Es sollte ein Grund zum Feiern sein: Die Michelin-Verleihung 2025 brachte so viele Neuerungen wie seit Jahren nicht mehr. 37 neue Sterne gingen an deutsche Restaurants, zwei neue Drei-Sterne-Häuser kamen dazu. Doch bei genauerer Betrachtung der Zahlen wird schnell klar: Für Frauen in der Spitzengastronomie gibt es wenig zu feiern.
Von den insgesamt 341 Sterneköchen sind gerade einmal 14 weiblich – das entspricht nicht einmal vier Prozent. Unter den 37 neuen Auszeichnungen ging nur eine einzige an eine Frau: Cornelia Fischer vom Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern.
Die ernüchternden Zahlen spiegeln ein strukturelles Problem wider, das weit über die Michelin-Bewertungen hinausgeht. "Frauenpower gehört mehr an den Herd", sagt Christoph Kunz vom mit zwei Sternen ausgezeichneten KOMU. "Frauen kochen subtiler und schöner." Doch warum sind sie dann so unterrepräsentiert?
Zwei neue Restaurants erobern in Deutschland die Drei-Sterne-Spitze

Küchenchef: Christoph Rüffer
Mit perfekten Kompositionen aus Top-Produkten in hervorragender Balance hat sich das Hamburger Restaurant die Höchstauszeichnung verdient.
Eine Branche, die Familien ausschließt
Kevin Fehling vom Hamburger Drei-Sterne-Restaurant "The Table" bringt das Kernproblem auf den Punkt: "Frauen entscheiden sich für Familie und Kinder – und die Gastronomie ist sehr arbeitsunfreundlich wegen der Arbeitszeiten."
Die Realität der Spitzengastronomie ist brutal: Dienste von morgens bis Mitternacht, permanente Wochenendarbeit, 16-Stunden-Tage für einen perfekten Service bei niedrigen Gehältern. Eine Vereinbarkeit mit Familie? Nahezu unmöglich.
Hinzu kommt: In den noch immer patriarchalisch geprägten Strukturen der Branche fördern Männer bevorzugt Männer, während Köchinnen gegen Vorurteile kämpfen und häufig Sexismus erleben müssen.
Dabei sind aktuell nur 14 Frauen unter den deutschen Sterneköchen vertreten: An der Spitze stehten Julia Anna Leitner vom Berliner "CODA" , Douce Steiner vom "Hirschen" in Sulzburg und Rosina Ostler vom "Alois - Dallmayr Fine Dining" in München – sie wurden jeweils mit zwei Sternen ausgezeichnet.
Jeweils einen Stern führen Iris Bettinger vom "Reuter" in Rheda-Wiedenbrück, Sarah Hallmann von "Hallmann & Klee" in Berlin, Julia Komp vom "Sahila" in Köln, Lisa Angermann vom "Frieda" in Leipzig, Christiane Detemple-Schäfer vom "Le Temple" in Neuhütten, Sabine Koch vom "Laurentius" in Weikersheim, Alina Meissner-Bebrout vom "Bi:braud" in Ulm, Sabrina Fenzl vom "Mind" in Markt Indersdorf, Sigi Schelling vom "Werneckhof" in München, Nathalie Leblond vom "Les Deux" in München und neu dazu Cornelia Fischer vom Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern.
"Ich ziehe Frauen vor"
Dabei mangelt es nicht an Talent oder Wertschätzung. Julia Komp vom Kölner Sahila beobachtet: "Es gibt bereits viele Frauen in der Branche, die im Hintergrund wirken – ich bin mir sicher, dass diese in den nächsten Jahren sichtbarer werden."
Auch Kevin Fehling bestätigt: "Es hat nichts damit zu tun, dass Frauen nicht gewünscht sind. Ich ziehe Frauen sogar vor, weil sie disziplinierter sind und mehr Ruhe hereinbringen."
Das Problem liegt vielmehr in den Arbeitsbedingungen. Komp kämpft für Veränderungen: "Work-Life-Balance, geregelte Arbeitszeiten und faire Bezahlung. Mein Ziel ist es, die Gastronomie für Mitarbeitende in jeder Lebensphase attraktiver zu machen – so können auch mehr Frauen in den Vordergrund rücken."
Michelin-Verleihung: Mut zur Veränderung gefordert
Alexander Herrmann, der gemeinsam mit Küchenchef Tobias Bätz das Zwei-Sterne-Restaurant Aura betreibt, sieht auch die Frauen selbst in der Verantwortung: "Frauen müssen sich mehr trauen und großzügiger zu sich selbst sein, Fehler machen, wie es die männlichen Kollegen machen. Frauen an die Macht!"
Gwendal Poullennec, internationaler Direktor des Guide Michelin, räumt die Problematik ein: "Wir wissen um die Diskrepanz und sind uns unserer Verantwortung bewusst." Deutschland sei keine Ausnahme, international gebe es aber Hoffnung: "In vielen Küchen kommen mehr weibliche Köche – das ist ein guter Anfang."
Trotz der Hürden entwickeln immer mehr Köchinnen neue, zukunftsweisende Konzepte: geteilte Führungspositionen, faire Arbeitszeiten, familienfreundliche Strukturen. Der Mut wächst, traditionelle Hierarchien aufzubrechen.
Die Michelin-Verleihung 2025 zeigt: Es ist noch ein weiter Weg zu einer wirklich diversen Spitzengastronomie. Doch die Stimmen für Veränderung werden lauter. Christoph Kunz fasst zusammen: "Es muss diverser werden – das würde unserer Branche und auch unseren Gästen guttun."