Ich vermisse Restaurants. Ich habe Sehnsucht danach, bekocht und bewirtet zu werden. Daher war es für mich ein gefundenes Fressen, als Sternekoch Alexander Herrmann seine StarchefBox launchte. Hinter dem klanghaften Namen verbirgt sich ein vorgekochtes Drei-Gänge-Menü, das per Express geliefert wird und den Anspruch hat, dass der Empfänger nicht mehr viel tun muss, bis die Speisen auf den Tellern dampfen. Ich male mir ein "Dinner for One" aus. Damit möchte ich der Tristesse der Pandemie einmal ganz entspannt kulinarisch Kontra geben. Die Frage ist nur: Macht das exklusive Essen aus der Thermobox wirklich Spaß, oder ist es am Ende eher eine traurige Angelegenheit?
An sich ist die Idee mit den Kochboxen nicht neu. Seit Beginn der Pandemie aber ist das Angebot so gefragt wie nie zuvor. Denn es bringt ein paar Vorteile. So spart man sich beispielsweise den leidigen Gang in den Supermarkt, schließlich werden alle Zutaten in den benötigten Mengen geliefert. Einer der großen Profiteure des derzeitigen Kochbox-Booms ist Hellofresh. Der Run auf die Boxen des Berliner Unternehmens war zwischenzeitlich so groß, dass keine Neukunden aufgenommen werden konnten. Die Gewinne in diesem Jahr konnten beträchtlich gesteigert werden. Dass nun aber auch Promi- und Sterneköche auf das Essen aus der Box setzen, ist neu.
Spitzenköche packen Boxen
Neben Herrmann bietet auch die Konkurrenz vermehrt Next-Level Lieferessen für Gourmets. Steffen Henssler baut auf die Festtage und geht mit "Weihnachten in the Box" an den Start. Auch das ist ein vorgekochtes Drei-Gänge-Menü, das deutschlandweit versandt wird. Und Tim Mälzer schickt neuerdings die "Bullerei Bäm Box" durch Deutschland, darin ein Mix aus Zutaten und vorgekochten Speisen. Die ersten 100 Boxen waren binnen fünf Minuten ausverkauft. "Euer Zuspruch und eure Bestellungen haben uns schlicht und einfach überwältigt", schrieb Mälzer in einem Instagram-Post. Es werde nahezu rund um die Uhr an weiteren Boxen gearbeitet.
Ich habe die Box von Herrmann getestet. Denn ich will mich verwöhnen lassen und möglichst wenig selbst tun. Bestenfalls soll so ein Gefühl von Restaurantflair in meinen eigenen vier Wänden entstehen. Etwas, das mit der zerdengelten Pizza vom Standard-Lieferservice nicht wirklich zu schaffen ist. Die erste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Die Lieferung kommt per Express und ist - nun - größer als erwartet. Die Kiste sieht aus, als könnte locker ein Wocheneinkauf hineinpassen. Darin finde ich eine ebenso große Thermobox und darin wiederum viele, viele einzeln verpackte Zutaten. Fleisch und Fisch, Salat, Soßen, Gratin und so fort. Auch der passende Wein ist dabei. Ich stutze: Das soll ich kleiner Mensch alleine essen?
Exklusives Drei-Gänge-Menü - und wenig Arbeit?
Schnell wird klar, dass aus meinem "Dinner for One", ein Stelldichein für Zwei werden muss. Selbstverständlich, das hatte ich in meiner Euphorie ignoriert, ist das keine Single-Box. Ich werfe meine Pläne um und lade einen Gast ein. Bei dem Menüplan, lässt der sich nicht lange bitten: Den Auftakt machen confierte Garnelen, gebratene Romanasalatherzen, Caesar-Cremedressing, Thymiancroutons und Parmesanspäne. Zum Hauptgang soll es Rinderfilet am Stück, rosa gebraten, Rotweinjus, Trüffelbutter, Rotweinschalotten und Kartoffelgratin geben. Den Abschluss bildet warmer Apfel-Streusel-Tassenkuchen mit Vanillesauce.
Die zweite Überraschung: Ganz so gemütlich, wie ich mir das vorgestellt habe, wird es nicht. Und das obwohl hier der Großteil der Arbeit schon getan ist. Vieles muss nur noch erwärmt, anderes gebraten oder gebacken werden. Es ist die Parallelität der Arbeitsschritte, die ich nicht bedacht hatte. Ich hätte es besser wissen müssen. Weil ich nun aber nicht nur Gast im eigenen Heim bin, sondern auch Gastgeberin, ist der Anspruch, den Gerichten gerecht zu werden, noch ein bisschen größer.
Normalerweise bringt Herrmann seine Kreationen im Restaurant "Alexander Herrmann by Tobias Bätz" in Franken auf den Tisch. Das Restaurant ist mit zwei Sternen prämiert. Bereits im Frühjahr hatte der Koch die Idee zur Sterneküche aus der Box. Aus den ersten Testläufen ist nun die StarchefBox geworden - Sterneküche für den Hausgebrauch. Die sei etwas für jeden, "der gutes Essen als gemeinsames Genusserlebnis wahrnimmt", so Herrmann. Und: "Die Handhabung der Box ist zudem simpel und mit den haushaltsüblichen Küchenutensilien zu erledigen." Das günstigste Menü für Zwei inklusive Wein gibt es ab knapp 100 Euro, Versand inklusive.

Gelingt die Spitzenküche am heimischen Herd?
Die Kochanleitung ist, wie man so schön sagt, idiotensicher. Die Zutaten tragen Sticker, die sie einem Gang zuordnen. Benötigt werden nur ein paar Pfannen und Töpfe und ein Backofen. Einige davon sind allerdings simultan in Gebrauch. Und auch das Timing bringt mich, das gebe ich zu, einigermaßen ins Schleudern. Während die Vorspeise brutzelt, muss der Hauptgang in den Ofen und so fort. Alles ist zeitlich genau abgestimmt. Dazu kommt, dass ich, während ich die Gerichte finalisiere, meinen Gast unterhalten möchte. Aber: Alles läuft rund.
Das Essen ist köstlich - ohne Wenn und Aber. Wirklich jedes einzelne Element hat auf dem Teller seine Daseinsberechtigung und macht die Komposition rund. Das Kartoffelgratin ist sämig, aber nicht matschig, Die Rotweinschalotten bissfest und aromastark, die Garnelen fein mariniert und das Fleisch auf den Punkt gebraten. Das i-Tüpfelchen ist das Dessert. Die Streusel sind buttrig und süß, das Apfelkompott delikat mit feinen Nelkennoten. Im Zusammenspiel mit der Vanillesoße ist das nicht weniger als eine Geschmacksexplosion.
War es das Sternerestaurant-Feeling, das ich mir ausgemalt hatte? Nein. Das liegt aber nicht an dem Menü. Das einmalige Verwöhnambiente, das gute Restaurants kreieren können, fehlt. Es fehlt der Koch, der den Feinschliff übernimmt, es fehlt der Ober, der serviert. In der Heimvariante übernimmt man diese Rollen in Personalunion selbst, anders geht es nicht. Allerdings ist das klagen auf extrem hohen Niveau. Unterm Strich bleibt, dass die Box eine Alternative zum derzeit nicht möglichen Restaurantbesuch ist. Denn mit relativ wenig Aufwand und innerhalb kurzer Zeit bekommen auch nicht allzu versierte Köche ein High-End-Menü in drei Gängen auf den Tisch. Und ich kann es nicht leugnen - meine Teller waren wohl nie Unterlage für ein besseres Essen.