekocht und geteilt. Unter anderem soll mit dem Hashtag #makeborschtnotwar ein weltweiter Spendenaufruf initiiert werden, die Spendengelder sollen gebündelt und gezielt für humanitäre Hilfe eingesetzt werden (mehr Infos dazu hier).
Dass sich Gastronomen gesellschaftlich engagieren, ist nicht neu. Auffällig wurde das bereits in großem Maße in der Corona-Pandemie, auch da waren es immer wieder die Gastronomen, die mit besonderen Aktionen aufzeigten, wie Solidarität aussehen kann. Ein Leuchtturmprojekt war dabei sicherlich "Kochen für Helden", eine Initiative, die Sternekoch Max Strohe gemeinsam mit Ilona Scholl ins Leben rief. Viele Restaurants in ganz Deutschland, darunter auch die von Tim Mälzer, schlossen sich dem Projekt an, bekochten ehrenamtlich Menschen in systemrelevanten Berufen wie Ärzte und Pflegepersonal. Für ihr Engagement erhielten sie im vergangenen Jahr den Bundesverdienstorden.
Quelle: ORF, Kurier, Kronen Zeitung