Anderthalb Jahrzehnte lang zählte das Restaurant Vendôme in Bergisch Gladbach zur absoluten kulinarischen Elite Deutschlands. Der Gourmettempel hatte regelrecht ein Abo auf die Michelin-Sterne, 17 Mal in Folge zeichnete der Restaurantführer das Lokal im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg mit drei Sternen aus – mehr geht nicht. Damit gehörte Joachim Wissler mit seinem Restaurant fix zum erlauchten Kreis der Besten der Besten. Das ist jetzt vorbei. Denn der Guide Michelin hat das Vendôme bei der diesjährigen Verleihung herabgestuft. Statt drei, gab es nur noch zwei Sterne. Die Entscheidung hallte wie ein Paukenschlag durch die Gastro-Szene.
Es ist der erste kleine Karriereknick für Wissler, seit er in dem Sternerestaurant das Zepter übernommen hat. Er ist dort seit 2000 Geschäftsführer und Küchenchef und legte einen rasend schnellen Aufstieg hin. Nach nur einem Jahr erhielt das Vendôme den ersten, nach zwei Jahren den zweiten, kurz darauf folgte der dritte Michelin-Stern. Entsprechend geknickt zeigte sich Wissler nach der Bekanntgabe der diesjährigen Sterne. Eine Auszeichnung des Guide Michelin sei etwas ganz Besonderes. Auch nach so vielen Jahren sorge dieser Tag bei ihm immer wieder für Herzklopfen, sagte er. Die Wertung sei "selbstverständlich zunächst enttäuschend".
Wissler: "Unser Ehrgeiz ist ungebrochen"
Eine Begründung für die Wertung lieferte der Guide Michelin wie üblich nicht. Die Abwertung ist nun zwar eine Kröte, die Wissler erst einmal schlucken und verdauen muss, allzu dick ist sie aber nicht. Schließlich hat das Vendôme zwar einen Stern eingebüßt, gehört mit zweien aber noch immer zu Deutschlands Top-Adressen. Zudem hat Wissler mitnichten die Absicht, diese "Schmach" auf sich sitzen zu lassen. Nun sei es ihm wichtig, den Blick nach vorne zu richten, meinte er, "unser Ehrgeiz ist ungebrochen, mit gemeinsamen Höchstleistungen den dritten Stern zurückzuerobern". Die Rückendeckung hat er dabei. Joachim Wissler koche auf absolutem Weltklasseniveau, kommentierte Frank Marrenbach, CEO der Althoff Hotels. "Die Spitzenküche ist vergleichbar mit dem Spitzensport: Die besten Mannschaften erleben einmal eine Niederlage und verlieren dennoch niemals die Motivation, um den Titel zu kämpfen", meinte er. Man wolle Wissler und Team "in jeder nur denkbaren Art und Weise" dabei unterstützen.
Dass die Rückeroberung kein Ding der Unmöglichkeit ist, meint auch der Chefredakteur des Guide Michelin, Ralf Flinkenflügel. Er kenne Wissler und seine Küche seit vielen Jahren und könne daher voller Überzeugung sagen: "Wenn der Guide Michelin einem Koch in diesem Land ein Comeback zum dritten Stern zutraut, dann ist es Joachim Wissler."
Deutschlands beste Restaurants: Dieser Koch hat ab jetzt drei Michelin-Sterne

Wissler ist mitnichten der erste Top-Koch, dem das Schicksal der Abwertung ereilte. Vor zwei Jahren war es beispielsweise Paul Bocuse, beziehungsweise das Restaurant "Auberge du Pont de Collonges" der verstorbenen Koch-Legende nahe Lyon, das ebenfalls einen Stern abgeben musste. Das Restaurant hatte auch nach dem Tode von Bocuse beinahe ein halbes Jahrhundert lang die drei Michelin-Sterne halten können.
Insgesamt wurden in diesem Jahr 23 deutsche Restaurants vom Guide Michelin heruntergestuft. Auch das "Atelier" in München wurde von drei auf zwei Sterne abgewertet. Die Restaurants "Sosein." in Heroldsberg und das "Olivo" in Stuttgart fallen jeweils von zwei auf null Sterne, das eine ist dauerhaft, das andere vorübergehend geschlossen. Das "Les Deux" in München kann immerhin noch einen Stern halten. Insgesamt gibt es in Deutschland jetzt dennoch so viele Sterne-Restaurants wie nie: 327. Neun schmücken sich mit drei Sternen, 46 tragen zwei und 272 einen Stern.